Ich bin ein Mensch, der sich wahnsinnig schwer tut mit Entscheidungen. Normalerweise läuft es so ab, dass ich ganz viele Informationen sammle, um die bestmögliche Grundlage zu haben, auf der ich meine Entscheidung treffen kann. Der Grund warum ich das tue, ist recht simpel.
Ich möchte so wenig „Fehler“ wie möglich im Leben machen, um später nicht etwas zu bereuen.
Klingt anstrengend und leicht neurotisch, ist es wahrscheinlich auch. Außerdem führt es immer wieder zu Unzufriedenheit und ich habe mir damit schon selber sehr oft im Weg gestanden.
Es gibt eine Situation in meinem Leben, in der es anders gelaufen ist.
Ich hatte seit Jahren den großen Wunsch, einen eigenen Hund zu haben. Einen Lebensbegleiter, den ich überall mit hinnehme, der mit mir im Café sitzt, während meiner Yogastunden entspannt vor der Tür auf mich wartet, der sich unglaublich freut, wenn Kinder ihn knuddeln wollen und einfach so etwas wie mein bester Freund in Hundegestalt ist.
Das war ein Punkt auf meiner Bucket-List. Etwas, was ich mir unbedingt erfüllen, ein kleiner Lebensplan, den ich irgendwann umsetzen wollte.
Eines Abends, als ich bei Facebook prokrastinierte, habe ich mich „nur aus Interesse“ auf der Seite einer Tierschutzorganisation umgesehen, die rumänische Straßenhunde aus einem öffentlichen Tierheim vermittelt, bevor diese in Rumänien in die Tötungsstation gebracht werden.
Auf einem Foto war Maya zu sehen, ein vier Monate altes Bündel Angst, ohne Mutter und mit viel zu großen Ohren für den kleinen Kopf. Mein Herz machte einen Hüpfer und der Rest ist Geschichte: Ich habe „nur aus Interesse“ mal hingeschrieben wie das so läuft. Eine Woche später war Maya da.
Diese Entscheidung hatte viel mit meinem Herzen und meinem Bauch zu tun und war so gar nicht rational.
Warum ich das alles schreibe? Let’s face it: mein Lebensplan „Hund“ ist leider so gar nicht aufgegangen. Zumindest nicht der, den ich mir so auf meinem inneren Reißbrett entworfen hatte.
Mein Hund hat Angst vor allem, was fremd ist: Sie lässt sich nicht von Fremden streicheln, Kinder sollten besser nicht stürmisch auf sie zu rennen, im Café wird sie zum bellenden Alptraum und vor dem Yogaraum warten ist leider auch schwierig, wenn man die ganze Zeit hoffen muss, dass ihr niemand zu nahe kommt.
Seit 2,5 Jahren leben wir jetzt zusammen und mehr als einmal habe ich Tränen vergossen.
Ich habe mich selber bemitleidet für dieses Schicksal und verwirrt gefragt, wie ich so unbedacht die Entscheidung für einen traumatisierten rumänischen Straßenhund treffen konnte.
Nun bin ich ja aber nicht nur Hundebesitzerin, sondern auch Yogini.
Und bei aller Tendenz, mich dem Drama hinzugeben, versuche ich auch, Dinge aufgrund meiner Praxis besser zu verstehen. Ich möchte rausfinden, wie die Praxis mir in den schlechten Momenten helfen kann. Diese Erkenntnisse lassen sich letztlich auf jeden nicht ganz aufgegangenen Lebensplan übertragen.
1. Karma, baby!
Ich hab mich schon ein paar Mal gefragt, ob ich vielleicht ganz schön viel Karma auflösen muss und Maya deswegen bei mir gelandet ist.
Karma ist das Prinzip von Ursache und Wirkung und bedeutet kurz zusammengefasst so viel wie “man erntet, was man sät”.
All unsere Handlungen werden irgendwie zu uns zurückkommen.
Sei es in diesem oder im nächsten Leben. Das bedeutet weiter gedacht, dass alles, was uns passiert, auch irgendwo herkommt und seinen Ursprung in alten Handlungen oder auch Gedanken hat.
Dabei darf Karma nicht mit Strafe verwechselt werden. Für mich ist es eher eine Chance, uns mit Dingen auseinanderzusetzen, es besser zu machen und dadurch auch in unserer spirituellen Praxis voranzukommen. Indem wir uns durch Selbststudium innerer Prozesse bewusst werden, die uns zu bestimmten Handlungen geführt haben.
Es kann aus yogischer Sicht durchaus sein, dass der Lebensplan nicht aufgeht, weil unser Karma diesen noch nicht für uns bereithält.
Aber genau dieser scheinbar “misslungene” Lebensplan kann uns dabei helfen, uns besser auszurichten und unser weiteres Schicksal ganz bewusst in die Hände zu nehmen.
Ja, vielleicht hat mein Karma dazu geführt, dass der Plan vom easy dog nicht aufgegangen ist. Aber vielleicht ist meine 8-Kilo-Herausforderung genau diejenige, die ich gebraucht habe, um mehr Verständnis, Empathie und einen liebevolleren Blick zu entwickeln. Und das nimmt wiederum Einfluss auf meine grundsätzlichen Handlungen und Gedanken.
2. Dharma, oder: wenn das Universum einen anderen Plan hatte als du
In unserer Generation hinterfragen wir ja gerne den Sinn des Lebens. Wir fragen uns, ob unser Wirken auf irgendeine Art und Weise Einfluss nehmen kann und ob wir im besten Fall etwas hinterlassen.
Alles nicht neu, kluge Köpfe haben sich dazu schon vor tausenden von Jahren Gedanken gemacht.
Dharma ist einer der grundlegenden Begriffe im Buddhismus und auch in der hinduistischen Spiritualität.
Allgemein betrachtet bedeutet Dharma erstmal so etwas wie die Aufgabe oder Pflicht, die ein Lebewesen hat. Es gibt universelles Dharma, vergleichbar mit einem alle verbindenden Moralkodex und auch persönliches Dharma. Das ist so etwas wie die eigene Bestimmung, meine innere Berufung, der persönliche Entwicklungsweg.
Wenn wir uns auf den Weg begeben, unser Dharma zu finden und dieses zu verfolgen, dann entsteht wiederum gutes Karma. Das kann uns dabei helfen, irgendwann den ewigen Kreislauf der Wiedergeburt zu durchbrechen.
Was genau unser Dharma ist, zeigt sich manchmal erst durch unerwartete Geschehnisse oder Begegnungen.
Und oft ist die Erkenntnis eine unbequeme: Wenn der Lebensplan nämlich war, eine reisende Yogalehrerin zu werden und in dieser Rolle voll aufzugehen, unser Dharma aber eher das der zweifachen Mutter ist (oder auch andersrum), dann kann diese Erkenntnis erst mal schmerzhaft sein und vor allem der Weg bis zu dieser Erkenntnis.
Unser Dharma können wir uns selber leider nicht aussuchen, es hängt von unserer energetischen Konstitution und unserem bisher angehäuften Karma ab. Was wir jedoch jeden Tag aufs Neue beeinflussen können, ist der Versuch, es zu finden und uns danach auszurichten oder uns auch bewusst dagegen zu entscheiden – unser freier Wille wird davon schließlich nicht beeinflusst.
In der Bhagavad Gita fragt Krsna Arjuna „Was ist mein Dharma? Was soll ich tun?“
Krsna sagt Arjuna, dass er ein Krieger ist und seine Aufgabe die ist, zu kämpfen. Arjuna will das nicht, er will nicht gegen seine Verwandten kämpfen, er will keinen Krieg. Krsna erklärt ihm, dass es darum nicht geht, sondern um den Krieg zwischen Recht und Unrecht und es seine Aufgabe ist, für das Richtige zu kämpfen.
Das ist erstmal harter Tobak. Das eigene Dharma soll also der der Kriegers sein, um dadurch für etwas Größeres einzustehen. Aber ist uns das so fremd?
Selbstloses Handeln fühlt sich am Ende meistens besser an, als eine Handlung, der ein egoistisches Motiv zugrunde liegt, oder?
Dementsprechend wird die Verfolgung unseres Dharma oder zumindest das immer wieder danach Suchen, am Ende zu Zufriedenheit führen, auch wenn wir damit nicht den eigentlich geschmiedeten Plan umsetzen.
Aus yogischer Sicht schlagen wir damit auch zwei Klappen: durch das Loslassen rein egoistischer Motive erreichen wir mehr Zufriedenheit in diesem Leben und kreieren gleichzeitig weniger störendes Karma für alle weiteren. Win win!
3. Karma, Dharma – und was hilft gegen Drama?
Alles schön und gut, sagst du jetzt vielleicht. Mag ja sein, dass es für alles Gründe und Ursachen gibt.
Was aber, wenn es sich einfach scheiße anfühlt, so wie es ist?
Natürlich ist mein selbst erprobter Tipp so banal wie funktionell: Übe! Regelmäßig!
Der tägliche Gang auf die Matte ist das, was nach wie vor da ist. Trotz viel Hunde-Chaos, eingeschränkter Freiheit und auch immer wieder ein bisschen Verzweiflung. Das, was ich in den letzten 2,5 Jahren konstant beibehalten habe.
Ich habe sie deswegen alleine gelassen, Freunde zum Hundesitten bestochen, meinen Freund eingespannt und auch (gescheiterte) Versuche unternommen, sie einfach mitzunehmen. Zwischendrin üben wir auch einfach gemeinsam den aufschauenden Hund oder sie schnarcht während meiner Mediation.
Es hilft mir immens, dieses Ritual in meinem Leben zu haben, diese Praxis, die unabhängig von allen äußeren Umständen immer da ist.
Die mir meine Gefühle knallhart spiegelt, die mich aber auch weicher werden lässt und in der ich mir auch erlauben darf, verletzlich zu sein. Und wodurch mir eine Sache ganz klar geworden ist: dieser Hund ist der Lehrer, den ich bis dahin nicht hatte in meinem recht smooth verlaufenden Leben. Auch dafür liebe ich jedes Haar an ihr.
Mein Rat: suche dir etwas, was deine ganz persönliche Praxis ist.
Etwas, das dir dabei hilft, aus der Wertung rauszukommen, rein ins spüren und dich näher an diesen Ort im Inneren führt, an dem alles ziemlich ok ist – und zwar unabhängig von funktionierenden Plänen oder nicht.
Tägliche Asanapraxis ist dr zu viel? Mach sie kürzer, meditiere mehr, übe dich in Pranayama. Aber schaffe Dir eine ganz persönliche Auszeit.
Ein tägliches Aufladen und die tägliche Verbindung mit einer universellen Kraft, auf die wir alle vertrauen können.
Egal, was im Äußeren gerade so los ist. Ich glaube dann kommen wir auch irgendwann an den Punkt, an dem wir dankbar sein können. Dankbar für das, was ist.
Denn letztlich ist das Leben nun mal die Summe unserer Erfahrungen – ob wir diese geplant haben oder auch nicht.
Hast du einen Plan für dein Leben? Ist der aufgegangen und wie gehst du mit persönlichen Stolpersteinen um? Ich freue mich sehr über Kommentare!
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Toler Artikel! Das Leben läuft nun häufig nicht so, wie man es sich wünscht. Doch letztendlich macht der Weg für den wir uns Entscheiden letztendlich unsere Persönlichkeit aus. Eine Routine zu haben, die uns erfüllt – wie in eurem Beispiel YOGA – kann uns dabei wieder auf den Boden zurückholen. Ich finde Ihr habt das sehr schön hier dargestellt! LG