Salamba Sirsasana: Die besten Tipps für den Kopfstand

Wenn ich den Kopfstand unterrichte, ist das der Moment, in dem die meisten Leute aussteigen. Entweder müssen sie dringend etwas trinken, plötzlich auf Toilette oder es besteht akuter Kontrolldrang, zu überprüfen, ob auch wirklich noch alle anderen im Raum sind. Ich erinnere mich noch gut an meine erste Yogaklasse, in der wir einen Kopfstand geübt haben – zu meinem damaligen Glück an der Wand. Rückblickend betrachtet ist das aber eigentlich nicht so sinnvoll. Warum? Das erzähle ich dir später. 

Die größte Herausforderung beim Kopfstand 

Wie kaum eine andere Asana konfrontiert uns der Kopfstand, der auch als König der Asana bezeichnet wird, mit unserer Urangst: der Angst vor dem Tod. Irgendwo im Unterbewusstsein schlummert das Bild, dass wir umfallen könnten und uns das Genick brechen. 

Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, dass so ein Fall nicht bekannt ist (im Gegenteil, ich bin erstaunt, dass gar nichts passiert, auch nicht beim spektakulärsten Umfallen) und objektiv keine große Gefahr besteht. Das wiederum bietet uns eine der größten Chancen, diese Angst zu reflektieren und hoffentlich etwas zu mildern. 

Patanjali beschreibt sie in seinem Yoga Sutra als „abhinivesha“, also das „Festhalten am Körper“ und nennt es als eines der fünf Hindernisse auf dem Weg zur Erleuchtung. Bevor du jetzt aber wie wild versuchst, irgendwie in den Kopfstand zu springen, teile ich ein paar Hinweise mit dir, wie du gleichzeitig körperlich sicher und dennoch spirituell transformierend an dieser Asana arbeiten kannst. 

Allgemeine Ausrichtung 

Auf Sanskrit heißt der Kopfstand sālamba (unterstützt) śīrṣāsana (Kopf-Asana). Die Arme und Hände bilden die Basis der Unterstützung und geben dir die Chance, selbst zu entscheiden, wie viel Gewicht auf deinem Kopf lastet. Die Ellenbogen sind direkt unter den Schultergelenken. 

Die Halswirbelsäule sollte in ihrem natürlichen Schwung bleiben. Damit das gelingt, benötigt jede*r einen anderen Punkt auf dem Schädel, der auf dem Boden aufliegt. 

Am besten bittest du einfach jemanden, ein Foto von deinem Nacken von der Seite zu machen. Die Halswirbelsäule sollte dabei dann weder rund, noch ganz gerade sein, sondern in ihrer natürlichen Krümmung. Ist der Nacken eher zu rund, musst du den Kopf weiter in Richtung Stirn aufstellen. Falls er zu sehr überstreckt ist (als hättest du den Kopf in den Nacken gelegt), dann musst du den Kopf näher in Richtung Scheitelkrone am Boden aufstellen. 

Der Rest des Körpers sollte gerade aufgerichtet wie in tāḍāsana stehen, das heißt die Hüften sind nicht gebeugt. Die Füße können geflext oder gepointet sein, Hauptsache du findest energetisch einen Schub nach oben. 

Eine sinnvolle Handhaltung

Als Basis dieser Asana ist es wichtig, den Händen etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Keine Variante der Handhaltung ist richtiger als die andere und gleichzeitig versuche ich dir mit dieser Version eine möglichst zugängliche zu beschreiben. 

Vor allem greife bitte nicht deine gegenüberliegenden Ellenbogen, um den Abstand auszumessen. Das führt immer dazu, dass ein Ellenbogen weiter vorne liegt als der andere. Stattdessen nutze deine Augen und stelle die Ellenbogen schulterbreit auf und von dort sogar noch einen Zentimeter enger, denn meistens rutscht später ohnehin alles wieder etwas auseinander. Nur so wirst du später die Schultern gut von deinen Ohren weg heben können. 

Spüre die Unterarmknochen und die Handgelenkknochen auf der Kleinfingerseite spitz am Boden aufliegen, ebenso wie deine Handkanten. 

Jetzt verschränkst du die Finger ineinander, sodass du die Häute zwischen den Fingern gut aneinander spürst und stellst den Kopf am Boden zwischen den Handballen ab. Es ist etwa 5 bis 10 cm Platz zwischen den Handballen. Achte jetzt darauf, nicht in die Hände nach vorne zu rollen. Drücke lieber den Handgelenkknochen an der Daumenseite in Richtung Kopf, das hilft dir, stabil zu bleiben (siehe Bild). 

Wenn du die Hände auf diese Art und Weise platzierst, hast du eine möglichst lange Auflagefläche auf dem Boden. So kannst du Druck nach unten geben, deinen Nacken so viel entlasten wie nötig und deine Halswirbelsäule bleibt neutral. Das hilft dir auch dabei, nicht nach vorne zu rollen und deinen Nacken nicht zu runden (siehe Bild). 

Schritt für Schritt in den Kopfstand

Ausgehend von dieser Armposition kannst du daran arbeiten, irgendwann die Füße vom Boden weg zu heben. Achte bei jedem Schritt darauf, dass du ruhig und tief atmen kannst. Vermeide schnelle Bewegung oder zu springen. Am besten bleibst du in jedem Schritt für ein paar Atemzüge und beobachtest, ob du hier entspannt sein kannst, erst dann übe den nächsten Schritt. Starte am besten in der Kind-Asana. 

  • Platziere dann deine Hände und Kopf wie gerade beschrieben am Boden und strecke die Beine wie im herabschauenden Hund. 
  • Laufe deine Füße weiter in Richtung Kopf und drücke die Arme mehr zum Boden, um die Schultern zu heben und das Gewicht, das auf dem Kopf lastet, zu dosieren. 
  • Hebe eine Ferse und dann die andere zum Gesäß (siehe Bild). Hierzubleiben stärkt deine Körpermitte. 
  • Lass deine Knie gebeugt und hebe sie nach oben, bis die Kniescheiben zur Decke zeigen. Die Füße baumeln am Po. Deine Hüften sind ganz gestreckt. Das ist einer der wichtigsten Schritte! 
  • Spann die Pomuskeln an und halte den Bauch fest und strecke dann beide Beine gleichzeitig durch (siehe Bild).

Die gleichen Schritte würde ich auch üben, wenn du wieder aus der Asana heraus kommst.

Alternativen

Natürlich könntest du den Kopfstand an der Wand üben. Der Nachteil ist, dass du dich daran gewöhnst und die Angst, die Asana frei im Raum zu üben, wird aus meiner Sicht noch größer. Außerdem neigt man oft dazu, einfach hochzuspringen und sich dann vollständig an die Wand zu lehnen. 

Wenn du trotzdem mit der Wand üben willst, stelle die Ellbogen eine Unterschenkellänge weg von der Wand auf, der Blick geht weg von der Wand. Bringe die Füße an die Wand und beuge die Knie, sodass die Fußsohlen an der Wand sind. Hier kannst du jetzt wunderbar üben, deinen Bauch anzuspannen und das Becken in eine neutrale Position zu bringen. Dann strecke ein Bein nach dem anderen langsam nach oben aus. 

Auf dem Bild siehst du eine Version mit Decke unterm Kopf, die für den Nacken sehr angenehm sein kann. Es ist hier allerdings etwas herausfordernder, die Balance zu halten. Dein Kopf liegt in einer Art Hängematte und berührt nur die Handgelenke oder Unterarme und die Decke, aber nicht den Boden. Achte darauf, dass die Decke eher dick und schmal gefaltet ist und sie straff und ohne Falten über deinen Unterarmen liegt. Die Ellbogen sind dabei wesentlich dichter als schulterbreit zusammen. 

Dann gibt es auch noch Kopfstandhocker, bei denen der Kopf vollkommen frei hängt und die Schultern gestützt werden (du kannst dir so etwas auch selbst mit zwei Türmen aus 3 oder 4 Klötzen bauen, aber bitte nur an der Wand!). Das ist natürlich eine großartige Möglichkeit sehr einfach in eine Umkehr-Asana zu kommen und von ihren Vorteilen zu profitieren. Persönlich spüre ich allerdings schon nach kurzer Zeit viel Druck im Kopf, eventuell, weil ich einfach nur passiv drin hänge. Probiere es wie immer am besten selbst aus, um es für dich zu beurteilen. 

Ist der Kopfstand überhaupt gut für meinen Nacken? 

Das ist eine der mir am häufigsten gestellten Fragen. Und meine Antwort beginnt meistens in etwa so: „Yoga ist ein Weg zur Erleuchtung.“ Mit anderen Worten, die Asanapraxis wurde nicht primär dafür entwickelt und weitergegeben, um unseren physischen Körper gesund zu machen oder zu erhalten, viel mehr, um ihn zu transzendieren und sich wieder zu erinnern, dass wir viel mehr sind als nur unser Körper oder in diesem Fall unser Nacken. Wenn du akute Nackenprobleme hast, besprich das wie immer mit der therapeutischen Person deines Vertrauens und kümmere dich zuerst darum, bevor du den Kopfstand übst. 

Für einen gesunden Nacken ist der Kopfstand kein Problem und vor allem kannst du ihn sogar so üben, dass kaum Gewicht auf dem Kopf lastet, sondern viel mehr auf den Armen. 

In den meisten Fällen rühren Nackenschmerzen übrigens von verspannten Muskeln her und diese gut zu dehnen hat oft einen großen Effekt. Um in den Genuss von Umkehr-Asana zu kommen, kannst du auch wunderbar Handstand oder Unterarmstand üben und dabei deinen Nacken vollkommen entspannen. Sowieso sind diese beiden wunderbare Vorbereitungen für den Kopfstand, da sie dich kräftigen und deine Brust- und Schultermuskulatur elastischer werden lassen. 

Was hat deine Beziehung zum Göttlichen mit dem Kopfstand zu tun? 

Jeder Asana kann einem Energiezentrum, einem Chakra, zugeordnet werden. Der Kopfstand ist mit dem Kronenchakra oder Sahasrara Chakra assoziiert. Dieses wiederum steht für unsere Beziehung zum Göttlichen (was auch immer du dir darunter vorstellst).

Ich finde es allerdings erstaunlich, dass gerade eine Asana, die uns so viel Vertrauen abverlangt und unseren Blick auf die Welt derart auf den Kopf stellt, mit diesem Thema verbunden ist. Die Beziehung zum Göttlichen ist für Viele mit Angst beladen oder mit sehr viel Abwehr verbunden. Nutze die Kopfstandpraxis, um genau diese Themen anzuschauen oder dich einfach nur der göttlichen, bedingungslosen Liebe hinzugeben. Du kannst ein Mantra beim Üben dazu nehmen, das du still für dich im Kopf wiederholst: einatmen „Om“ und ausatmen „Om“. 

Wie sind deine Erfahrungen mit dem Kopfstand? 

Könntest du ewig drin bleiben oder hast du eher Angst? Ich freue mich über deine Fragen und Erfahrungen in den Comments!

Viel Spaß beim Üben!
Moritz

Fotos © Lydia Hersberger

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2 Kommentare / Schreibe einen Kommentar

  1. Ein ganz toller und informativer Beitrag, vielen Dank!
    Ich habe so meine Probleme mit dem Kopfstand, vor allem ist die Angst da einfach umzufallen und sich zu verletzen. Danke, dass du die Themen, die dahinter stecken so schön aufzeigst! Das motiviert mich, hier nochmal genauer hinzuschauen und meine Ängste zu überwinden! Namasté, Barbara

    1. Liebe Barbara,
      danke für deinen Kommentar. Das freut uns sehr zu hören! Dann weiter: Happy practice!
      Lieber Gruß
      Julia Müllner

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