>>Disclaimer: Die Yoga-Praxis ist nicht zum Abnehmen da! Hinter den Körperhaltungen (Asanas) steckt eine jahrtausendealte Philosophie, die zu mehr Selbstakzeptanz und weniger Anhaftung an den physischen Körper beitragen kann. Yoga auf die Ausführung von Asanas zu reduzieren, die möglichst viele Kalorien verbrennen, wäre verfehlt
Der körperliche Part des Yoga, Yoga-Asana, kann, je nach Auslegung, ein ziemlich schweißtreibendes Workout sein. Du baust Muskeln auf und deine Flexibilität erfährt ein Upgrade. Viele fragen sich, ob die Yoga-Praxis auch zum Abnehmen geeignet ist: Was ist dran? Und, solltest du dir das überhaupt wünschen? Eine kritische Einschätzung.
Eignet sich die Yoga-Praxis zum Abnehmen?
Betrachtest du die Yoga-Praxis lediglich als körperlichen Sport und klammerst geistige Aspekte weitestgehend oder gänzlich aus, lässt sich die Frage vermutlich mit Ja beantworten: Die Chance besteht, dass du mit Asana-Praxis abnimmst.
Allerdings sei gesagt, dass eine Ernährungsumstellung key ist, wenn es um purzelnde Kilos geht. Auch beinhaltet Asana kein Cardio-Training, was unterstützend wirkt. Außerdem kann es sein, dass du durch vermehrten Muskelaufbau eher an Gewicht zulegst, denn Muskeln sind schwerer als Fett. Aber diese Fakten beiseite, denn:
Tue dir einen Gefallen und betrachte die Yoga-Praxis nicht als Maßnahme, um Gewicht zu verlieren!
Yoga ist eine jahrtausendealte Praxis aus Indien, die neben den körperlichen Übungen zahlreiche geistige Lehren und Praktiken sowie eine bestimmte Lebensweise umfasst. Patanjali, einer der Urväter des Yoga, beschreibt in seinem Yoga Sutra einen achtgliedrigen Pfad, der bei guter Ausführung, viel Einsatz und Hingabe zur Erleuchtung führt. Lediglich eines der acht Glieder beschreibt den physischen Part.
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Ich finde es deswegen wichtig, wenn es denn sein muss, die Frage so zu formulieren: Kann man durch Teile der Yoga-Praxis abnehmen? – Meiner Meinung nach wirst du so dem unfassbar reichen philosophischen System zumindest gerechter; einem System, das in unserer modernen Auslegung ohnehin von kapitalistischer Ausbeutung, Kultureller Aneignung, Exklusivität und Rassismus betroffen ist.
Viel wichtiger als die Frage nach Abnehmen ist die Erkenntnis, dass Yoga zu mehr Selbstakzeptanz führen kann.
Vielleicht merkst du, dass mit fortschreitender Praxis dein physischer Körper immer unwichtiger wird. Nicht, weil er dir völlig egal ist und du ihn schlecht behandelst, nein, im Gegenteil: dir mag immer bewusster werden, dass dein Körper völlig in Ordnung ist – egal, wie er aussieht, wie viel er wiegt oder in welche fancy Asanas er sich biegen lässt.
Yoga kann dich allumfassend verändern, auf Ebenen, die weit über deine Physis hinausgehen; auch, wenn es einige Zeit dauern kann, bis du solche Ergebnisse wahrnimmst. Vertraue darauf, dass die Praxis, die du übst, genau die richtige für den Moment ist. Egal, wie sportlich oder restorativ sie sein mag. Das, was du brauchst, wird sich einstellen. Ich glaube, diese Erkenntnis ist so viel mehr wert, als jedes verlorene Kilo.
Du baust eine Verbindung zu dir selbst auf, die essentiell für alles Weitere ist.
Und ist sie einmal da, stehen die Chancen gut, dass du dem Körper, der dir entspricht, ein ganzes Stück näher kommst.
Abnehmen mit Yoga: Ein Erfahrungsbericht
Auch Franziska hat lange gehofft, mit Yoga ihr Wunschgewicht zu erreichen. Wie das für sie gelaufen ist und welche Lehren sie daraus gezogen hat, liest du hier.
“Meine erste Stunde auf der Matte war von einem einzigen Gedanken motiviert: Abnehmen.
Dünner werden. Mein jahrelanger Kampf mit Diäten und dem Thema Essen hatte dafür gesorgt, dass mein Gewicht immer weiter in die Höhe stieg. In meiner Verzweiflung suchte ich nach Lösungen und begegnete: dem Yoga.
Das Lieblingsmantra meines Lehrers war, nicht verwunderlich, Akzeptanz. Schnell lernte ich, dass es bei der spirituellen Praxis nicht darum ging, Gewicht zu verlieren und Kalorien zu verbrennen, sondern meinen Körper so zu akzeptieren, wie er ist. Ein Konzept, das mir nach Jahren der Kasteiung sehr zusagte.
Mit meiner wachsenden Neugierde stapelten sich die Bücher neben meinem Bett. Ich begann, alles Mögliche rund um das Thema Yoga zu lesen. Theoretisch verstand ich, dass es darum ging, mich dem Moment hinzugeben, voller Akzeptanz und ohne Erwartungen. Allerdings scheiterte ich daran, die Essenz der Theorie tatsächlich auf der Matte umzusetzen. Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich nach wie vor ein ganz bestimmtes Ziel vor Augen hatte: meinen Traumkörper.
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Ob in Magazinen oder auf Instagram, ich fühlte mich von Bildern entspannter Yoga-Praktizierender wie magisch angezogen.
Fasziniert von der Flexibilität ihrer Körper, wünschte ich mich insgeheim genau dorthin. Dabei waren für mich Leichtigkeit und inneres Wohlgefühl tief mit dem Idealbild eines schlanken Körpers assoziiert.
Deswegen fing ich an, zweimal täglich Sonnengrüße zu praktizieren, immer mit der Absicht, Kalorien zu verbrennen. Ich studierte Kurspläne verschiedener Studios und entschied mich stets für die schweißtreibenden Stunden. Eine gute Klasse machte ich daran aus, wie sehr ich meine Muskeln danach spürte. Meditation und Pranayama standen auf der roten Liste – damit ließen sich schließlich keine Kalorien verbrauchen.
Ich suchte ausschließlich nach direkten Erfahrungen in meinem Körper. Anderen Bereichen der Praxis begegnete ich mit großem Desinteresse.
Nach einiger Zeit des Praktizierens fühlte ich mich immer müder und schlapper. Meine Euphorie ließ zunehmend nach. Ich beschloss, mich zu wiegen, um zu sehen, ob sich die Mühe wenigstens in dieser Hinsicht lohnte. Was folgte, war der Schock meines Lebens: vier Kilo mehr trotz der intensiven Praxis.
Ich traute meinen Augen nicht, als ich die Zahl auf der Waage erblickte. Und das, obwohl ich mich gesund ernährte und keine Möglichkeit ausließ, um zu praktizieren! Wieso sollte ich bitte noch üben? Ich gab Yoga höchstpersönlich die Schuld an dem Desaster und verbannte meine Yogamatte in die Ecke.
Realitäts-Check: Yoga ist kein Wunschkonzert
Yoga gibt uns genau das, was wir brauchen, nicht das, was wir wollen. Ich wollte abnehmen. Doch ich bekam Lektionen. Yoga zeigte mit dem Finger auf meine wahren Baustellen. Ich jagte jahrelang einer Zahl auf der Waage hinterher, während ich mich in Wirklichkeit nach dem Gefühl sehnte, das ich dahinter vermutete. Ich fing an zu verstehen, dass meine rigide Herangehensweise nichts mit Selbstakzeptanz zu tun hatte.
Und dann kam die Wende. Irgendetwas sagte mir, dass ich Yoga nochmals eine Chance geben sollte – und ich wagte einen zweiten Anlauf: Ich übte intuitiv, statt stur mein Programm durchzuziehen.
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Ich übte, wann und wie oft ich wollte. Ohne Zwang und ohne Erwartungen. Ich fühlte mich gut und mein Interesse wuchs, mich mit den meditativen Aspekten des Yoga auseinanderzusetzen. Heute fühle ich mich in meinem Körper endlich angekommen, ohne ihn verändern zu wollen. Ein Gefühl, das sich auch im Äußeren zeigt:
Überraschenderweise war es vor allem das ruhige Yin Yoga, das mich meinem Traumkörper näher brachte.
Erst als ich begann, meine Seele mit Ruhephasen zu nähren, fingen die Kilos an zu schmelzen; mit ausreichend Auszeiten genährt, verbrennen nämlich die wahren Kalorien.”
– Franziska Krusche @franziskakrusche
Zuletzt noch fünf Tipps, um dein Körpergefühl beim Yoga positiv zu beeinflussen:
1. Finde deinen Stil: Die Yoga-Praxis soll dir zu mehr Gleichgewicht verhelfen. Frage dich also, was dir zur inneren Balance fehlt. Probier dich durch verschiedene Yoga-Arten und finde einen Stil, der zu dir passt.
2. Umgib dich mit Gleichgesinnten: Viele Klassen werden von den physischen Aspekten, der Asana-Praxis, dominiert. Doch es gibt Ausnahmen! Suche dir ein Studio, in dem die spirituelle Praxis im Vordergrund steht. Verbinde dich mit Gleichgesinnten, um den Wettbewerb auf der Matte zu vermeiden.
3. Meditation, Pranayama & Co.: Du hast das Gefühl, hier passiert nichts? Es lohnt sich, genauer hinzuschauen. Denn Abnehmen (und alles andere) beginnt im Kopf.
4. Deine Absichten: Was steckt wirklich hinter deinem Wunsch abzunehmen? Sehnst du dich nach einer bestimmten Konfektionsgröße oder vielmehr nach der Freiheit, dich so zu akzeptieren, wie du bist?
5. Batterie-Check: Wie voll ist deine Batterie? Passe deine Praxis an dein Energielevel an, sodass sie keinen weiteren Stress verursacht.
Titelbild © Jennifer Burk via Unsplash
10 Kommentare / Schreibe einen Kommentar
Hallo Franziska,
Ich finde deinen Beitrag ganz klasse !
Für mich war Yoga immer etwas für dünne Püppchen und „hippe“ Mädels. Aber vor 4 Wochen habe ich mich doch an den ersten kurs getraut und war so überrascht wie glücklich und ruhig ( in meinem Fall yinyasa) Yoga macht. Als es jetzt nach dem 2. Kurs genauso ging war klar dass Yoga für mich kein Sport für den Körper ist, aber für die Seele ?. Alles drum herum sind sekundäre Erfolgsgeschichtchen. Ich war erstaunt wie wunderbar happy ich doch sein kann.
Lustig für mich : nach einem Kurs hatha Yoga dagegen war ich total müde und wurde nen Tag später krank ?.
Danke für den ehrlichen Beitrag!
Franzi
Hallo liebe Franzi,
vor meiner ersten Yogastunde plagten mich ähnliche Klischees: Ich glaubte Yoga sei für dünne, gelenkige, tiefenentspannte Frauen. Und was von ich froh, dass ich mein Vorurteil in den letzten Jahren aber sowas von abbauen durfte. Yoga ist für alle und hat für jeden was zu bieten, man muss den ersten Schritt nur wagen.
Alles Liebe,
Franzi
Liebe Franziska.
Das ist nun das 1. Mal dass ich einen Blogartikel kommentiere – aber Deine Artikel sind schlichtweg ehrlich und klar geschrieben, sodass ich Dir das mitteilen möchte !
Von all den Gedanken an Nahrung, Sport, Körper und Abnehmen fühle ich mich in einigen Augenblicken so müde dass ich mir laut sage „ich kann nicht mehr“.
Yoga hilft mir mich wie ein „friedliches Baby“ zu fühlen und endlich für ein paar Stunden keine Fehler an mir selbst zu suchen und zu finden.
Danke für diesen Artikel, ich werde schauen, dass ich zu deinem Workshop im November komme. Namste J.
Hi J.,
vielen Dank für’s Mitteilen. Ja, solche Gedanken können wirklich ermüdend sein. Ich bin gespannt, ob wir uns im November sehen!! namaste.
Toller Artikel. Ich mache leider auch viel zu selten Yoga, weil ich mir denke Joggen oder im Fitnessstudio mit Gewichten trainieren effektiver ist. Werde aber in Zukunft öfter Yoga machen denn es macht mich einfach glücklich. Und das zählt ja auch. :D LG Selina
Genau der richtige Beitrag für mich, danke!!! Yoga ist genau mein Ding und ich mag auch sehr die Entspannungsübungen und trotzdem habe ich es immer vernachlässigt weil joggen und schwitzen im Studio wichtiger war. Bei mir zu Hause liegt ein Gutschein für einen Probemonat im Yogastudio. Den werde ich jetzt einlösen und versuchen mehr auf meine innere Stimme zu hören.
Liebe Franzi,
ich finde mich so sehr wieder in deinem Beitrag.
Gerade gab es bei mir wieder einmal eine Phase, in der ich der besseren Figur hinterher gejagt bin und was mich völlig aus der Balance gebracht hat.
Mir passiert es häufig, dass ich in alte Muster verfalle, wenn ich nicht so achtsam mit mir und meiner Umwelt agiere.
Durch ein bisschen mehr Zeit für mich konnte ich Probleme allerdings identifizieren und es ist schon toll, dass ich gerade jetzt auf deinen Artikel gestoßen bin. Super Timing, Universum!
Danke für deine offenen Worte!
Liebe Grüße, Steffi
Liebe Stefanie,
fantastisch, dass du einigen Baustellen finden konntest und nun wieder den Weg zurück ins Gleichgewicht ansteuerst. Yoga ist einfach magisch: Ob man möchte oder nicht, man kommt über Umwege doch immer wieder zurück zu sich selbst. Und schön, dass der Artikel gerade im richtigen Moment kam. Das Timing sollte dann wohl so sein!
Alles Liebe,
Franzi
Was du beschreibst kenne ich nur zu gut. Auch ich musste erst lernen, alle Aspekte von Yoga anzunehmen und es nicht nur als Sport zu sehen, sondern als eine gahnzheitliche Praxis für Körper und Geist.
Und obwohl Instagram eine tolle Inspirationsquelle ist, hat auch die App einen Teil dazu beigetragen, dass ich einem perfekten Körperbild und der schwierigsten Pose hinterhergejagt bin. Es kostet Kraft, sich davon zu lösen.
Vielen Dank für deine ehrlichen Worte in diesem Post.
Liebe Grüße
Saskia
Liebe Saskia,
da kann ich dir nur zustimmen: sich von alten Mustern zu lösen kann ganz schön kräfteraubend sein. Aber es lohnt sich!! Der Weg ist das Ziel – das merke ich beim Yoga immer und immer wieder.
Alles Liebe,
Franzi