„Macht ihr das eigentlich nur, um voll spirituell auszusehen?“ fragte mich eine Freundin, als ich meine Hand in Chin Mudra legte, eine kleine Geste, die wir oft im Yogaunterricht machen. „Natürlich nicht!“ war meine klare Antwort. Ausführen konnte ich die aber spontan nicht so genau. Deshalb habe ich mich schlau gemacht und hier zusammengetragen, warum Fingerhaltungen für mich mehr sind als Pluspunkte auf der Eso-Skala.
Was ist eigentlich ein Mudra?
Der Sanskrit-Begriff Mudra wird mit „Siegel“ oder „Zeichen“ übersetzt. Wörtlich bedeutet mud „Freude“ und ra „geben“. Mudras sind also mystisch-religiöse Handgesten, die Freude geben. Im Bezug auf Yoga sind sie mit dafür zuständig, Energie in bestimmte Richtungen bzw. Körperregionen zu lenken, sie zu konzentrieren und zu speichern. Neben Handmudras gibt es übrigens zum Beispiel auch Zungen- und Halsmudras und auch eine Asana kann zur Mudra werden.
Nimmst du während deiner Meditation oder Pranayama-Praxis deine Hände beispielsweise in ein Mudra, unterstützt dich diese Handhaltung darin, dich noch besser zu konzentrieren. Du gibst deinem Geist eine zusätzliche Aufgabe (nämlich die Haltung der Hände) und damit weniger Möglichkeiten, sich abzulenken.
Hier zeige ich dir die bekanntesten Mudras und ihre Bedeutung.
Anjali Mudra: Ich bin ganz

Die Gebetshaltung Anjali Mudra nutzen wir als Gruß und Geste der Dankbarkeit. Nicht nur im Yoga übrigens. Oft verbunden mit dem verbalen Gruß Namasté. Die Daumen liegen auf dem Brustbein, am Herzchakra. Die beiden fest aufeinander gelegten Hände symbolisieren auch die Vereinigung von Gegensätzen: männlich-weiblich, Sonne und Mond, Yin und Yang, emotional und rational, linke und rechte Gehirnhälfte.
Für mich ist Anjali Mudra ein Weg zurück zu mir selbst. Nach einem Haufen schweißtreibender Sonnengrüße stehe ich in Tadasana (Berg-Asana) bzw. Samasthiti, hole die Hände zum Brustbein, fühle mein Herz, spüre, wie die Energie durch den Körper pulsiert, neige mein Kinn und berühre mit den Lippen meine Fingerspitzen. Ich nehme den Raum zwischen Gehirn und Herz bewusst wahr und verbinde mich bis in die kleinste Faser mit meinem Körper. Ich bin ganz, in allen Gegensätzen. Fest in mir verankert. So trete ich meinen Mitmenschen offen und anerkennend gegenüber.
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Chin Mudra und Jnana Mudra: Ich kontrolliere meine Energie

In Chin Mudra (Mudra des Wissens) und Jnana Mudra (Mudra des Bewusstseins) berühren sich Zeigefinger und Daumen in Kreisform, die drei restlichen Finger sind gestreckt. Dabei steht der Daumen für den*die Lehrer*in bzw. das höhere Wesen, vor dem sich der Zeigefinger, stellvertretend für das Individuum, verneigt. In Chin Mudra zeigen die Handflächen traditionell nach oben, in Jnana Mudra nach unten. Dem durch Berühren der Finger geschlossenen Kreis wird eine Begünstigung des Energieflusses und der Achtsamkeit zugeschrieben.
Irgendwann habe ich angefangen, in fordernden Asanas diese Mudra zu formen. Die Berührung meiner beiden Finger bringt meine Konzentration auf die Spitze, wo sich der Zeigefingernagel ein wenig in den Daumen bohrt. Ich habe bis in die Extremitäten volle Kontrolle über meinen Körper. Ich konzentriere mich darauf und vergesse ein wenig, dass mir vielleicht gleich das Bein abfällt. Ich stelle mir vor, wie ich durch diesen kleinen Kreisverkehr die Energie vor dem Entweichen rette und sie zurück zum Herzen lenke.
Meditation: Ich empfange Energie, oder ich erde mich.

Beim Meditieren stimme ich meine Handhaltungen darauf ab, was ich gerade brauche. Will ich ein wenig aufgeweckt werden, öffne ich die Handflächen – sie werden wie Trichter zum Einfüllen der Energie. Man kann Chin Mudra nutzen oder die aktive (die Hand, mit der man schreibt) in die inaktive Hand legen. So ist erstere, die normalerweise mehr belastet wird, in empfangender Haltung schön weich gebettet. Sehne ich mich eher nach eher nach Erdung und Ruhe, lege die Handflächen nach unten auf die Beine, entweder flach oder in Chin Mudra.
Mudra kreativ: Ich manifestiere meine Intention
Eine Lehrerin ließ uns einmal in ihrer Stunde das Peace-Zeichen machen, wann immer wir die Hände frei hatten. Das hat nicht nur für viel Gelächter und Spaß gesorgt. Es hat uns vor Augen geführt, dass wir alle an der Verbreitung von Frieden arbeiten können und sollten.
Und das ist nur ein Beispiel dafür, wie eine (vielleicht nicht ganz klassische) Mudra die Intention einer Praxis unterstreichen kann. Es gibt ja so viele irre Möglichkeiten, die Finger zu verrenken. Ich finde, wir sollten da alle kreativer werden.
In diesem Sinne
High five!
Titelbild © Rebecca Randak, Fotos im Artikel © Carsten Rasche
(Erstmals erschienen 2015, aktualisiert 2020)
3 Kommentare / Schreibe einen Kommentar
beim Chin Mudra zeigen die Handflächen nach oben……
Hi Christina, du hast total recht! Die Verwechslung ist jetzt korrigiert. Danke für den Hinweis!
Hand Yoga ist sehr wirkungsvoll. Danke für Deine Übungsvorschläge. Ich habe sie seit 3 Tagen zwischendurch dem Alltag ausprobiert und sehr gute Erfahrungen gemacht.. Hand Yoga hat mein Leben Farbe gegeben.