Hatha Yoga: klassisch, anstrengend und meditativ

Hatha Yoga ist achtsam, langsam und eine traditionelle Art, Yoga zu praktizieren – diese Aussage kommt einem häufig zu Ohren. Das stimmt, und darüber hinaus ist Hatha Yoga die Basis all unserer anderen Yoga-Stile, egal ob Vinyasa, Yin oder Jivamukti. Zeit also, der Sache genau auf den Grund zu gehen.

Was ist Hatha Yoga?

Hatha Yoga ist ein körperorientierter, dynamischer Yoga-Stil, der sich sowohl durch asana, Meditation und pranayama, als auch durch yogische Verhaltensweisen gegenüber sich selbst und anderen auszeichnet (yamas und niyamas). Die Körperübungen werden tendenziell recht langsam und achtsam ausgeführt – das bedeutet allerdings nicht, dass es nicht anstrengend sein kann.

Darüber hinaus kann der Begriff Hatha Yoga für Verwirrung sorgen, was hauptsächlich daran liegt, dass er heute zweierlei bedeutet:

  1. Hatha Yoga ist ein Überbegriff für die meisten anderen, uns bekannten Yoga-Stile, da sie alle aus dem Hatha heraus entstanden sind.
  2. Hatha Yoga ist ein eigenständiger Yoga-Stil, der sich parallel zu den anderen Stilen weiterentwickelt hat.

Wenn du in einer Yogaklasse landest, in der Hatha möglichst traditionell unterrichtet wird, dass heißt, wie er in Ursprungswerken wie der Hatha Yoga Pradipika aus dem 14. Jahrhundert gelehrt wird, dann übst du Hatha. Und wenn du eine der Yogaklassen besuchst, in denen die verschiedensten bunten Yoga-Stile, wie Ashtanga, Jivamukti oder Yin Yoga gelehrt werden, dann übst du ebenfalls Hatha.

Hatha Yoga ist ein sich ständig entwickelnder Yoga-Stil, der sich immer wieder an die aktuellen Bedürfnisse der Menschen anpasst.

Gleichzeitig werden wichtige, traditionelle Essenzen trotzdem bewahrt. Man könnte behaupten, er fungiert als Konstante, die uns hilft, nicht zu vergessen, woher Yoga kommt und was Yoga in seinen Ursprüngen bedeutet.

Wie sieht eine Hatha Yoga Klasse aus?

Traditionelle Hatha Klassen zeichnen sich durch einen runden Unterricht aus. Den Körperübungen wird genauso viel Gewicht gegeben, wie den Atem– und Reinigungsübungen oder der Meditation. Dabei werden die oft fordernden Asanas lange gehalten und in den darauf folgenden, kleinen Entspannungsphasen ist Zeit, um der körperlichen und energetischen Wirkung der Übungen nachzuspüren.

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In der Regel impliziert Hatha Yoga folgende Praktiken:

In der Regel werden die asanas einzeln ausgeführt, und nicht zu einem flow verbunden, wie im Vinyasa Yoga. Das macht die Stunde sanfter und achtsamer, und es wird viel Zeit darauf verwendet, die richtige Ausrichtung einer Pose zu finden und zu verstehen. Auch die Geschwindigkeit ist dadurch merklich gedrosselt. Auf Musik wird verzichtet, damit die Wahrnehmung ganz bei einem selbst bleibt.

Viele Lehrende unterrichten mittlerweile einen kombinierten Hatha-Vinyasa Stil, um eben jenes flow-Gefühl bewusst zu integrieren.

Der Sonnengruß: eine typische Sequenz im Hatha Yoga

Surya Namaskar ist eine dynamische Übungsabfolge, die kaum aus einer Yogastunde wegzudenken ist. Es existieren unterschiedliche Varianten, die ähnlich aufgebaut sind, sich aber hier und da unterscheiden. Ihnen gemein ist, dass die asanas flüssig und zügig mithilfe des Atems miteinander verbunden werden, pro Atemzug eine Bewegung. Die Sonnengrüße beginnen alle in der Berghaltung, tadasana, und enden dort auch wieder; auch der Hatha Sonnengruß.

Der Sonne entgegen - Der Sonnengruß

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Für wen ist Hatha Yoga geeignet? Können Anfänger*innen gut damit einsteigen?

Hatha ist sogar sehr gut für Anfänger*innen geeignet! Die langsamere Praxis kombiniert mit dem langen Halten der asanas ermöglicht es dir, die einzelnen Haltungen richtig kennenzulernen und den Fokus auf das korrekte Alignment zu legen. So hetzt du nicht durch einen schnellen flow, sondern erarbeitest dir Stück für Stück dein Yoga-Wissen, um dann irgendwann dynamischer zu werden – falls du das überhaupt möchtest.

Hatha-Checkliste: stell dir folgende Fragen

  • Kommst du besser in Stille zur Ruhe als mit Musik?
  • Fängst du gerade erst mit Yoga an und möchtest dir Zeit nehmen, die asanas zu verstehen und kennenzulernen?
  • Brauchst du eine Weile in einer Haltung, um sie zu genießen?
  • Sind dir die inneren Wirkungen von Yoga wichtiger als die äußeren?
  • Möchtest du die feinstofflichen Energien in deinem Körper kennenlernen und deutlich fühlen?
  • Und möchtest du lernen, wie du diese beeinflussen kannst?

Was soll Hatha Yoga bewirken?

Hatha ist der Yoga der Körperarbeit. Was genau bedeutet das? Sprechen wir von Körperarbeit, ist nicht nur die physische Hülle gemeint, sondern auch die energetische (pranamaya kosha) und die geistig-emotionale Hülle (manomaya kosha). Alle drei Hüllen, die physische, die energetische und die geistig-emotionale, werden im Hatha Yoga stimuliert und aktiviert, um sich letztendlich mit dem Göttlichen zu verbinden – oder diesem immerhin näher zu kommen.

Das Ziel aller Hatha Praktiken deckt sich also weitestgehend mit denen anderer Yoga-Stile: Es wird Erleuchtung angestrebt.

Dazu bündeln wir unsere Energien, versuchen sie zu lenken und die Energiebahnen von Blockaden zu befreien. Erreicht wird dies eben durch Körperstellungen (asanas), Atemübungen (pranayama), Reinigungstechniken (kriyas) und unterschiedliche Meditationstechniken (dharana).

Zum Vergleich: Raja Yoga gilt als der Yoga der Gedankenkontrolle, Bhakti Yoga als der der Liebe und Hingabe und Jnana Yoga als der des Wissens; sie sind allesamt traditionelle Yoga-Richtungen des Geistes, die in der Regel keine körperlichen Übungen umfassen. Laut der Hatha Yoga Pradipika gilt es, Hatha zu praktizieren, um sich eines Tages der Praxis des Raja Yoga annehmen zu können.

Der körperzentrierte Fokus des Hatha stellt einen Aspekt offensichtlich in den Mittelpunkt, der bei vorangegangen yogischen Schulen eher vernachlässigt wurde: die physische Reinigung.

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Damit ist weniger die Eliminierung negativer Attribute gemeint, sondern mehr eine allgemeine Klärung und Entdeckung des Selbst, wobei der Körper als Brücke fungiert; mein Körper ist mein Tempel bekommt so viel Wahrheit beigemessen.

Als letztes Ziel steht immer noch die Erleuchtung, klar. Trotzdem bekommt der Körper eine dem Geist ebenbürtige Bedeutung attestiert, und ist diesem nicht untergeordnet. Erkenntnis ist demnach nur durch aufmerksames Körperbewusstsein zu erreichen, dass durch Aktivität genährt wird, durch Bewegung, Ernährung und reinigende Praktiken – Detox quasi.

Angewendet auf unsere Praxis heute, schlägt Hatha Yoga als Yoga-Stil auch eine Brücke, nämlich die, zwischen körperorientiertem, modernem Yoga, und spiritueller Tradition, die geistige Praxis miteinschließt.

Wie ist Hatha Yoga entstanden?

Da diese Form des Yoga sehr alt ist, verlieren sich seine Ursprünge im Dunkel der Geschichte. Wahrscheinlich entstand er etwa im 9. Jahrhundert n. Chr. und erfuhr seine Blütezeit vom 10. bis zum 15. Jahrhundert. Sicher ist, dass er keine eigens entwickelte Philosophie ist, sondern auf den Gedanken des Tantrismus beruht. Er wurde entwickelt, um die subtilen Bewusstseinslehren des Tantra erfahrbar zu machen.

Der Tantrismus ist ein spiritueller Übungsweg, welcher den Körper miteinbezieht – was damals revolutionär war! Zum besseren Verständnis ein kurzer philosophischer Ausflug: Dem tantrischen Bild nach ist unser Körper von Energiebahnen (nadis) durchzogen, durch die unsere Lebensenergie (prana) fließt. Die mit Abstand wichtigsten drei Energiebahnen in unserem Körper sind ida, pingala und susumna. Ida und pingala repräsentieren zwei gegensätzliche Energien in uns und winden sich spiralförmig um susumna die Wirbelsäule hinauf. Dort wo sie sich jeweils kreuzen, befinden sich die sieben chakras.

Mit diesem Wissen lässt sich auch die Übersetzung von Hatha Yoga aus dem Sanskrit verstehen: Ha steht für die Sonne und tha für den Mond.

Der Begriff Yoga selbst wird grob mit Zusammenführen übersetzt. Also bedeutet Hatha Yoga das Zusammenführen der Gegensatzpaare, oder der beiden gegensätzlichen Energien in uns, die dann gemeinsam durch die mittlere Energiebahn susumna die Wirbelsäule aufsteigen und zur Erleuchtung führen können – auch bekannt als der Aufstieg der Kundalini.

Auch Hatha steht gewissermaßen in der Tradition von Patanjalis Yogasutra, dem über 2000 Jahre alten, acht-gliedrigen Yoga-Pfad: Die Klärung des Geistes gilt gleichermaßen als zentrales Mittel und Ziel.

Die Hatha Yoga Pradipika habe ich bereits an anderer Stelle erwähnt. Sie wurde im 14. Jahrhundert von Swatmarama aus Texten, die bis ins 6. Jahrhundert zurückgehen, verfasst und ist die zentrale Schrift des Hatha.

Wo kann ich in Deutschland Hatha Yoga üben?

Berlin

München

Düsseldorf

Köln

Frankfurt am Main

Hamburg

Leipzig

Dresden

Nürnberg

Auch Yoga Vidya bietet zu großen Teilen Hatha an und hat Zentren in zahlreichen deutschen Städten. In Bad Meinberg in NRW kannst du außerdem ein Ashram von Yoga Vidya besuchen.

Online

Du möchtest online üben? Dann schau bei YogaEasy* vorbei! Dort findest du Yoga-Videos mit tollen Hatha-Lehrer*innen mit verschiedenen Längen und Levels. Über www.yogaeasy.de/flgh erhältst du einen Gratis-Test-Monat ohne nervige automatische Abo-Verlängerung.

Weitere Tipps und Literatur-Empfehlungen

Hast du schon Hatha Yoga geübt? Was sind deine Erfahrungen? Schreibs mir gerne in die Kommentare!

Ich denke, ich schwinge mich jetzt auf die Matte.

Love, Danai

Titelbild via Unsplash © Artem Beliaikin

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4 Kommentare / Schreibe einen Kommentar

  1. Yoga, bis die Knochen brechen, lach. Ich finds cool. Man fühlt sich total ausgeglichen, ähnlich wie beim meditieren. Diese tantrische Richtung ist sehr interessant :-)

    Es lebe „Sunshine Reggae“

  2. Im Lotos Yoga in Friedrichshain wird auch Hatha Yoga unterrichtet sowie ausgebildet. Der Inhaber Frederico ist eine ganz wundervolle Person. Kann ich nur empfehlen!

  3. Danke für die treffende und nicht tendenziöse Beschreibung.
    Es wäre schön gewesen, wenn Ihr in München noch das Sivananda Yoga Vedanta Zentrum erwähnt hättet.
    LG
    Jörg

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