Tell me lies, tell me sweet little lies
Nur mal checken, wie viel Uhr es ist / wie das Wetter morgen wird / wie viele Schritte ich heute gemacht habe… Seit Stunden schaue ich alle fünf Minuten auf mein Handy. Richtig absurd wird es, als ich anfange, meine Apps neu zu ordnen. Mal ehrlich Lula, kümmerst du dich wirklich um diesen Kleinkram oder geht es hier eigentlich darum, dass du insgeheim auf die Nachricht einer Person wartest, die in deinem Kopf zur Zeit Stammgast ist?
Wir alle lügen ständig, bis sich die Balken biegen
Laut einer Studie der University of Massachussetts lügen 60% der Menschen alle 10 Minuten mehr oder weniger schwerwiegend ihre Gesprächspartner*innen an. Dabei erwischt es unsere Eltern am härtesten. Ganze 86 % von uns lügen unsere Eltern regelmäßig an. Bei unseren Freund*innen sind es ca. 75%, dicht gefolgt von Geschwistern mit ca. 73%. Aber wie sieht es im Umgang mit uns selber aus?
Diese Woche haben sich so manche Balken in meinem Kopf gebogen, bis es krachte.
Zähneknirschend muss ich zugeben, dass die oben beschriebene Situation ein Paradebeispiel für Selbsttäuschung ist. Während ich mir vormache, mich gar nicht für diese eine Person zu interessieren, fühle ich tief im Inneren, dass ich mich eigentlich nur vor der Wahrheit drücke.
Mein Ego kämpft bitter darum, nicht sein Gesicht zu verlieren. Ich will nicht, dass ich mich in jemanden verguckt habe, so einfach ist es!
Und damit wären wir schon am Kern der Selbstlüge bzw. Selbsttäuschung.
Sie ist dient als Schutzreflex des Menschen, gegen die Bedrohung der Psyche und des Selbstbildes. Indem wir uns selbst täuschen, blenden wir Fakten und Tatsachen aus und ersetzen sie durch Dinge, die uns besser in den Kram passen.
Wir sind so gewöhnt, uns vor andern zu verstellen, daß wir uns am Ende vor uns selbst verstellen.
François de La Rochefoucauld
Hey, du Faulsack!
Häufig ruft die Faulheit des Menschen die Selbsttäuschung hervor. Wenn es nach uns ginge, würden wir nämlich immer den bequemsten und leichtesten Weg wählen. Es liegt daher oft nahe, dass wir uns selbst belügen und uns etwas vormachen, um die Augen vor dem zu verschließen, was gerade ist.
Wählen wir hingegen die Wahrheit, verlangt diese oft von uns, aktiv zu werden und zu handeln. Wir nehmen die Selbstlügen-Brille ab und sehen die Situation nun klarer. Oft hat das jedoch zur Folge, dass wir erkennen: Wir müssen gewisse Dinge ändern.
Ich müsste mal wieder Sport machen, nur diese Woche ist schlecht, weil ich so viel arbeiten muss.
Kennst du den Gedanken? Du weißt, dass in deinem Kalender genügend Platz für einen 20 Minuten Yoga Flow wäre, wenn du den stundenlangen Social-Media-Konsum am Abend reduzieren würdest. Aber weil der Mensch von Natur aus jegliche Anstrengung vermeiden will, redest du dir ein, keinen Platz für ein Workout in deinem momentanen Zeitplan zu haben.
Ertappst du dich bei einer solchen Lüge, heißt das noch lange nicht, dass du handeln musst. Manchmal wollen wir einfach faul sein, und das ist auch gut so. Werde dir nur bewusst, dass es dein Wunsch nach Entspannung ist, der dir das Sportmachen ausredet, und nicht dein voller Arbeitsplan. So bleibst du stets ehrlich mit dir selbst.
Die Verantwortung ist der schwarze Peter, den man am liebsten sofort jemandem anderen unterjubeln würde.
Und Selbsttäuschung dient uns dabei oft unterbewusst als Tool.
Ich würde ja gerne, aber… Wenn wir uns in einer unangenehmen Situation wiederfinden, schieben wir die Verantwortung gerne an jemanden anderen ab. Wenn es nach mir ginge, wäre das nicht so, aber mein/e Partner*in/ Chef*in/Kind usw… Das mag sich am Anfang besser anfühlen, langfristig gesehen nehmen wir uns jedoch die Chance, Situationen so zu verändern, dass sie uns gut tun.
Werde zum eigenen Sherlock Holmes
Schüttle als erstes den Drang ab, dich selbst zu verurteilen und deine Handlungen auszuwerten. Gib dem Gedanken, perfekt sein zu müssen, einen Abschiedskuss und gehe während der ganzen Ermittlung liebevoll und sorgsam mit dir um.
Wenn du dich mit Vorwürfen bestrafst, sobald du dich in einer Selbstlüge ertappst, ist es nur verständlich, dass dein Ego wieder in den Schutzreflex geht. Es geht nicht darum, jemanden aufs Glatteis zu führen, sondern dir selbst Steine aus dem Weg zu räumen, über die du sonst gestolpert wärst.
Alle lügen sich etwas in die Tasche. Wenn alle das wirklich in der Tasche hätten, würde sie platzen.
Wolfgang J. Reus
Packe Pinocchio an der Nase. Selbstlügen erkennst du daran, dass...
…deine Gefühle nicht deinen Worten entsprechen
Ich bin so was von über sie/ihn hinweg! posaunst du vor dich hin, spürst in dir jedoch immer noch ein Ziehen, das darauf hinweist, dass du mit dir selbst nicht Klartext sprichst. Selbstlüge ertappt! Sei ehrlich: Was für Gefühle brodeln da in dir?
Zu Beginn mag es unangenehm sein, sich mit diesem inneren Pinocchio auseinander zu setzen. Ignorierst du ihn jedoch, macht er es sich in deinem Unterbewusstsein kuschelig und zettelt innere Konflikte an. Denn wenn deine Gedanken nicht deinen Gefühlen entsprechen, fangen sie an, zu streiten und du kannst nur noch als unbeteiligte*r Zuschauer*in daneben stehen.
….dein Denken irrational und extrem ist
Ich werde es niemals schaffen! Unter diesem Gedanken lugt sehr häufig die Selbsttäuschung hervor. Natürlich gibt es Situationen, denen wir nicht gewachsen sind. Wir sind schließlich keine Superhelden.
Aber in den meisten Fällen spricht hier dein Ego, das versucht, dich zum Aufgeben zu verlocken und in der Komfortzone zu behalten. Lass dich also nicht von dem Gesäusel beeindrucken und sei ehrlich zu dir selbst. Bist du wirklich nicht in der Lage, die Situation zu händeln, oder übergibst du das Mikrofon der Angst?
…du deine Handlungen andauernd rechtfertigst
Ich hatte gar keine andere Wahl, weil…Wenn du deine innere Stimme dabei belauschst, Unmengen von Rechtfertigungen aufzutürmen, kannst du dir auch hier sicher sein, dass die Selbsttäuschung ihre Finger im Spiel hat.
Sobald du etwas tust, das deiner inneren Wahrheit entspricht, besteht kein Drang, es vor dir selbst zu rechtfertigen. Dein gutes Gefühl steht für sich. Handelst du aber auf eine Weise, die du tief im Inneren nicht mit dir selbst vereinbaren kannst, fängt dein Verstand an, deine Handlung mit Rechtfertigungen zu schmücken.
Er möchte dich vor der schmerzlichen Tatsache beschützen, dass du einen Fehler begangen hast. Dabei sind Fehler ganz normal und wichtig! Nur müssen wir sie uns eben eingestehen, um daraus lernen zu können und sie nicht wieder zu begehen.
Lade deinen inneren Pinocchio auf ein Glas Rotwein an den Küchentisch ein und rede liebevoll Klartext mit ihm. Gestehe dir deine Fehler ein und vergib dir, anstatt dich fertig zu machen.
…du andere beschuldigst
Nur deinetwegen geht es mir jetzt so schlecht! Sobald du merkst, dass du andere beschuldigst und für deine Unzufriedenheit oder deine Fehler verantwortlich machst, solltest du kurz in dich hören und nachspüren. Sind wirklich alle um dich herum die Bösen?
Dieser Prozess kann schmerzhaft sein, weil sich in den meisten Fällen herausstellt, dass wir selbst zu gewissen Situationen etwas beigetragen haben und diese Mitverantwortung durch Selbstlüge verdrängen.
…du dem Rat anderer aus dem Weg gehst
Das sagst du so leicht…! Ich kann es nicht mehr hören! Jeder hat seine eigenen Ansichten und Meinungen und die stimmen oft nicht mit unseren eigenen überein. Soweit, so gut.
Wird es jedoch auffällig, dass du auf jeglichen Rat anderer gereizt reagierst oder ihm aus dem Weg gehst, solltest du auch hier dein Verhalten genauer unter die Lupe nehmen. Warum reagiere ich so? Was verbirgt sich dahinter?
Selbstlügen zu entlarven ist ein lebenslanger Prozess
Es ist nicht einfach, den inneren Pinocchio von der gemütlichen Couch in deinem Kopf aufzuscheuchen und rauszuwerfen. Er wird sich immer wieder anschleichen und versuchen, sich einzunisten. Deswegen braucht es Geduld und Ausdauer, denn es ist ein fortlaufender Prozess, der niemals enden wird.
Aber es lohnt sich!
Sobald du die Wahrheit einlädst, wird das Vertrauen dir selbst gegenüber wachsen. Du entdeckst neue Seiten an dir und erkennst deine Grenzen. Das verleiht dir Stärke und Selbstbewusstsein, und jetzt sind wir mal ehrlich (zwinker, zwinker), wer wünscht sich das nicht?
Ich für meinen Teil habe Sherlock Holmes auf die Reise in mein Inneres geschickt und bin auf eine hochinteressante Tatsache gestoßen: Mir fällt es verdammt schwer, die Kontrolle abzugeben. Mein Ego will das Lenkrad immer schön fest umklammern.
Nur haut das leider nicht hin, wenn ich mich auf eine neue Person oder Situation einlassen muss. Es wird Zeit mich zu öffnen und einfach mal abzuwarten. Um diese neue und damit auch unheimliche Situation zu vermeiden, hat sich mein Ego den Wunsch verwehrt, diese Person besser kennenzulernen. Mein Pinocchio hat mal wieder Vollgas gegeben.
Wie gehst du mit Selbsttäuschung um? Verrate mir deine Tipps und Tricks! Ich freu mich auf deinen Kommentar.