„Wer bin ich?“ Ein Gespräch über Brahman mit Bernd Kolb

Im Vorraum zur Ausstellung ‚Brahman‘ in der Berliner Malzfabrik brennt sanftes Licht und Kerzenschein. Der Geruch von Weihrauch liegt in der Luft. „Aham Brahmasmi“ – steht auf einem Banner. Die Sanskrit-Worte aus den uralten vedischen Schriften bedeuten übersetzt: „Ich bin Brahman. Ich bin das Universum. Ich bin Gott.“ Ich kenne sie aus Yogaphilosophie-Büchern. Aus Meditationen von Deepak Chopra. Beim Talk eines Ex-Telekom-Managers hätte ich sie weniger erwartet.

Zumal im Publikum auch nicht nur die üblichen Verdächtigen aus der Eso-Szene zu finden sind. Dann betritt Bernd Kolb den Raum und setzt sich auf einem Sessel vor seinen Zuhörern. Mit seinem Bart und seinen grauen langen Haaren wirkt er ein bisschen Guru-like.

Als ich ihn später spaßeshalber darauf hinweise, sagt er: „Nein, als Guru will ich wirklich nicht gesehen werden. Es geht nicht um mich. Ich möchte die Menschen einfach nur dazu inspirieren, sich an ihr wahres Selbst zu erinnern.“ Die Inspiration liefert Kolb mit seinen Talks, in seiner Ausstellung und seinem Fotobuch mit Porträts von verschiedenen Menschen auf der höchsten Ebene des Bewusstseins und einer Technik des Yoga, die Patanjali schon im Yogasutra pries.

Auf der Suche nach der Seele gibt es verschiedene Wege. Patanjali nennt sie die acht Stufen des Yoga. Die sechste Stufe ist Dharana, die bewusste Konzentration. In Dharana richtet der Übende seinen Geist auf einen Gegenstand aus (Yogasutra 3.1). Das kann ein Punkt im Körper sein, ein Mantra, die Atmung, ein Gegenstand oder etwas Transzendentales. „Dharana, Dhyana und Samadhi führen den Yogi in die innersten Tiefen seiner Seele.

Der Yogi blickt nicht zum Himmel auf, um Gott zu finden. Er weiß, dass Gott in ihm ist als Antaratma, das innere Selbst. Der Seher, die Sicht und das Sehen haben keine voneinander getrennte Existenz mehr“, so beschreibt Yogameister Iyengar diese Praxis in seinem Buch ‚Licht auf Yoga’.

Bernd, Deine erste Ausstellung und dein erstes Fotobuch hießen Atman. Jetzt hast Du den Namen ‚Brahman’ gewählt. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Brahman ist ein Begriff aus den indischen Veden, der ältesten dokumentierten Weisheitslehre der Menschheit. Entstanden als Antwort auf die Frage ‚Wer oder was sind wir eigentlich’ beschreibt er den Urgrund allen Seins. Max Planck, der Urvater der Quantenphysik beschrieb es so: Es gibt keine Materie an sich. Es gibt im Grunde nur einen lebendigen Geist, der in allem ist. Brahaman umfasst alles Lebendige, die unendliche, unveränderliche und unteilbare Weltseele. Alles was ist, entsteht aus ihm.

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Also auch du und ich?

Ja. Alles, was lebt. Also auch du und ich. Wir alle können die Erfahrung machen, dass wir mit diesem unendlichen Ozean des Brahman verbunden sind. Egal, wie alt wir sind, wo wir herkommen oder wie lange wir schon Yoga oder andere Wege der Erkenntnis gehen. Wir alle können uns, wenn wir uns bewusst darauf ausrichten, unsere wahre Natur erkennen.

Dass es da etwas Unsichtbares gibt, was das gesamte Universum durchdringt, macht Sinn. Aber dass diese Energie auch in mir und allen anderen Menschen ist, wie kann ich das glauben?

Das sollst Du gar nicht einfach nur glauben, Brahman kann nicht über den Verstand erfasst werden. Nicht über das Ego. Mit Logik kommt man da nicht weiter. Darauf haben die Rishis in den Veden immer wieder hingewiesen: Brahman ist eine Erfahrung. Eine Selbsterfahrung, die auf ganz unterschiedlichen Wegen erreicht werden kann. Yoga, Meditation, Atmen – es gibt so viele unterschiedliche Wege. Doch egal welchen Weg wir wählen: Brahman ist immer eine Erfahrung im Innern.

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Hast Du diese Erfahrung gemacht?

Ja, ich habe mehrfach diese tiefe Erfahrung machen dürfen, dass es jenseits des gedanklichen ein Sein gibt, dass man mit Worten nicht beschreiben kann. Deshalb spreche ich bei meinen Talks auch nicht über die Art und Qualität der Erfahrung. Ich möchte einfach die Tradition der Veden fortsetzen, nämlich eine Inspiration sein. Ich möchte die Menschen neugierig darauf machen, sie ermutigen, dass sie ihre eigene Erfahrung machen.

Du lässt Menschen schweigend durch deine Ausstellung gehen und dann mehrere Minuten auf deine Porträts schauen. Hast Du diese Technik bewusst gewählt?

Das ganze Werk ATMAN und BRAHMAN ist sehr absichtslos auf dem Weg den ich gegangen bin entstanden. Und war ein Experiment an das ich selbst lange nicht geglaubt habe. Ich bin der Idee gefolgt, dass man im Dialog mit einem anderen Menschen eine Bewusstseinsebene erreichen kann auf der sich die Grenzen zwischen Dir und mir aufheben und wir unsere Formlosigkeit erfahren können. Eine metaphysische Verbindung in der sich das Physische auflöst.

So einen intensiven zwischenmenschlichen Kontakt habe ich irgendwann einmal festgehalten. Als ich die Bilder dann irgendwann mal Menschen gezeigt habe, habe ich ein unglaubliches Feedback bekommen. Ich habe gemerkt, dass diese Bilder was mit den Menschen machen, wenn sie sich darauf einlassen können.

„Kolbs Bilder erinnern uns an dieses unbegreifliche Einssein. Sie rufen wach, was wir vergessen haben.“ Dr. Ralph Skuban

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Also es ist nicht damit getan, einen flüchtigen Blick auf die Porträts zu werfen?

Nein, um eine gewisse Erfahrung zu machen, sollte man sich auf jeden Fall ein paar Minuten Zeit nehmen. Und sich wirklich auf einen inneren Dialog mit dem Bild einlassen. Das funktioniert übrigens mit dem Bildband zuhause genauso gut wie wenn man die Ausstellung besucht.

Warum ist es eigentlich erstrebenswert so eine Einheitserfahrung zu machen?

Erkenntnis ist für mich viel mehr als ein Privatvergnügen auf der Suche nach individuellem Glück. Es geht dabei um die Zukunft unseres Planeten. Die Menschheit ist auf eine tiefe Stufe des Bewusstseins abgerutscht. Unser Leben ist extrem individualisiert. Es geht vor allem um Selbstoptimierung: Wir wollen im Laufe unseres Lebens das Maximale für uns herausholen.

Was ist daran falsch?

Es geht nicht um richtig oder falsch. Fakt ist: Unsere individualisierte Lebensweise hat dazu geführt, dass wir das große Ganze aus den Augen verloren haben und unser Planet in seinem aktuellen Zustand ist. Wir stehen an einem Scheideweg: Wir können die Ressourcen der Erde nicht mehr lange so ausbeuten, wie wir es momentan tun. Deshalb ist es unser aller gesamtgesellschaftliche Verantwortung, dass wir uns daran erinnern, dass wir keine getrennten Wesen, das wir untrennbarer Teil der Natur sind.

Was wird sich denn verändern, wenn wir diese Erkenntnis gemacht haben?

Wenn wir aus einer inneren Wahrheit heraus handeln, dann tun wir das Richtige. Dann gehen wir nachhaltiger mit uns und unserer Umwelt um, denn wir haben erkannt, dass wir zusammengehören. Die Erfahrung diese All-Verbundenheit fördert das vielleicht größte Potenzial des Menschen zutage: das Mitgefühl.

„So beginne ich mit diesem Werk zu begreifen, was Menschsein wirklich bedeutet. Nicht das, was wir aus uns machen und wonach wir streben, sondern das, was wir alle in unserem Innersten längst schon sind.“ Professor Gerald Hüther

Danke für das Gespräch, Bernd.

Wenn dich die Ausstellung und Bernd Kolb interessieren: Am Freitag, 17. November, gibt er den letzten Talk in der Berliner Malzfabrik mit anschließender Führung durch die Ausstellung.

Am Samstag, 18. November gibt es ein Gong-Konzert: „Nada Brahma- The world is sound.“

Die Brahman-Ausstellung könnt ihr noch bis zum 17. Dezember in der Berliner Malzfabrik besuchen.

Bilder: Bernd Kolb

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