Sanskrit: Wozu sollen wir die Sprache der Yogis noch üben?

Sanskrit ist eine der ältesten bekannten Sprachen der Welt.

Man munkelt, dass sie in einem kleinen indischen Dorf immer noch gesprochen wird. Sowieso ranken sich viele Mythen um diese ganz besondere Sprache. Das Wort Sanskrit bedeutet übersetzt so viel wie vollkommen, das heißt, es fehlt an nichts. Trotzdem war Sanskrit natürlich nicht immer gleich, sondern hat sich im Laufe der Jahrhunderte etwas verändert.

In einem der ältesten bekannten Texte, den Veden (ca. 1500 v. Chr.) wurde noch eine etwas andere Form benutzt als der Sanskrit-Gelehrte Paṇini später (ca. 400 v. Chr.) in seiner umfassenden Grammatik zusammengefasst hat. Sanskrit hat im asiatischen Raum etwa die Bedeutung wie Latein in unseren Breitengraden, nämlich eine Gelehrtensprache zu sein.

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Viele Schriften des Yoga sowie die mehrerer Religionen wie dem Hinduismus sind in Sanskrit verfasst. Ich könnte jetzt also einen Artikel über die linguistischen und historischen Feinheiten des Sanskrit schreiben, aber lieber möchte ich deine Aufmerksamkeit darauf lenken, wie viel Yoga in dieser Sprache steckt.

Weiter unten findest du außerdem Antworten auf Frequently Asked Questions rund um Sanskrit. 

Als ich anfing, mich eingehender mit Sanskrit zu beschäftigen, hatte ich das Ziel, es irgendwann zu beherrschen.

So wie in jeder anderen Sprache lernt man zuerst, seinen Namen zu nennen. Dann, wo man her kommt und irgendwann gelingt eine flüssige Unterhaltung.

Nach einigen Privatstunden mit meiner Lehrerin Zoe Mai vom American Sanskrit Institute stellte ich aber fest, dass ich, obwohl sonst recht sprachbegabt, entweder noch mehrere Leben Zeit brauchen werde oder meine Zielsetzung verändern muss. Da mir mehrere Leben zu lange erschienen, entschied ich mich für letzteres.

Ich lenkte den Fokus auf die Übung, das Lernen und das Erfahrung Sammeln statt auf das Richtigmachen oder gar Vokabeln lernen.

Plötzlich wurde mir klar, dass genau hier die Schönheit des Sanskrit-Lernens liegt. Aufgrund seiner Komplexität lässt es einem kaum eine andere Wahl, als sich für einen hingebungsvollen Weg zu entscheiden und einfach nur in diesem Moment zu verstehen, ohne Sorge, es später zu erinnern.

Im Moment sein und Hingabe sind wohl zwei der wichtigsten Zutaten jeder Yogapraxis, und genau als solche sehe ich Sanskrit heute.

Das bedeutet natürlich nicht, dass man jetzt einfach wild drauf los spricht und alle Regeln der Kunst ignoriert.

Es geht um Aufmerksamkeit und Präzision im Moment, genau so wie in der Asana-Praxis. Auch dort gibt es ja kein Richtig und kein Falsch, sondern eher einen für diesen Augenblick gültigen Fokuspunkt, sei es die Ausrichtung des Körpers, der Atem oder die Blickrichtung.

Anderes Beispiel: Ein mit Liebe gekochtes Essen ist immer lecker. Wenn man sich dann aber noch ans Rezept hält, schmeckt es gleich doppelt so gut. Intention und Präzision werden so zu einem unschlagbaren Energiebooster.

Es gibt genaue Regeln, welche Laute wie ausgesprochen werden.

Ausschnitt von gedrucktem Sanskrit-Alphabet
© Heidi Scholze, Susanne Probst

Jeder Laut wird mittels eines Schriftzeichens kodiert, die aus dem Devanagari stammen, der Schrift der Götter. An fünf Stellen im Mund, den sogenannten Mundpositionen, werden die Klänge gebildet und dabei kommt die Zunge ganz gut in Bewegung.

Mal berührt mit der Zungenspitze die Schneidezähne, mal das Gaumendach und ein anderes Mal macht sie sich breit und die Ränder klappen nach oben an die Backenzähne. Hier geht es um das Lenken von Energien im Mund und am Gaumen und natürlich wieder um eine Übung in Achtsamkeit.

Das Fühlen und Erleben der Vibrationen am Gaumen steht hier beim Erlernen übrigens an oberster Stelle. Und ich verspreche dir, dein Lieblingsmantra mit präziser Aussprache gechantet wird dann endlich sein volles Potential entfalten können.

Warum man als Praktizierende*r und Yogalehrer*in Sanskrit lernen und nutzen sollte

Der Klang eines jeden Sanskrit-Worts enthält seine Bedeutung. Durch das Erzeugen oder das Hören des Klangs kann also dessen Inhalt erfahren werden, auf intellektueller und emotionaler Ebene. Außerdem finde ich die Vorstellung sehr kraftvoll, dass im Yoga verschiedene Begriffe schon Jahrtausende für die gleiche Sache gebraucht wurden.

>>Lesetipp: Auf deiner bucket list steht endlich eine Yoga-Ausbildung machen, aber du kannst dich nicht entscheiden? In unserem Yoga-Ausbildungs-Guide findest du bestimmt die passende!

Auch in der Asana-Praxis kann mit Hilfe des Sanskrit-Begriffs Natarajasana viel mehr in den Raum gebracht werden als mit Tänzer. Erst mal ist Nataraj nicht irgendein Tänzer, sondern das Prinzip der Transformation, dargestellt durch den Gott Shiva in seinem kosmischen Tanz; und außerdem ist der Sanskrit-Begriff gleich noch gut geeignet, mögliche andere Sprachbarrieren von Schüler*innen zu überkommen.

Sanskrit ist die technische Sprache der Wissenschaft Yoga und aus meiner Sicht unabdingbarer Teil der Praxis.

Aber wie lernt man das jetzt? Das bereits erwähnte American Sanskrit Institute hat aus meiner Sicht die umfassendste Auswahl an Lernmaterialien, die bestens für Yoga-Praktizierende geeignet sind. Die Didaktik baut auf der Idee auf, sich vom Ich will es richtig machen! zu befreien und stattdessen immer mehr zu fühlen und zu spüren und Sanskrit als ein mehrdimensionales Erlebnis mit allen Sinnen wahrzunehmen.

Also: Zunge lockern, Kopf ausschalten und los gechantet!

Nach Jahren des Selbststudiums und Unterricht mit verschiedenen Gelehrten aus aller Welt habe ich mich beim American Sanskrit Institute zu einem ihrer Lehrer*innen ausbilden lassen. Momentan bin ich damit der einzige Sanskrit-Lehrer in ganz Europa, der nach dieser Methode unterrichtet. Sie begeistert mich immer wieder, weil ich Menschen mit ganz unterschiedlichen Backgrounds in den Kursen habe: Yogalehrer*innen, begeisterte Mantra-Singende, Logopäd*innen, Philosophie-Interessierte und Musiktherapeut*innen.

Noch Fragen?

Ich habe dir außerdem die gängigsten Fragen rund um Sanskrit beantwortet.

  • Was ist Sanskrit?
    Sanskrit ist eine alte indische Hoch- und Literatursprache. Die meisten Werke der indischen und yogischen Philosophie (zum Beispiel das Yoga Sutra von Patanjali) wurden in Sanskrit verfasst. So hat Sanskrit im asiatischen Raum eine ähnliche Bedeutung wie Latein für uns in unseren Breitengraden. Das Wort Sanskrit bedeutet vollkommen gemacht, es ist also eine Sprache, der es an nichts fehlt. 
  • Ist Sanskrit eine Sprache?
    Sanskrit ist eine indoeuropäische Sprache und gilt als heilig, da alle wichtigen religiöse Schriften wie die Veden, Upanishaden sowie die Bhagavad Gita auf Sanskrit verfasst worden sind. Aus ihr haben sich im Folgenden andere Sprachen wie Pali, Hindi, Bengali oder Panjabi entwickelt. Auch das Deutsche hat viele Verbindungen und Gemeinsamkeiten mit Sanskrit.
  •  Wie alt ist die Sprache?
    Sanskrit ist eine der ältesten bekannten Sprachen der Welt, sie ist mindestens 3.500 Jahre alt. Es gibt verschiedene Perioden der Sprache, zum Beispiel das vedische Sanskrit (1500 v. Chr.), in denen eine etwas andere Form genutzt wurde, als der Sanskrit-Gelehrte Paṇini später (ca. 400 v. Chr.) in seiner umfassenden Grammatik zusammengefasst hat. Seit dieser Zeit bezeichnet man das Sanskrit als Klassisches Sanskrit.

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  • Wo hat Sanskrit seine Heimat?
    Sanskrit ist im indischen Raum beheimatet, genauso wie Yoga. Deshalb sind Yoga und Sanskrit auch fast untrennbar miteinander verbunden. 
  • Wo wird Sanskrit gesprochen?
    Der Großteil der Bevölkerung Indiens kann kein Sanskrit sprechen, nur in wenigen Dörfern wird es noch gesprochen. Dadurch, dass die meisten religiösen und yogischen Texte in Sanskrit sind, hat die Gelehrtensprache für die Bevölkerung und für Yogis dennoch eine große Bedeutung und wird so lebendig gehalten.
  • Wie ist das Sanskrit-Alphabet aufgebaut?
    Das Sanskrit-Alphabet beruht auf Lauten, die an fünf Stellen im Mund, den Mundpositionen, gebildet werden. Im Alphabet werden zuerst die 16 Vokale (Svara) abgebildet, ihnen folgen die 32  Konsonanten (Vyanjana). Bei den Vokalen wird zwischen Kurz- und Langvokalen unterschieden: Die Langvokale werden doppelt so lang ausgesprochen.
  • Wie sind Sanskrit-Wörter aufgebaut?
    Sie leiten sich von Wurzelsilben ab. Zum Beispiel kommt das Wort Yoga von der Silbe yuj, was so viel wie anbinden heißt. Oft werden Wörter eines Satzes zusammen geschrieben, wobei sich Buchstaben und Silben verändern können, um einen guten Klang zu wahren.
  • Was ist eine Sanskrit-Transliteration?
    Sanskrit wird eigentlich in der Devanagari Schrift geschrieben. Damit wir Europäer*innen alte Verse und Texte lesen können, benötigen wir eine Transliteration, also eine Umschrift. Diese hat auch besondere Zeichen, um klar zu machen, wie die einzelnen Buchstaben auszusprechen sind. 
  • Wie kann man Sanskrit am besten lernen?
    Sanskrit-Lernen kann eine Yogapraxis sein. Hier eignet es sich am besten, viele Mantras, Kirtans und Verse zu chanten. So kannst du dich über das Singen in einen meditativen Zustand bringen und gleichzeitig tiefer in die Bedeutung der Sanskrit-Wörter eintauchen.

Bis bald,

Moritz

Titelbild und Design der Sanskrit-Poster © Heidi Scholze und Susanne Probst

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6 Kommentare / Schreibe einen Kommentar

  1. Lieber Moritz,
    D A N K E, für deinen netten Artikel, ABER den wichtigen Gelehrten schreibt man Patañjali! Nicht Panini :))
    Herzliche Grüße
    Bo
    PS: in unserer 4 jährigen Yogalehrer Ausbildung geht NICHTS ohne Sanskrit – wir müssen (DÜRFEN!!) es lernen!

    1. Hallo Bo,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Vollkommen richtig, Patanjali ist ein wichtiger Gelehrt und Autor des Yoga Sutra. Panini hingegen ist der Autor (einer) der ersten und wichtigsten Sanskrit Grammatik. Ein Buch in 8 Bänden und etwa 4000 Versen in Sutra Form. Es gibt Mythen, dass es sich um ein und die selber Person handeln könnte, da ist aber nichts belegt.

      Liebe Grüße,

      Moritz

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