Bookspiration: Warum Liebe weh tut

Ich bin immer misstrauisch, wenn es um Ratgeberliteratur für Liebe und Beziehungen geht. Ich glaube nicht daran, dass man sich mithilfe eines Buchs systematisch in zwei Wochen „den Traummann angeln“ kann. Noch dazu sehe ich mich absolut nicht als Frau, die nichts wichtigeres im Kopf hat als das überaus zeitraubende Traummann-Angel-Business – auch wenn ich mich natürlich nach Nähe und Verbundenheit sehne.

Wenn ich also einige Bücher rund um Liebe und Beziehungen vorstelle, sind das nicht nur Ratgeber; die Titel kommen in verschiedenen Textformaten daher, was ich persönlich sehr inspirierend finde.

Best of Kummerkastentante: Cheryl Strayed, Der große Trip zu dir selbst

Der deutsche Titel gefällt mir nicht besonders, ist das englische Tiny Beautiful Things doch so viel poetischer. Nichtsdestotrotz sind die Essays der Wild-Autorin, die jahrelang als anonyme Kummerkastentante Dear Sugar auf therumpus.net hunderte Menschen beriet, meine Bibel in Sachen Ratschläge. Nachdem die Kolumne eingestellt wurde, erschien eine Auswahl der Texte in Buchform.

Man könnte meinen, solche Formate à la Dr. Sommer seien inhaltsleer und immer das Gleiche; doch Cheryl schreibt nicht nur extrem authentische, sondern auch gnadenlos ehrliche Texte. Ratschläge verteilt sie sanft, aber bestimmt, und immer aus ihrer persönlichen Erfahrung heraus.

Wenn sie die Briefschreiber*innen zu ihren Beziehungs- und sonstigen Dilemmata berät und ihnen liebevoll den Kopf zurecht rückt, scheint immer Mitgefühl durch, niemals Verurteilung – ein Vorbild in Sachen Kommunikation.

„Dir anhören zu müssen, dass du das Problem bist, muss sich anfühlen wie ein Tritt in den Hintern, aber ist es nicht gleichzeitig absolut fantastisch? Schließlich bist du der einzige Mensch, an dem du etwas ändern kannst.“ 

– Cheryl Strayed

Die soziologische Erklärung: Eva Illouz, Warum Liebe weh tut

Ein Buch über Liebeskummer, das kein peinlicher Ratgeber für verzweifelte Frauen ist: Die israelische Soziologin Eva Illouz widmet sich dem Liebesleid in der Moderne und der Frage, ob es sich in Zeiten von Tinder und Co. anders anfühlt als noch für Emma Bovary oder Effi Briest. Illouz bezieht sich für ihre Abhandlung auf jahrelange Erfahrung, persönliche Gespräche sowie verschiedenste literarische und philosophische Beispiele.

Ihre zentrale These: Die Art, wie wir Beziehungen eingehen, führen und beenden, ist bedingt durch die Existenz der Konsumgesellschaft. Während der Valentinstag die Grußkartenindustrie signifikant ankurbelt, werden Social Media zu Vermarktungskanälen und Spielbrettern für unser Liebesleben; wir selbst sind in diesem Markt Konsumierende und Konsumgüter gleichzeitig.

Frauen und Männer agieren auf diesem Markt unterschiedlich (Stichwort: „Männer haben Bindungsangst“), denn ihr Marktwert und Marktauftritt werden durch unterschiedliche soziale und wirtschaftliche Normen bedingt – spannende und erhellende Gedanken rund um Geschlechterrollen und -stereotypen in der Dating-Welt, die mir meine Gefühle/Schmerzen/Wutanfälle schon mehrfach verständlich und damit erträglich gemacht haben.

“Eben weil wir zahlreiche Strategien entwickelt haben, um mit der Zerbrechlichkeit und Austauschbarkeit von Beziehungen umzugehen, rauben viele Aspekte der zeitgenössischen Kultur dem Selbst die Fähigkeit, sich auf die volle Erfahrung der Leidenschaft einzulassen und sie zu leben (…). Die Form der Liebe hat sich insofern verändert, als sich verändert hat, auf welche Weise sie weh tut.”

– Eva Illouz

Kleiner Reminder: Thich Nhat Hanh, Einfach Lieben

Thich Nhat Hanh kann etwas, was vielen Leuten sehr schwer fällt: in wenigen Worten das Wesentliche sagen, und zwar auf wunderbare Weise. Der einflussreiche buddhistische Mönch und Schriftsteller aus Vietnam hat unzählige Werke mit verschiedenen Schwerpunktthemen verfasst, in denen er Wege zu einem achtsamen, spirituellen Lebensstil aufzeigt.

“Liebe ist etwas Lebendiges, Atmendes. Wir müssen sie nicht drängen, sich in eine bestimmte Richtung zu entwickeln. Wenn wir beginnen, mit uns selbst entspannt und freundlich umzugehen, werden wir sie zuverlässig und heilend in uns selbst entdecken.“

– Thich Nhat Hanh

Dieses kleine Büchlein enthält Gedanken und Ratschläge rund um Liebe und Beziehungen in Form von kleinen Aphorismen und Anekdoten, die auf die vier Elemente wahrer Liebe Bezug nehmen. Ich schlage es gerne auf, wenn ich mir Inspiration holen möchte; es hilft mir mit wenigen Worten, meine Situation nochmal aus einem anderen Blickwinkel anzuschauen.

Miteinander reden lernen: Michael Lukas Möller, Die Wahrheit beginnt zu zweit

Wir reden einfach nur aneinander vorbei. Er*sie kann nicht über Gefühle sprechen. Ich wünschte, er*sie würde mir wirklich zuhören! Kommt dir bekannt vor? Michael Lukas Moeller (1937-2002), Psychoanalytiker, Paartherapeut und Professor für Medizinische Psychologie war überzeugt, dass Menschen wieder lernen müssen, in der Partnerschaft nicht über Oberflächliches, sondern über Wesentliches zu sprechen.

“Wenn wir uns aufeinander beziehen, halten wir unsere Beziehung lebendig.”

– Michael Lukas Moeller

So ist sein Buch ein flammendes Plädoyer dafür, sich als Paar Zeit für Zwiegespräche zu nehmen. Zwiegespräche, das sind Unterhaltungen, in denen wir uns wirklich Zeit nehmen, einander zuzuhören, die eigenen Gefühle und das eigene Selbst nach außen zu kehren – statt dem anderen zu erklären, wie er*sie ist oder warum man so oder so auf ihn*sie reagiert.

Wie das gehen soll? In überschaubaren Kapiteln beleuchtet Moeller anhand aufgezeichneter Zwiegespräche zwischen Paaren verschiedene Aspekte von Liebe, Beziehungen und Kommunikation. Es wird deutlich: Wer sich einmal entscheidet, das Zwiegespräch zu testen, hat ein extrem wirksames Tool für sich erschlossen, das eigene Selbst und die geliebte Person besser kennenzulernen, Bindung und Tiefe zu steigern und die Liebe wachsen zu lassen.

Von Teufelskreis zu Weiterentwicklung: Jürg Willi, Die Zweierbeziehung

Wie beeinflussen sich Partner*innen? Wie können Beziehungen die persönliche Entwicklung fördern, wie sie behindern? Jürg Willi, Professor der Psychiatrie, stellt in Die Zweierbeziehung das von ihm entwickelte Konzept der Kollusion vor, welches seit dem Erscheinen des Buchs 1975 inzwischen weltweit anerkannt ist: das unbewusst abgestimmte, uneingestandene Zusammenspiel zwischen Partner*innen, in deren Wahl und im Konflikt.

Statt in Paaren zwei Individuen zu sehen, die durch äußere Umstände und ihre Geschichte, jedoch nicht durch sich gegenseitig beeinflusst handeln, stellt Willi deren Interaktion als sich gegenseitig bedingendes Konstrukt dar. Er entwirft verschiedene Kollusionsmodelle, die verschiedene Beziehungsmuster repräsentieren. Die Neuausgabe von 2012 wurde um drei Modelle erweitert.

„Jeder hofft in der Liebesbeziehung sein intimstes persönliches Potenzial zu entfalten und zu verwirklichen. Dieses Potenzial kann sich am ehesten entfalten, wenn es in der Beziehung zu einem Liebespartner hervorgerufen und beantwortet wird. Um diese Beantwortung differenziert und engagiert zu halten, muss der Selbstentfaltung des Partners ebenso Sorge getragen werden wie der eigenen.“

– Jürg Willi

Wer sich dafür interessiert, Prozesse und Zusammenhänge in Paarbeziehungen und -konflikten aus tiefenpsychologischer Sicht zu betrachten, findet in diesem Text viele Anregungen und vielleicht auch Augenöffner. In seinen Folgewerken Was hält Paare zusammen? und Psychologie der Liebe entwickelt Willi seine Gedanken weiter zum Konzept der Koevolution – der gemeinsamen Weiterentwicklung als Paar.

Liebe heilt alles: Marianne Williamson, Rückkehr zur Liebe

Basierend auf dem spirituellen Praxisbuch Ein Kurs im Wundern, das in den 50ern in den USA erschien und das nach ihrer eigenen Aussage ihr Leben veränderte, entwirft Marianne Williamson mit Rückkehr zur Liebe ein spirituelles Selbstheilungsprogramm. Die Prämisse: Liebe ist das Balsam, das alle Wunden heilen kann. Wir müssen nur wieder Zugang zu ihr finden.

Was uns davon abhält? Ideen von Konkurrenz, Trennung, Knappheit der Ressourcen, Schuld. Und vor allem Angst. Im ersten Teil erklärt Williamson die Prinzipien, denen der darauffolgende Praxisteil zugrunde liegt.

Rückkehr zur Liebe bezieht sich ganz klar auf christliche Narrative und ich glaube nicht, dass es eine Seite gibt, auf der das Wort “Gott” oder “Heiliger Geist” nicht vorkommt. Damit muss man leben können. Ich halte dieses Buch aber so oder so für einen Helfer dabei, sich selbst und andere bedingungslos lieben und die Liebe anderer akzeptieren zu lernen.

„Wir haben Angst, daß es die falsche oder daß es die richtige Beziehung ist. Wir haben Angst, daß man uns ablehnt oder daß man uns mag. Wir haben Angst vor Versagen oder vor Erfolg. Wir haben Angst, jung zu sterben oder aber alt zu werden. Wir haben mehr Angst vor dem Leben als vor dem Tod.“

– Marianne Williamson

Dass ich mal einen Artikel über Liebesbücher schreibe, hätte ich auch nicht gedacht. Ich habe richtig Lust bekommen, noch mehr zu lesen. Welche Titel empfiehlst du mir? Findest du solche Ratgeber sinnlos oder hilfreich? Ich freue mich auf deinen Kommentar!

Liebe für alle!

Deine Uli

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