Guide yourself: 6 Self-Assists für deine Yogapraxis

Die Yogapraxis alleine zuhause schien mir bis vor einem Jahr wie etwas, das nur wirklich hartgesottene Langzeit-Yogis durchzogen. Ich fiel bis dato eher in die Kategorie Studio-Yogi und genoss die Energie meiner Mitübenden sowie den Ortswechsel und dachte sogar, diese Dinge seien unabdingbar, um mich voll und ganz auf meine Yogapraxis einzulassen und um das Yoga-High zu spüren.

Dann kam Corona, die Studios stellten auf Onlinekurse um und es blieb allen nichts anderes übrig, als eine Homepractice innerhalb der eigenen vier Wände zu etablieren. Zu meiner großen Überraschung hat meine Praxis seither sogar an Intensität und vor allem an Tiefe gewonnen und ich bin überaus dankbar für das learning, dass all das Drumherum im Studio zwar toll ist, aber nicht zwingend notwendig. 

Seitdem fühle ich mich unabhängiger und freier in meiner Praxis und irgendwie auch stärker mit mir selbst verbunden. Was mir zuhause jedoch wirklich schmerzlich fehlt, sind das gemeinsame Singen sowie richtig gut ausgeführte Hands On Assists.

Hands On Assists können uns dabei helfen, Asanas zu verstehen, sie auf körperlicher Ebene zu vertiefen oder sie auch überhaupt erst zu erfahrbar zu machen. 

Wie oft denken wir, unser Bein in der Luft wäre ganz sicher gestreckt, bis ein*e Lehrer*in kommt und dir mithilfe eines Assists zeigt, wie es sich wirklich anfühlt, es zu strecken? Dazu kommt die Komponente des magic touch, dem Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, das uns durch eine Berührung vermittelt werden kann.

Doch es steht in den Sternen, ob es solche Assists bald, oder überhaupt wieder in dieser Form geben wird. 

Deshalb heißt es nun in Sachen Yoga Assists: selbst Hand anlegen!

Auch wenn sich ein*e erfahrene*r Lehrer*in nicht ersetzen lässt, gibt es einige moves, die wir ganz leicht an uns selbst ausführen können, um das richtige Alignment finden und Asanas zu vertiefen. Solche Self-Assists schenken uns mehr Unabhängigkeit von äußeren Umständen und führen so zu mehr innerer Freiheit. Außerdem sind sie ein tolles tool, um uns selbst besser kennenzulernen. So let’s try!

Einige Grundprinzipien von Assists

Einige generelle Prinzipien von Assists lassen sich auch anwenden, wenn du alleine übst. 

  • Etabliere deinen Sitz

Stelle sicher, dass die Basis der Asana, also das, was den Boden berührt, auch wirklich fest und stabil mit dem Boden verbunden ist – das ist dein Sitz. In Tadasana beispielsweise stellen die Füße der Sitz dar, in der sitzenden Vorbeuge sind es Po und Beinrückseiten, es können aber auch die Hände sein, wie im Handstand. Egal, welcher Körperteil es ist, schiebe diesen in den Boden. Du kannst dazu mit den Augen hingucken, um zu checken, ob die Verbindung besteht, oder dir aktiv den Körperteil greifen und ihn in den Boden schieben.

  • Hinschauen!

Ein sehr einfacher Self-Assist: Einfach mit den Augen gucken, ob du gerade mit deinem Körper den Anweisungen der*s Lehrenden wirklich folgst. Ist auch der hintere Arm in Krieger II parallel zum Boden? Zeigen die Zehen gerade nach vorne? Sind Hände wirklich schulterbreit? Deine Augen helfen dir, die Asana anzupassen.

>> Lesetipp: Möchtest du wissen, wie du mit Hilfsmitteln deine Yogapraxis noch besser gestalten kannst? Wir sind da!

  • Achte auf den Atem, schaffe Platz und bewege dich dort hinein

Dein Atem ist dein Anker und zeigt dir, wie weit du gehen kannst. Nur, wenn du noch tief und voll atmen kannst, solltest du dich selbst assistieren. Gehe dabei im Einklang mit dem Atem tiefer in Asanas hinein, um Verletzungen vorzubeugen. Prinzipiell gilt für die meisten Haltungen: Mit der Einatmung schaffen wir Länge, mit der Ausatmung bewegen wir uns tiefer in die Haltung / Dehnung. 

  • Was ist der Zweck der Asana?

Wenn du eine Liveklasse übst, dann höre genau auf die Ansagen des*der Lehrer*in: Wo soll die Dehnung spürbar sein? Wo geht die Reise hin, was ist der Fokus? Im herabschauenden Hund geht es beispielsweise in erster Linie darum, die Rückseite des Körpers zu dehnen. Wenn du den Rücken besser in die Länge ziehen kannst, indem du die Beine anbeugst, dann mach das.

Bei Vorbeugen geht es darum, sich aus der Hüfte nach vorne zu lehnen. Ob in der sitzenden Vorbeuge die Stirn nun die Beine erreicht, ist dafür erst einmal egal. Wenn du dich aus der Hüfte nach vorne lehnst und eine Dehnung in den Beinrückseiten spürst, bist du hier richtig. Priorisiere also, dass du mit deinen Assists die Form und das Ziel der Asana unterstützt und nicht verfehlst.

  • Loving Kindness

Es geht in der Asanapraxis nicht darum, deinen Körper in eine Ausstechform zu pressen und Formen wie im Yoga-Bilderbuch nachzuturnen. Vielmehr soll sich deine Praxis an dich, deine Tagesform und deine Grenzen anpassen. Also nimm diese Grenzen freundlich wahr und achte sie, sie können jeden Tag anders sein. Oftmals ist leider auch unsere Yogapraxis vom Leistungsdenken durchzogen. Der wichtigste Assist, den du dir deshalb geben kannst, ist, dir selbst mit Akzeptanz und liebevoller Güte auf der Matte zu begegnen, statt dir selbst etwas beweisen zu wollen.

Ich zeige dir nun sechs Self-Assists, die du auf verschiedene Asanas und Asana-Gruppen anwenden und übertragen kannst. Zum Teil ohne Hilfsmittel, zum Teil mit Unterstützung. Die Props sollen an dieser Stelle nicht unbedingt reine Helfer für das Ausführen sein, sondern dich eher darin unterstützen, eine Asana und ihr Alignment zu verinnerlichen.

Hier kommen sechs Self-Assists und wie du sie in verschiedenen Asanas anwendest.

Der Hip Squaring Self-Assist

Der Nutzen: Dieser move eignet sich besonders gut für alle Drehhaltungen sowie asymmetrische Stehende. Mithilfe des Assists stellst du sicher, dass deine Hüften gerade nach vorne zeigen, statt sich zur Seite hin zu öffnen und dass das Becken in einer stabilen Position bleibt. Denn in diesen Haltungen versuchen wir stets, uns im Bereich des Oberkörpers vom Bauchnabel aus zu drehen, und das Becken dabei nicht mit zu twisten.

So geht’s: Spreize den Daumen der Hand auf der Seite deines vorderen Beins ab und bringe die Hand in deine Leistengegend, an den Hüftbeuger. Der Daumen zeigt dabei nach innen zu dir, die anderen Finger nach außen und hinten. Schiebe mit dieser Hand die Hüfte aktiv nach hinten, sodass beide Hüften auf eine Höhe kommen und das Becken gerade ist. Vergiss dabei nicht, Core und Beine aktiv zu halten.

Lässt sich anwenden auf: Twists wie Parivritta Trikonasana (gedrehtes Dreieck), Parivritta Utkatasana (Stuhltwist), Parivritta Parsvakonasana (gedrehter seitlicher Winkel), liegender Twist. Asymmetrische Haltungen wie Krieger I und Parsvottanasana (Pyramide).

Der Hüftöffner Move

Der Nutzen: Mit diesem Self-Assist rollst du die Oberschenkel etwas nach außen und öffnest so die Hüften mehr, außerdem schaffst du etwas Platz in den Leisten. Hiermit vertiefst du die Dehnung im Hüftbereich und kannst die Asana vielleicht neu erfahren.

So geht’s: Ähnlich wie beim Hip Squaring Assist greifst du, diesmal aber mit beiden Daumen, nach deinen Hüftbeugern, die Daumen zeigen nach innen. Statt nach hinten schiebst du nun beide Daumen leicht nach außen, vor allem nach unten und schaffst so mehr Platz in den Leisten. Nutze den Griff auch, um den Sitz nochmal ordentlich zu erden.

>> Lesetipp: Spielst du mit dem Gedanken an eine Yoga-Ausbildung? Vielleicht sogar Online? Schau mal in unseren Ausbildungsguide.

Lässt sich anwenden auf: Hüftöffner im Sitzen wie Agni Stambasana (Fire Log Pose), Upavishta Konasana (sitzende Grätsche), Baddha Konasana (Schmetterling), Nadelöhr. Ferner Utkatasana (Stuhl).

Der Schulteröffner Self-Assist

Der Nutzen: Du kannst deine Schulter achtsam weg von den Ohren bringen und nach hinten rollen, den Brustkorb stärker öffnen und den Rücken gerade halten. Optional rollst du den Oberschenkel zusätzlich nach außen und schaffst so mehr Platz in den Hüften und aktivierst die Vorderseiten der Beine.

So geht’s: Greife in Trikonasana mit dem oberen Arm hinter den Rücken und den Hosenbund oder den Oberschenkel von außen. Schiebe die obere Schulter aktiv nach hinten und weg von den Ohren, um den Brustkorb mehr zu öffnen. Wenn deine Hand den Oberschenkel erreicht, dann nutze sie, um den Oberschenkel leicht nach außen zu drehen. 

Lässt sich übertragen auf: Parsva Konasana (gestreckter seitlicher Winkel), Ardha Chandrasana (Halbmond), Ardha Matsyendrasana mit Hand hinter dem Rücken (halber Drehsitz Variante).

Der Gurt als Maßband

Der Nutzen: Du kannst mithilfe des Gurts feststellen, ob dein Alignment richtig ist und lernen, dich von innen heraus auszurichten. Du lernst wahrzunehmen, wie die jeweilige Asana aufgebaut ist und sich anfühlt. Mit einiger Übung und etwas Zeit kannst du das Alignment dann ohne Hilfsmittel erreichen, weil dein Körper sich an das Gefühl erinnert und die äußere Form abrufen kann.

So geht’s: Für Krieger III stelle dich gerade hin und trete mit einem Fuß in den Gurt. Halte den Gurt mit beiden Händen fest, Arme entlang des Körpers. Lehne den Oberkörper nach vorne, parallel zum Boden, heb das Bein mit dem Gurt und schiebe den Fuß in den Gurt. So stellst du sicher, dass dein Bein wirklich gestreckt ist.

Lässt sich übertragen auf: Krieger I mit Gurt-Schlaufe um den Brustkorb, Gurt zwischen den Händen, Trikonasana mit Gurt in den Händen, um die Schultern in eine Linie zu bringen.

Aktivierung mit Block

Der Nutzen: Durch die Arbeit mit dem Block aktivierst du deinen Core, Beckenboden und die Innenseiten der Beine. Der Block verhindert, dass du die Knie zu weit nach außen öffnest und den unteren Rücken belastest.

So geht’s: Bring den Block auf erster oder zweiter Stufe, je nach Körperbau, zwischen deine Oberschenkel, nah ans Schambein. Schiebe mit der Kraft deiner Beine den Block zusammen und ziehe ihn energetisch nach oben.

Lässt sich anwenden auf: Ustrasana (Kamel), Dhanurasana (Bogen), Shalabhasana (Heuschrecke), Ardha Urdhva Dhanurasana (Schulterbrücke), Urdhva Dhanurasana (Rad).

Self-Assist mit Block und Wand im Krieger II

Der Nutzen: Im Krieger II versuchen wir, Knie und Fußknöchel in eine Linie zu bringen und den Oberschenkel parallel zum Boden, um die Dehnung in den Innenseiten der Oberschenkel zu vertiefen. Es ist in dieser Asana wichtig, das Knie zu schützen, indem es gerade nach vorne zeigt und nicht nach innen kippt. Außerdem stellen wir mit diesem Assist sicher, dass Oberkörper und Hüften in einer Linie sind und du dich weder zu weit nach vorne, noch zu weit nach hinten lehnst. 

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So geht’s: Bringe einen Block auf schmalste Stufe an die Wand. Trete mit deinem Schienbein so dagegen, dass du damit gegen den Klotz und Wand schiebst. Dadurch stellst du sicher, dass dein Knie im rechten Winkel steht. Tritt nun einen großen Schritt auf der Matte zurück und bringe den Fußspann des hinteren Fußes in eine Linie mit der Ferse des vorderen Fußes, Hüften, Schultern, Oberkörper sind zur Seite geöffnet. Bringe die vordere Hand an die Wand auf Schulterhöhe und drücke dich von der Wand weg. Voilà!

Lässt sich übertragen auf: Krieger I

Self Adjustments und Assists können sehr kraftvoll sein. 

Mithilfe von Self-Assists lernen wir die Grundprinzipien von Asanas und ganzer Asana-Gruppen besser kennen und verstehen sie nicht nur auf mentaler, sondern ganz praktisch auf physischer Ebene. Somit erweitern wir ganz nebenbei auch unseren Yoga-Wissensschatz. Wir können das Alignment von Asanas durch die Arbeit mit Self-Assists derart verinnerlichen, dass unser Körper es irgendwann von selbst ausführt, ohne, dass wir allzu viel darüber nachdenken müssen.

Self-Assists helfen uns dabei, unseren Körper besser kennenzulernen, wir lernen seine Grenzen und seine Einzigartigkeit auf tiefer Ebene kennen und beginnen, Verantwortung für ihn zu übernehmen, weil niemand von außen die Arbeit für uns übernimmt. Stattdessen begleiten wir uns selbst liebevoll im Wachstumsprozess. So stärken wir unser Körperbewusstsein, unsere Unabhängigkeit und das Vertrauen in uns selbst. 

Ich hoffe, du kannst dir mit diesen Übungen die Praxis zuhause etwas versüßen.

Keep on practicing,

Sheila

Fotos @ Lena Fingerle

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