Viele Yoga-Übende haben anfangs Angst davor, Umkehrhaltungen wie den Handstand zu üben. Andere wünschen sich nichts sehnlicher, als den Handstand – Adho Mukha Vrksasana – frei im Raum halten zu können. Muss das ein Wunschtraum bleiben? Nein, natürlich kannst du das schaffen, wenn du nur übst. Ich zeige dir in diesem Artikel und einem Video, wie du dich an den Handstand heran tasten kannst, ohne Angst vor dem Umfallen haben zu müssen.
Mit diesen Vorübungen kannst du Schritt für Schritt und zuhause Handstand lernen.
Handstand-Übungen Schritt für Schritt erklärt
Erstmal aufwärmen
Dass uns der Handstand oft so herausfordernd erscheint, ist – wie bei anderen Umkehrhaltungen – vor allem Kopfsache. Es erfordert viel Mut, darauf zu vertrauen, dass die Hände den ganzen Körper problemlos tragen können. Genau deshalb ist der Handstand eine grandiose Übung, um alte Muster zu durchbrechen, Grenzen zu erweitern und Raum für Neues zu schaffen.
Bevor du dich an die folgenden Übungen machst, empfehle ich dir, dich ein wenig aufzuwärmen. Da du für den Handstand Kraft brauchst, solltest du dich hier noch nicht völlig verausgaben. Wichtig sind besonders ein kräftiges Zentrum (Bauchmuskelübungen), gedehnte Beinrückseiten (Vorbeugen, Hüftöffner) und Aktivität in Schultern und Armen (Chaturanga, Vasisthasana, Delphin-Übung). Auch ein paar Sonnengrüße, um Hitze zu erzeugen, sind super. Anschließend kannst du die fünf folgenden Übungen machen. Vielleicht startest du erstmal mit einer, um beim nächsten Mal die zweite dazu zu nehmen. Denk dran: Es ist noch kein*e Meister*in vom Himmel gefallen!
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Schritt 1: Handstand an der Wand I
Die Wand ist ein grandioses Hilfsmittel und ganz besonders in Sachen Handstand ist sie deine Freundin.
So geht’s: Für den Handstand an der Wand miss im Vierfüßlerstand den Abstand zur Wand ab: Fußohlen an der Wand, Knie genau unter den Hüften, Hände genau unter den Schultern. Jetzt sollten deine Hände genau eine Beinlänge von der Wand entfernt sein. Wichtig: Verändere die Position deiner Hände nicht mehr! Laufe nun die Füße an der Wand hoch, bis auf Höhe deines Gesäßes sind. Hier streckst du die Beine aus und schiebst gleichzeitig das Brustbein in Richtung Wand, sodass deine Füße nicht abrutschen. Deine Beine sind nun parallel, dein Oberkörper und deine Arme senkrecht zum Boden ausgerichtet. Halte die Position einige Atemzüge und entspanne danach in der Haltung des Kindes.
Sinn der Übung: Der Handstand an der Wand ist super anstrengend. Er hilft uns aber, Kraft in den Schultern und in der Brust aufzubauen, die wir für den Handstand brauchen.
Schritt 2: Handstand an der Wand II
Das Schöne an dieser Position: Sie ist viel einfacher als Variante I – zumindest in körperlicher Hinsicht.
So geht’s: Komm in den Handstand an der Wand wie oben beschrieben, löse dann ein Bein von der Wand und strecke es gerade nach oben. Press in die Hände, zieh die Zehen zu dir ran, bringe das Kinn zum Brustbein. Jetzt solltest du die Zehen des Beins in der Luft sehen können. Sollte das nicht so sein, verändere die Stellung des Beines in der Luft so, dass du die Zehen sehen kannst. Dann kannst du den Blick wieder auf den Boden zwischen deine Hände richten. Nach ein paar Atemzügen wechsle die Seite.
Sinn der Übung: Der Blick zu den Zehen sorgt dafür, dass du nicht ins Hohlkreuz fällst und du kannst sicherstellen, dass das obere Bein senkrecht zum Boden ist. Er zwingt dich quasi dazu, deine Bauchmuskeln zu aktivieren, was elementar ist, um später im freistehenden Handstand die Balance zu halten. Dieser kleine move kann deine komplette Ausrichtung grundlegend verändern.
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Schritt 3: Handstand-Hopser
Um die Beine ohne große Anstrengung in die Luft zu schwingen, bedarf es lediglich ein wenig Technik.
So geht’s: Starte in einem etwas kleineren herabschauenden Hund mit dem Gesicht Richtung Wand. Strecke das rechte Bein (Schwungbein) gerade nach hinten und pointe den Fuß. Die Zehenspitzen berühren den Boden. Wichtig: Das Schwungbein bleibt ab jetzt gestreckt! Und: Die Hüften bleiben auf einer Höhe, sie drehen sich nicht zu einer Seite auf! Beuge nun das Sprungbein (Bein mit dem du dich vom Boden abdrückst), hole mit dem rechten, gestreckten Bein Schwung und bringe es gestreckt in Richtung Wand. Die Ferse des linken Sprungbeins kickt an die linke Pohälfte. Mit der Einatmung spring nach oben, mit der Ausatmung lande sanft und geräuschlos auf deiner Matte. Wiederhole die Übung fünfmal und übe dann die andere Seite.
Sinn der Übung: easy peasy in den Handstand und die Balance kommen. Der Clou liegt im gestreckten Schwungbein. Sobald du dieses Bein beugst, wird aus dem Versuch, in den Handstand zu kommen, eher ein wildes Beingezappel in der Luft. Die Wand hilft dir, deine Angst zu überwinden. Du kannst die Sprünge aber natürlich auch im freien Raum oder mit einem*r Partner*in als Hilfe üben.
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Schritt 4: Handstand mit Gurt
Um die verschiedenen Aspekte einer Asana zu erkunden, ist es immer gut, mit Hilfsmitteln zu experimentieren. Im Handstand ist neben der Wand der Gurt hilfreich.
So geht’s: Bring den Gurt knapp über die Ellenbogen um deine Oberarme, so dass die Hände genau schulterweit voneinander entfernt sind. Komm in einen herabschauenden Hund mit Blick Richtung Wand, die Hände sind eine Handbreit von der Wand entfernt. Spanne den Gurt mit den Armen auf. Kick dich nun in den Handstand an der Wand, schau zwischen deine Hände auf den Boden. Schieb die Hände fest in den Boden und die Arme in den straffen Gurt. Strecke die Beine, presse sie fest zusammen, aktiviere deine Bauchmuskeln und zieh die Füße in Richtung Decke.
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Sinn der Übung: Der Gurt hilft, Aktivität in die Schultern und Arme zu bringen. Außerdem kannst du wegen des Gurtes die Arme nicht mehr beugen. Das sorgt für eine starke Basis, die meist die Ausrichtung der gesamten Position verändert und hilft, den Körper gerade aufzurichten.
Schritt 5: Füße weg von der Wand
Bevor du ganz frei im Raum oder in der Nähe der Wand balancierst, mach noch einen letzten Schritt:
So geht’s: Komm in einen Handstand an der Wand. Achte darauf, dass deine Hände nicht mehr als 15-20 Zentimeter von der Wand entfernt sind. Hebe jetzt deinen Kopf und lehne deine Kopfkrone an die Wand. Beide Beine sind aktiv, der Blick ist auf den Boden gerichtet. Lehne dein Gewicht in den Kopf und schiebe gleichzeitig die Hände mehr in den Boden. Löse langsam die Füße, Beine und ggf. Po weg von der Wand, sodass du nur noch mit deiner Kopfkrone die Wand berührst. So kannst du dich etwas abstützen, der Großteil deines Körpers ist aber frei. Bleibe hier einige Atemzüge, steigere die Verweildauer jedes Mal ein wenig.
Sinn der Übung: Diese Übung brinkt mehr Aktivität in den Rumpf und die Beine, außerdem kannst du Üben, wie es sich anfühlt, die Beine frei in der Luft zu halten. Du kannst hier mit der Balance spielen und versuchen, im nächsten Schritt auch den Kopf von der Wand zu lösen.
Es gibt natürlich noch viele weitere Möglichkeiten, den Handstand zu üben. Je mehr du dich damit befasst, desto mehr Varianten werden dir begegnen. Ich hoffe, diese fünf Übungen helfen dir schon einmal!
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Q&A: Häufige Fragen zum Yoga-Handstand
Ist Handstand eine gute Übung?
Der Handstand ist eine sehr gute Übung für alle, die Lust haben, sich selbst auf diese Weise etwas herauszufordern und neue körperliche Erfahrungen zu machen. Im Yoga stehen Umkehrhaltungen metaphorisch für den Perspektivwechsel: Du drehst dich selbst auf den Kopf und erfährst dadurch einen neuen Blickwinkel auf die Welt. Die Erfahrungen, die du hierbei machst, sind dabei das Ziel – nicht der freistehende Handstand im Raum!
Wie lange braucht man, um Handstand zu lernen?
Es kann Wochen, aber auch Jahre dauern, bis man einen Handstand frei im Raum halten kann. Das kommt sehr darauf an, wie häufig man übt und welche körperlichen Voraussetzungen man mitbringt. Die Übungen, die wir hier zeigen, sind für viele Menschen ein guter Start und bieten einen Zugang, um die Umkehrhaltung sicher und auch ohne Balance im Raum zu erleben.
Was wird beim Handstand trainiert?
Der Handstand ist eine Asana, die sowohl Kraft, als auch Flexibilität und Körperbeherrschung erfordert. Der ganze Körper ist von oben bis unten aktiv. Im Handstand trainiert man vor allem Kraft in den Armen und im core, Flexibilität und Kraft in den Schultern.
Ist Handstand gesund?
Wenn du keine körperlichen Einschränkungen wie Verletzungen in Handgelenken, Armen oder Schultern hast, kannst du Handstand üben. Wenn du dir aber in deinem Fall nicht sicher bist, frage am besten deine*n Yogalehrer*in oder einen Arzt*eine Ärztin. Tu das bitte auch, wenn du beim Üben Schwindel empfindest.
Sollte ich Handstand üben, wenn ich meine Periode habe?
Einen anatomischen Grund, sich während der Menstruation nicht auf den Kopf zu stellen, gibt es nicht. Es kursieren im Yoga jedoch viele Mythen darüber, was eine menstruierende Person tun oder lassen sollte, wenn sie gerade blutet. Manche Yogaschulen empfehlen, während der Menstruation keine Umkehrhaltungen wie Handstand oder Kopfstand zu üben. Die wichtigste Regel ist hier: Mach das, womit du dich wohlfühlst und wozu du dich in diesem Moment fit fühlst. Lass dich von niemandem davon abbringen, wenn du es tun möchtest, und fühl dich nicht gezwungen, wenn nicht.
Bei welchem Yoga macht man Handstand?
Wenn du Handstand üben möchtest, wirst du darin bestimmt beim (Power) Vinyasa Yoga, beim Acro Yoga oder beim Jivamukti Yoga unterrichtet. An sich kann Handstand jedoch Bestandteil einer jeden Asana-Praxis sein. Bei manchen Stilen und Schulen wird mehr, bei manchen weniger Fokus darauf gelegt, den Handstand in Teilen oder komplett zu unterrichten und zu üben.
Noch Fragen?
Wenn ja, stell diese gerne in den Kommentaren, ich beantworte sie gerne.
Bis dahin, hab eine gute Zeit upside down!
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Fotos im Beitrag © Sarah Vogel
Titelbild © Adam Thomas via Unsplash
5 Kommentare / Schreibe einen Kommentar
Hallo! Bin fleißig beim Handstand üben. War immer sehr verzweifelt mit dem längeren stehen darin, der Tipp mit dem
Brustbein ist super. Jetzt geht es besser und besser ;)
Wenn man das Brustbein richtung Wand zieht, also so wie in der Kobra, dann steht man im Handstand mit Hohlkreuz. Das sollte man vermeiden. Im Turnunterricht haben wir gelernt, dass der Körper von unten nach oben gestreckt und gerade sein muß.
Ja, danke schön. So hab ich’s ja auch irgendwie gemacht :). Danke für deine Antwort!!!
Hallo Ann Kristin,
du hast recht, das ist ein wenig missverständlich. Ich meine: Ziehe das Brustbein nach vorne in Richtung Wand. Etwa so, als würdest du den Brustkorb für die Kobra heben. Dabei press fest in die Hände. Am Ende sind alle Bewegungen, die dir helfen, stabil und gleichzeitig leicht in der Position zu stehen, richtig. Ausprobieren, was funktioniert, ist immer das Beste.
Hilft dir die Antwort?
Alles Liebe Rebecca
Liebe Rebecca!
Vielen Dank für deine hilfreichen Tipps! Ich erfreu mich gerade total am Üben!
Hilf mir nochmal mit der Frage, wohin das Brustbein zieht in Dirks Tipp. Nach VORNE schreibst du im Blog, nach vorne zur Wand? Hm?
Ich habe mal versucht, das BB nach unten zu ziehen und da hat sich auf die Ferse gehoben, aber so wars nicht gemeint, oder?
Ganz liebe Grüße und vielen Dank!
Ann