Bye, bye Jivamukti: Warum Patrick Broome nach 15 Jahren seine Gurus verlässt

Er ist der bekannteste Yogalehrer der Republik: Seit acht Jahren unterrichtet Patrick Broome die deutsche Fußball Nationalmannschaft in Yoga, Jahrzehnte lang war er das deutsche Gesicht des Jivamukti Yoga und Hunderte von Yogaschülern und –lehrern bezeichnen ihn als ihren Guru.

Vor 15 Jahren brachte er Jivamukti Yoga aus New York nach Deutschland und löste damit einen wahren Hype aus. Seine Lehrer sind die Begründer dieser integralen Yogamethode, Sharon Gannon und David Life. Heute, 15 Jahre später geht er seinen eigenen Weg.

Erst einmal Glückwunsch, im Herbst eröffnest du ein neues Yogastudio in München. Erzähl uns davon!

Gerade sind wir noch mit dem Umbau beschäftigt, aber es wird ein kleines, feines, modernes Yogacenter in der Nähe des Odeonsplatzes sein. Gleich neben dem Literaturhaus in der Briennerstraße. Was den Namen angeht, sind wir uns noch nicht ganz sicher, aber wir lassen das Ganze erst einmal unter „Yoga für alle“ laufen.

Und, aufgeregt?

Ja. Ich war gerade in den Räumen und habe gesehen, wie weit die Bauarbeiten schon fortgeschritten sind und wie schön alles wird. Auch wenn es ein bisschen absurd klingt, das Center ist nach 15 Jahren das erste, das ich wirklich genauso mache und gestalte, wie ich es gerne haben möchte.

Das heißt, das neue Studio wird kein Jivamukti Yoga Center werden?

Nein, es ist für mich an der Zeit, weiterzugehen…

…und dich von deinen Gurus zu distanzieren?

„Guru“ ist meiner Meinung nach ein völlig überbewertetes Konzept im Yoga.

Viele Menschen suchen zu sehr nach einem Guru. Oft mit einen klischeehaften Bild im Kopf: Er soll möglichst exotisch aussehen, uns endlich das Leben erklären und uns vor allem von jeglicher Form des Leidens befreien. Eine schöne Wunschvorstellung, doch es wird nicht passieren. Ich hab sie mir alle angeschaut, in allen Formen, Farben und Gestalten.

Lange Zeit war ich sehr glücklich mit meinen beiden Lehrern, Sharon Gannon und David Life, die das Guru-Spiel gerne und in Perfektion spielen. Jetzt nach fast 20 Jahren kam der Punkt, an dem ich bei den beiden nicht mehr finde, was ich suche.

Ich brauche Menschen um mich herum, mit denen ich mich auf einer zwischenmenschlichen Ebene austauschen kann. Menschen, die andere genau so annehmen, wie sie sind. Dort kann ich wachsen, lernen und heilen.

Und trotzdem: Du bist der Mann, der Jivamukti Yoga nach Deutschland gebracht hat. Wie bist du eigentlich bei Sharon und David gelandet?

Das war 1995. Im Sivananda Yoga Zentrum in München fiel mir ein amerikanisches Yoga Journal in die Hände. Darin war ein Bericht über Sharon und David und ich dachte: „Geil, Siouxsie from the Banshees und Iggy Pop haben ein Yogacenter. Diese Lehrer sind aus dem echten Leben, da muss ich hin.“ Ich hoffte, das zu finden, was mir zuhause in München fehlte: Yogalehrer ohne Heiligenschein.

Als ich Sharon und David dann kennenlernte, war ich total begeistert. Sie waren unglaublich offen, provokativ und revolutionär. Die Asanas überforderten mich, es lief eine Mischung aus Punk und Hip Hop im Hintergrund und dazu die Straßengeräusche von New York. Das war unglaublich toll. Ich wollte von Ihnen lernen und blieb ein Jahr lang in New York.

Allerdings merkte ich schnell, dass hinter den Kulissen nicht alles so lief, wie es mir vorgestellt hatte. Es gab komische Dynamiken, die um die zwei Gurus herum immer wieder entstanden. Als ich am  Teacher Training teilnahm, haben von 50 Schülern nur 14 die Ausbildung beendet. Trotzdem fand ich die Methode großartig. Außerdem hatte ich das Glück, eine sehr enge Verbindung mit den beiden zu haben, so dass ich sehen konnte, dass das, was um sie herum passierte, gar nicht so gewollt war.

Jivamukti Yoga

Meine Lösung war simpel: Ich musste den Ozean zwischen Sharon, David und mich bringen. So konnten sie meine Lehrer sein und ich konnte trotzdem mein eigenes Ding machen.

Dass dieses Ding so groß werden würde, hätte ich allerdings nicht gedacht. Um mich herum ist eigentlich das Gleiche entstanden, wie in New York. Auch hier gibt es Glaubenskriege, Feindschaften und Streit. Damit möchte ich mich nicht mehr identifizieren. Deshalb verlasse ich jetzt dieses Spielfeld und mache einfach was Neues.

„Find the guru, love the guru, kill the guru“ – sagt ein indisches Sprichwort. Ist das Verlassen des Gurus überhaupt in Frieden möglich?

Ich weiß es nicht. Bis jetzt haben Sharon und David noch nicht reagiert. In den nächsten Tagen werden die Teacher Trainings und Immersions für das nächste Jahr geplant. Ich werde definitiv nicht mehr dabei sein. Das System ist mir zu eng geworden und der Freiheitsdrang in mir sagt: Jetzt reicht’s.

Jivamukti Yoga wird immer ein Teil von mir bleiben. Sharon und David sind die Lehrer von denen ich am meisten gelernt habe  und dafür werde ich ihnen immer dankbar sein.

Wie würdest du deinen Yogastil beschreiben bzw. was bedeutet Yoga für dich?

Um es von Jivamukti Yoga abzugrenzen: Ich strebe nicht nach einer Jenseitsbefreiung. Das ursprüngliche Konzept des Yoga ist ja „lebendig befreit im Jetzt“. Im Jivamukti Yoga wurde der Fokus aber stark auf das Leid auf diesem Planeten gelegt, besonders auf das Leid der Tiere. Jetzt scheint alles schlecht und irgendwann wird vielleicht dann alles besser. Doch mich interessiert kein Irgendwann. Mich interessiert das Konzept der Freiheit jetzt. Und darin sehe ich einen radikalen Bruch zum dem, wo sich Jivamukti Yoga meines Erachtens hinentwickelt hat.

In meinem Verständnis ist meine Methode eine Art Old School Jivamukti Yoga mit Elementen aus dem Yin Yoga: Die erste Hälfte der Klasse soll vom Jivamukti Stil dominiert werden. Von intensiven Sonnengrüßen und kraftvollen stehenden Haltungen. So kommt man aus dem Denken raus und rein in den Körper. Diese Energie möchte ich dann aber nicht bis kurz vor Schluss weiterführen, sondern in lang gehaltenen Stellungen nutzen, um den Schülern und Schülerinnen ein Beobachten ihrer eigenen Psyche, ein Aushalten und ein Loslassen, zu ermöglichen. Ganz nach dem Motto: „Observe it, don’t fix it.“

Was willst du den Schülern und Schülerinnen mit auf den Weg geben?

Ich wünsche mir, dass sie gestärkt aus meinem Unterricht rausgehen und dass sie ein bisschen was über sich selbst erfahren haben. Dass sie Mut entwickeln, ein bisschen mehr so zu sein, wie sie sein wollen.

Was macht einen guten Lehrer aus?

Authentizität. Also nicht Technik, sondern Ehrlichkeit. Ein richtig guter Lehrer ist für mich jemand, der nur lehrt, was er selbst erfahren hat. In diesem Zusammenhang finde ich das Erleuchtungskonzept, auf das im Jivamukti Yoga so viel Wert gelegt wird, fragwürdig. Für mich hat es keiner, der Jivamukti Yoga lehrt, wirklich erlebt.

Wie wird deine Yogareise weitergehen?

Ähnlich wie bisher. Für mich werde ich weiterhin das üben, was passt. Mal körperlich intensiver, mal sanfter. Ich werde verschiedene Elemente in die Yogapraxis einbauen. Egal, ob sie aus dem Fitness, der Akrobatik oder einer psychotherapeutischen Selbsterfahrungsgruppe kommen. Alles, was funktioniert, hat sein Recht.

Ausbildungen werde ich erst einmal nicht leiten, dafür Weiterbildungen. Es gibt genug Yogalehrer, um die man sich kümmern sollte.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für deine neuen Projekte. Wir freuen uns schon auf die erste Yogaklasse in deinem neuen Studio.

Das Center eröffnet im September oder im Oktober am Amiraplatz 3. Wir halten dich auf dem Laufenden! Wer jetzt schon mit Patrick üben möchte, checkt den Stundenplan seines Centers in der Schellingstraße in München. Nicht-Münchner erfahren dort auch, wo Patrick Workshops und Retreats gibt.

17 Kommentare / Schreibe einen Kommentar

  1. Erst einmal möchte ich Patrick aus tiefem Herzen für seinen Mut und sein Werk danken. er ist seit Jahren ein großes Vorbild, ohne dass er sich in irgendeiner Form erhöht hätte. Er lebt Yoga pur, den ständigen Wandel….Höhen und Tiefen….er lebt mehr und mehr in Wahrhaftigkeit,
    Dann würde ich gerne wissen, wer sich hinter dem Pseudonym INTERESSANT verbirgt. Wer Kritik äußert ,die ja auch berechtigt sein kann, sollte mit seinem Namen, seiner Person dazu stehen oder schweigen.
    Danke für die Macher dieses Blogs. sehr cool

  2. Im Jahr 2000 haben zusammen mit Dr. Broome nachweislich 33 Schüler von Sharon Gannon und David Life das Jivamukti Teacher Training erfolgreich beendet und nicht nur 14, wie Dr. Broome behauptet. Soviel zum Wahrheitsgehalt der in diesem Interview in den Raum gestellten „Fakten“. Fadenscheinig auch die Kritik eines Mannes, der seinen Ruf in Deutschland in den letzen 5+ Jahren maßgeblich darauf aufgebaut hat, dass er sich von den populären Medien des Landes rauf und runter als „Yoga Guru der Nationalmannschaft“ hypen lassen hat (Bedenke: Fast alle solche Interviews, Sendungen etc. werden vorab von der betreffenden Person freigegeben). Offenbar ist hier mal wieder ein „Yoga-Star“ in seinem Ego gekränkt und zwar weil er nicht mehr der einzige deutsche Jivamukti Lehrer ist, der Jivamukti Yoga Teacher Trainings unterrichten darf (auch ein nachweislicher Fakt). Und so dreht Dr. Broome sich nun seine Story zurecht. Traurig: Der Mann, der die „komischen Dynamiken“, die sich um Sharon und David angeblich entwickelt hätten, moniert, war und ist in Wahrheit einer der Hauptfadenzieher dieser Dynamiken. Auch das jetzige dramatische Verlassen seiner „Gurus“ ist im Grunde nur eine weitere Ausprägung dieser von ihm maßgeblich mit-initiierten „komischen Dynamiken“. Gut also, dass er geht. Ein komischer Dynamiker weniger.

    Das sagte Dr. Broome übrigens im Jahr 2012 noch zum Thema „Lehrer verlassen“:

    Patrick Broome, können Yoga-Lehrer zu extreme Postionen vertreten und dann ihre Schüler einbüßen?

    Patrick Broome: Das gibt es, dass Lehrer sich zurückziehen von ihren Schülern oder dass sie einen Schritt in ihrer Entwicklung machen und plötzlich Sachen unterrichten, die nicht jeder Schüler hören will. Sodass dann Schüler wegbleiben und sagen, der redet ja nur noch dies oder das… und dann können Lehrer auch ganz aus dem Geschäft herausfallen. Das sind dann allerdings meistens die Lehrer, die mich wieder interessieren und die ich dann aufsuche. Weil sie bereit sind tiefer zu gehen als das rein Körperliche, das gerade so populär ist.

  3. Lieber Patrick,
    Endlich … Ich freue mich so dass Yoga frei wird von Dogmen und Gurus. Gurus fand ich immer irgendwie suspekt. Aber deine Stunden haben mich immer berührt und getragen. Ich freue mich so sehr auf das neue Studio. Jetzt komme ich noch lieber :-)

  4. Danke Patrick, für dieses Interview. Das rückt vieles wieder gerade. Alles Gute für den neuen, eigenen Weg. Vielleicht bin ich irgendwann mal in München und schau vorbei.
    Alles Liebe, Birte

  5. Dear Patrick, I am so happy that you had the courage, integrity and authenticity to follow your heart. I have always believed that the whole point of our practice and our philosophy was to be accepting of everyone, to UNITE, not create more divisions, as seems to be the case with many in the yoga community trying to carve out their piece of the yoga pie.

    To me, the strong focus on Ahimsa in the Jivamukti community has always been at odds with the dogma and exclusivity that is actually practiced. When you separate yourself from others because their beliefs do not correspond to yours, then you are not practicing non-harming. Just the opposite – you become an extremist.

    Patrick, my friend, I wish you all the success, inspiration, joy and FREEDOM in the world in your new venture. I look forward to seeing you back in Berlin someday, or stopping by the studio should I be in Munich.

    Love and light,
    Adam (Spirit Yoga)

    p.s. Brian says hi :)

  6. Interessantes Interview – vielen Dank dafür!
    Im Café des Literaturhauses hab ich erst kürzlich gesessen und mir gedacht, was für ein schönes Eckchen von München das eigentlich ist. Hoffentlich komme ich bald einmal wieder hin und darf einen Blick ins neue Studio werfen. Freue mich schon darauf! :)

  7. Danke für diesen tollen Artikel, liebes FLGH-Team!

    Diese offenen und ehrlichen Worte von Patrick kommen gerade zur richtigen Zeit.
    Sie berühren und machen Mut. Und bestärken darin, seinen eigenen (Yoga-)Weg zu gehen.
    Im JETZT zu leben und hinzuspüren, was für einen selbst das Richtige ist.

    Ich wünsche Dir, lieber Patrick, viel Freude und Erfüllung mit deinem neuen Projekt.
    Ich lasse mich ab Oktober gerne in eine Yogalehrer-Fortbildung entführen…

    Auf bald.
    Take care!
    Alles Liebe, Nadja

  8. Alles Gute Patrick Broome – schönes Bekenntnis und tolle Philosophie. Gerade in den letzten Tagen dachte ich mir schon, dass immer mehr Menschen die Yogalehrerausbildung machen, doch den Spirit weder intus haben, noch so weitergeben. Ein Gedanke der fast schon auf Abzocke rausläuft. Eine neue arogante Szene ist gewachsen. Finde es toll, dass jemand Bekannter in der Szene so manches aufzeigt und seinen Weg geht, es werden sicher viele Folgen, es ist Zeit -Weg vom Götzentum hin zum wahren Frieden, danke!

  9. Lieber Patrick,
    herzlichen Glückwunsch zu diesem mutigen Schritt und zu deinen neuen Entscheidungen. Ich habe dich bei einer Immersion in Stuttgart kennengelernt und bin von Dir und Deinem Unterricht sehr begeistert.

    Du sprichst mir aus der Seele in Deinem Interview. Authentizität, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit – das ist mir im Alltag und in meinem Yoga Unterricht wichtig. Weniger auf meinen inneren Kritiker zu hören, meine inneren und äußeren Grenzen akzeptieren, damit ich in Friede und Freude leben und diese Aspekte mit Begeisterung, Liebe und Mitgefühl weitergeben kann – und zwar im Hier und Jetzt. Das ist mir wichtig.
    Alles Liebe Namaste
    Karin

  10. Endlich ein „bekannter“ Lehrer der das sagt was sich viele von uns „unbekannten“ Yogalehrern denkt. Meine Rede seit Jahren! Gurus sind überbewertet und Yoga als ist kein Dogmatismus!! Genauso wird es in den Teacher Trainings gelehrt, nur was die verschiedenen „Yogastile“ und Richtungen daraus machen ist genau das GEGENTEIL. Es gibt NUR Yoga, keine Stile, Richtungen oder sonst was. Kein RICHTIG und FALSCH, Yoga ist, im HIER und JETZT so einfach, so simple…. DANKE Patrick und danke für dieses tolle Interview.

  11. Wow,
    toller Artikel und ich kann das voll verstehen!
    Ich bin gespannt, wie es weitergeht.

    Es ist so wichtig sein eigenes Ding zu machen, wenn man den Ruf des Herzens hört.

    Leider hab ich es bis jetzt nicht geschafft in eine seiner Klassen zu gehen, aber nach meinem Bikram Teacher Training im September werde ich es auf jeden Fall tun.

    Danke für das schöne Interview und die wunderbare Inspiration am Morgen.

    Alles Liebe
    Marcia

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