[Werbung] Nachhaltiger Konsum liegt voll im Trend, keine Frage. Aber an vielen Stellen ist Werbung mit nachhaltigen Ressourcen und fairer Produktion eigentlich Humbug – wohlmeinende Konsument*innen werden hinters Licht geführt. Die Deutsche Umwelthilfe hat zuletzt erfolgreich gegen diese Praktiken des Greenwashings geklagt und die EU diskutiert sogar, ein Gesetz dagegen auf den Weg zu bringen. Aber was ist Greenwashing überhaupt?
Viele große Konzerne sind auf den Trend der Nachhaltigkeit aufgesprungen und stellen ihre Kommunikation dahingehend um, ohne wirkliche Veränderungen in ihrer Unternehmensführung oder Produktion anzustoßen – die Lorbeeren für ihre Bemühungen heimsen sie trotzdem ein. Hier einige Beispiele: Ein Textilriese verkauft 10% seiner Klamotten mit einem hübschen grünen Logo als Organic Cotton. Oder eine Fast-Food-Kette deklariert ihre Einweg-Verpackungen aus Papier als Innovation. Die Arbeiter*innen in den Herstellungsländern und die Umwelt werden weiter ausgebeutet, aber wir haben uns ein gutes Gewissen gekauft.
Die Diskussion ums Thema Greenwashing wird heiß geführt und spaltet die Meinungen.
Generieren Unternehmen, die Greenwashing betreiben, nicht trotzdem Aufmerksamkeit für das Thema und erreichen ggf. Leute, die sonst eher nicht erreicht werden würden? Oder ist das Ganze einfach nur ein unverschämter scam, der am Ende keine echte Veränderung bewirkt? Einer, der vom echten Handeln ablenkt, so dass sich weiterhin viel zu wenig ändert und diejenigen, die unter der Produktion leiden, weiter ausgebeutet werden?
Egal, wie genau man dazu steht, die Öffentlichkeit nimmt es wahr. Doch als Konsument*in muss man gut informiert sein, um zwischen Greenwashing und echten Bemühungen für nachhaltigeren Konsum unterscheiden zu können. Man muss die eigenen Kaufgewohnheiten hinterfragen und anpassen. Man muss sich daran gewöhnen, dass eine faire Strickmütze schon mal 40 € kosten kann und nicht für einen Zehner zu haben ist, wie ihr Pendant im Einkaufszentrum.
Fröhlich shoppen und trotzdem ein gutes Gewissen haben – geht das wirklich?
Fakt ist: Wer nachhaltig konsumieren möchte, muss das aktiv entscheiden. Und den Überblick behalten, wer wirklich nachhaltig produziert, verkauft und handelt.
Wie finde ich ein nachhaltiges Unternehmen?
– Zertifikate wie der B Corp oder der Gemeinwohlökonomie
– Social Business Landkarte von Polarstern und Partner*innen-Organisationen
– Fair Fashion ABC von den Fashion Changers oder die Website Fashion Checker
– Bewertungsportale und Google-Bewertungen lesen und bei Unternehmen direkt nachfragen
Eine Möglichkeit, sich zurecht zu finden: die Social Business Landkarte.
Diese Landkarte hat die Firma Polarstern Energie in Zusammenarbeit mit mehreren Partner-Organisationen entwickelt. Dort findest du Unternehmen, die sich dem nachhaltigen Handeln verschrieben haben. Ich habe mich mit Anna Zipse von Polarstern darüber unterhalten, worum es genau geht und was Social Businesses und Nachhaltigkeit miteinander zu tun haben.
Anna, ihr habt eine interaktive Social Business Landkarte erstellt. Erzähl uns davon!
Wir sind überzeugt, dass es muss einfacher werden muss, nachhaltig zu konsumieren. Einfacher sein, Unternehmen zu finden, die werte- und nicht in erster Linie gewinngetrieben handeln. Deshalb haben wir in Kooperation mit Vereinen und Organisationen wie dem Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland, der Gemeinwohl-Ökonomie, aber auch mit den Impact Hubs und B Corp-zertifizierten Unternehmen in Deutschland diese Landkarte entwickelt, auf der diese Unternehmen verzeichnet sind.
Durch ihre Mitgliedschaften und Zertifizierungen sind gewisse Wertekriterien und ein nachhaltiges Wirtschaften erfüllt und die Verbraucher*innen müssen sie nicht selbst überprüfen.
Welche Kriterien muss ein Unternehmen erfüllen, um dort gelistet zu sein?
Die Kriterien der Vereine und Organisationen, mit denen wir hier arbeiten, sind im Detail verschieden. Alle gemeinsam legen Kriterien an die Unternehmen, die man auch von den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen kennt. Es geht um ein gutes Leben für alle Menschen, in wirtschaftlicher als auch in sozialer und ökologischer Hinsicht. Bei beiden Zertifizierungen stehen die Würde des Menschen, die Einhaltung der planetaren Grenzen und gute Beziehungen der Menschen untereinander im Mittelpunkt. Wie das eingehalten wird, wird extern von unabhängiger Seite geprüft.
Was bedeutet Nachhaltigkeit? Und wer trägt Verantwortung, wenn es um eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft geht?
Nachhaltigkeit ist ein großer Begriff. Er ist sehr umfassend, wird nur leider oft viel zu verengt genutzt. Für mich bedeutet nachhaltiges Wirtschaften, dass ökologisch, sozial und ökonomisch langfristig gehandelt wird – wobei alle drei Bereiche gleichwertig sind. Dass so gewirtschaftet wird, dafür tragen die Unternehmen Verantwortung – als Anbieter von Produkten und Services. Aber auch wir als Verbraucher*innen sind dafür verantwortlich, indem wir mit unserer Nachfrage Druck auf die Ausrichtung der Unternehmen ausüben.
Was bedeutet es für Unternehmen, wirklich nachhaltig zu wirtschaften?
Ganz einfach: Es heißt, so zu wirtschaften, dass wir nicht auf Kosten unserer Zukunft leben. Nur soviel Ressourcen zu verbrauchen und Emissionen zu verursachen, dass sich die Erde innerhalb eines Jahres wirklich regenerieren kann. Ich finde es echt pervers, wie wir – auch in Deutschland übrigens – mit unserem Planeten umgehen. Würden alle Länder so mit den Ressourcen haushalten wie wir es hier tun, bräuchten wir sogar drei Erden. Das ist übrigens vom Global Footprint Network errechnet worden und keine fiktive Zahl. Leider.
Wie gehen Nachhaltigkeit, Umweltschutz, soziales Handeln und Innovation Hand in Hand?
Innovation ist Voraussetzung dafür, dass wir nachhaltiger leben können. Wir müssen mit der Technik Schritt halten. Wenn sie sich entwickelt, müssen sich die ökologischen und sozialen Maßnahmen ebenfalls weiterentwickeln. Alte Lösungen für neue Technologien, das kann nicht funktionieren.
Können wir als Verbraucher*innen mit unserem Konsum Einfluss nehmen?
Oh ja, viel mehr als wir denken oder uns eingestehen möchten sogar. Wie gesagt, jede*r trägt Verantwortung für unsere Zukunft, auch Konsument*innen. Unternehmen produzieren das, was ankommt. Wenn wir als Konsumierende Produkte und Services ablehnen, weil sie nicht unseren Ansprüchen an ein nachhaltiges Wirtschaften erfüllen oder weil wir kritisch nachfragen, tragen wir dazu bei, dass sich Unternehmen und ihr Angebot verändern.
Wie können wir echt nachhaltig wirtschaftende Unternehmen von denen unterscheiden, die Greenwashing betreiben?
Das ist gar nicht so einfach – oder auch doch. Ich glaube, kaum jemand hat Zeit oder Lust, im Alltag stundenlang zu recherchieren, um ein Unternehmen zu durchleuchten. Aber, und das ist die gute Nachricht, das muss man auch nicht.
Die Zertifikate der B Corp und der Gemeinwohl-Ökonomie sind gute Orientierungen, die einem helfen, nachhaltiger handelnde Unternehmen zu erkennen. Zentrale Indikatoren für nachhaltige Unternehmen sind bspw., dass sie den Fokus nicht einseitig auf Gewinnmaximierung legen, Maßnahmen zum Ressourcenschutz fordern und eine faire Behandlung verschiedener Anspruchsgruppen zum Ziel haben. Weitere interessante Aspekte, die bei beiden Zertifizierungen geprüft werden, betreffen die Unternehmensführung, die Rechte der Mitarbeitenden und das Bewusstsein und Handeln für gesellschaftliche Themen und Problemstellungen.
Außerdem ist es sehr hilfreich, die Webseite des Unternehmens zu besuchen und zu schauen, wie viele konkrete Informationen man dort zu nachhaltigen Aspekten findet. Auch Bewertungsportale und Google-Bewertungen sind hilfreich, weil Konsument*innen hier von ihren Erfahrungen berichten. Durch das Googeln nach Keywords wie Kritik kombiniert mit dem Unternehmens- oder Produktnamen stößt man auf Aspekte, die man sich mal anschauen oder zu denen man direkt beim Unternehmen nachfragen sollte.
Polarstern Energie bietet Ökostrom und Ökogas an. Was unterscheidet kleine Anbieter wie euch von den großen, die ja auch Ökostrom im Angebot haben?
Allein auf die Produkte bezogen, bieten wir stets nur Energie aus 100% erneuerbaren Quellen an. Das macht bisher kein großer Konzern. Aber nachhaltiges Handeln muss über einzelne Produkte hinausgehen. Es bezieht sich auf das Wirtschaften eines Unternehmens. Wir bei Polarstern wurden als Social Business gegründet, mit dem Ziel, mit Energie die Welt zu verändern. Nachhaltigkeitsaspekte sind Teil unserer DNA.
Große Energiekonzerne hingegen entdecken die Nachhaltigkeit jetzt für sich; häufig auch, weil es wirtschaftlich immer attraktiver wird. Sie sehen hier ein Geschäftsfeld, aber das heißt nicht, dass sie nachhaltiges Handeln aus Überzeugung verinnerlicht haben.
Kannst du ausführen, was ein Social Business genau ist?
Dafür möchte ich die Social Business Stiftung zitieren: „Social Business ermöglicht die Nutzung der Wirtschaftskraft zur Lösung der Herausforderung unserer Zeit. Somit lebt Social Business die Idee, dass die Wirtschaft dem Menschen dient.”
Was sollte auf politischer Ebene geschehen, damit Nachhaltigkeit wirklich in der Wirtschaft mitgedacht wird?
Wer Ressourcen verschwendet und dem Klima schadet, muss dafür zahlen. Es muss unattraktiv werden, den Planeten auszubeuten. Mittels Steuern und Förderungen sowie der Mittelverwendung hat der Staat hier einen großen Gestaltungsspielraum, den er endlich stärker nutzen muss.
Nachhaltig zu konsumieren ist anstrengend. Zero Waste, vegan, Fair Trade – es gibt so vieles, was man beachten soll. Womit kann ich den größten Unterschied machen?
Das Wichtigste ist, mit dem anzufangen, was einen bewegt. Das einem leicht fällt. So rutscht man automatisch durch die Beschäftigung mit dem Thema in ein bewussteres Handeln hinein. Wer etwas als Last und Qual empfindet, bleibt nicht dabei. Spaß und Freude aber motivieren zum Weitermachen. Und genau darauf kommt es an. Schließlich gibt es keine Einzelmaßnahme, die alleine für sich ausreicht. Es sind viele Stellschrauben und je bewusster und nachhaltiger man lebt, umso wirkungsvoller nutzt man sie.
Welche drei Dinge können Unternehmen sofort ändern, um nachhaltiger zu wirtschaften?
Erstens: eine echte Bilanzierung nach gemeinwohlorientierten Werten erstellen, oder zumindest einen integrierten Lagebericht. So werden soziale und ökologische Ziele den finanziellen Zielen gegenübergestellt und man kann die kompletten Kosten und Wirkungen der unternehmerischen Tätigkeit erkennen. Also auch die wahren Kosten für den Planeten.
Zweitens: mal anfangen, statt sich jahrelang dumm und dämlich zu analysieren und zu diskutieren. Jede Maßnahme zählt. Was spricht dagegen, mit den schnellen Maßnahmen anzufangen und währenddessen die komplexeren vorzubereiten?
Drittens: Ein idealer Start ist und bleibt der Blick nach innen, ins Unternehmen. Werden nachhaltige Kriterien beim eigenen Einkauf von Snacks, Hygieneartikeln, Kaffee etc. verfolgt? Solche Maßnahmen haben eine starke Wirkung, weil sie ins Bewusstsein der Mitarbeiter*innen dringen, die wiederum die unternehmerischen Ziele mit Leben füllen.
Welche drei Dinge können wir in unserem Alltag sofort ändern, um nachhaltiger zu leben bzw. zu konsumieren?
Erstens: auf Qualität setzen. Je weniger wir neu kaufen, je länger Dinge halten, umso ressourcenbewusster handeln wir. Zweitens: bei der Energiewahl auf Ökoenergie setzen. Rund 85 % der Treibhausgasemissionen in Deutschland sind energiebedingt. Wer Ökoenergie wählt, tut wirklich viel fürs Klima.
Egal, was du kaufst, achte drittens immer auf den Anbieter dahinter. Wen unterstützt du mit deinem Konsum? So hast du einen riesigen Einfluss über den unmittelbaren Kauf hinaus, da die Wirkung eines Unternehmens durch Dinge wie seine Lieferkette oder seine Partnerschaften viel weiter reicht – weltweit.
Wem folgst du gerne für Anregungen und Infos zu Nachhaltigkeit? Hast du ein paar Instagram-, YouTube- oder Blog-Tipps für uns?
Oh, da gibt es wirklich so viele verschiedene, die ich alle sehr schätze. Mit ihrer Vielfalt geben sie mir aus verschiedenen Richtungen Inspiration. In Sachen Mode finde ich etwa Fashion Changers super. Politisch aktiver ist etwa Louisa Dellert. Ich finde es toll, dass sie ihre Bekanntheit nutzt, um Gehör zu finden und Politik und Konsumierende zueinander zu bringen.
Vegane Ernährungs- und Lifestyle-Tipps finde ich u.a. bei isshappy. Kreative Anregungen und nachhaltige Gedanken erhalte ich bei familie_nachhaltigkeit, mysustainableme, iisabelsophie und viele andere. Mein Fernweh stille ich mit zweidiereisen und bei globusliebe. Und ein Podcast, bei dem ich viel Neues erfahre und spannende Menschen kennenlerne, ist ZweiVorZwölf.
Danke Anna für deine Antworten und deinen Input!
Ich komme mal wieder zu dem Schluss, dass wir an vielen Baustellen gleichzeitig arbeiten müssen, um das Bewusstsein für Klimaschutz und für eine sozialere Wirtschaft zu stärken. Wir müssen selbst weniger und dafür die richtigen Dinge kaufen.
Wir müssen aktiv sein, auf Demos gehen und die Politik nicht in Ruhe lassen. Wir müssen uns immer weiter informieren, auch wenn es anstrengend ist. Uns selbst herausfordern, Dinge noch besser zu machen. Die Gegensätze aushalten, die sich manchmal auftun und selbstständig entscheiden, wo die eigene Priorität liegt. Es ist nicht so einfach! Aber Aufgeben ist keine Option.
Tipps für spannende Kanäle und Informationsquellen
- @nachhaltigerlebeninberlin informiert fundiert, klärt über typische Irrglauben auf und zeigt, dass es eben nicht immer so easy ist
- Der 1,5 Grad Podcast von Luisa Neubauer – must listen!
- Bei Viertel \ Vor findest du nachhaltigen Lifestyle und spannende Diskussionen
- Bei Sophia Hoffmann, vegane Köchin, Autorin und Aktivistin, dreht sich alles um nachhaltigen Lifestyle, politischen Aktivismus und Zero Waste Küche – sie redet außerdem offen über die manchmal grotesken Auswüchse von Greenwashing, Influencer-Leben und Co.
- Das Buch Wir sind das Klima! von Jonathan Safran Foer
- Das Buch Unfuck the Economy von Waldemar Zeiler mit Katharina Höftmann Ciobotaru
Was sagst du zu dem ganzen Thema? Welche Fragen und Tipps hast du für uns?
Ab damit in die Kommentare!
Titelbild © Milada Vigerova
Dieser Beitrag ist eine bezahlte Kooperation mit Polarstern Energie. Wir sind sehr dankbar, so großartige Partner*innen im Boot zu haben, die FLGH auf diese Weise unterstützen.