Trend-Talk: Bye Bye, Yogamanie. Hello Schamanismus

Vor einigen Jahren kam meine Freundin Ana mit einer neuen Entdeckung um die Ecke, bei der ich aufhorchte. Ich horchte auf, weil meine Wassermann-Freundin mit einem besonderen Gespür für neue Trends gesegnet ist.

Dennoch: bevor Ana’s besagte Entdeckung also zum Trend wurde, reagierten wir, ihr Umfeld, wie gewohnt skeptisch auf ihre neue Flause. Man habe doch schon allerhand Negatives gehört von den Schamanen. Dass man sie oft als Scharlatane abtue, und nicht ohne Grund! Sie solle sich vorsehen mit ihren wilden Entdeckungen!

Ich versuchte zu vermitteln: man solle doch Vertrauen haben, dass sie auf dem richtigen Weg sei. Sie bitte machen lassen. Dass sie nicht ohne Grund zu dem Indianer-Treffen in Österreich gefahren sei und dort den heißen Tipp bekommen habe über Udo, den Schamanen aus dem bayerischen Voralpenland.

Fortan hatte sie immer getrockneten Salbei dabei. Für den Tee, zum Essen, zum Räuchern, zur Dekoration. Sie roch eigentlich nur noch nach Salbei und wusch ihre Haare seltener. Das städtische Leben gefiel ihr nicht mehr, sie zog in einen Bauwagen und versuchte sich im Gärtnern, verbrachte ihre Wochenenden in Schwitzhütten und bei den Heilseminaren, die Udo, der Schamane, veranstaltete.

Ob es nicht an der Zeit wäre zu überprüfen, ob sie wirklich in guten Händen sei? Tolle Geschichten erzähle sie ja, zufriedener wirke sie auch irgendwie, und ruhiger. Unsere andere Freundin ließ sich erst überreden, dann sogar begeistern. Beide begannen die Ausbildung zur Schamanin, denn ihre Seelen dürsteten nach mehr Wissen um Selbstheilung.

Immer wieder horchte ich auf, als sich auch andere auf den Weg ins Voralpenland machten. Bald waren wirklich viele meiner Freunde unter den tapfer an sich Arbeitenden. Es einte uns alle der Drang nach Befreiung und der Erfahrung von Selbstliebe.

Aber auch die Liebe zur Kunst, dem hippen Leben, der Selbsthass und die destruktiven Verhaltensmuster. Interessanter Weise aber waren dem Schamanismus eher diejenigen zugetragen, die ich für Yoga noch nicht so wirklich begeistern konnte. Meine Yogafreunde hingegen hatten ja ihr Yoga.

So auch ich! Ich wurde oft gebeten, Udo mal kennenzulernen. Wann ich mich denn nun endlich auch traue. Ich verneinte und beharrte auf meinen Weg, der über Indien und Astrologie führte, über Gurus und Sadhus, Räucherstäbchen und Saris. Bei aller Freundschaft fuchste mich deren Fortschritt in der Selbstliebe dennoch. War doch immer ich diejenige gewesen, die die Heiligkeit des Wesens und den spirituellen Weg gepriesen und andere dazu aufgemuntert hatte, sich ihre Problemchen mal genauer anzusehen.

Yoga ade hallo schamanismus
Die Autorin zwischen zwei Welten

Ja, ich hatte Yoga.

Mein spiritueller Lehrer und Begleiter der letzten Jahre, immer zuverlässig zur Stelle, wenn es im Leben ungemütlich wurde. Wenn ich Mantras hörte, war ich zuhause. Wenn ich meinen Guru Sri Balasai Baba in Indien besuchte, erst recht. Auch meine Yogaszene in München und Berlin schien sich kontinuierlich fortzubilden und „fachkundiger“ zu werden.

Und dennoch bemerkte ich einen generellen Wandel in der Szene, angeführt vom Missmut über die Verwässerung des Yoga aufgrund der Kommerzialisierung und des immer stärker durchscheinenden Fitnessgedanken.

Zuerst bemerkte ich die Veränderung auf Facebook (vor allem auf amerikanischer Seite), dann in LA. Kalifornien ist noch sehr reich an Wissen um die Native Americans und die spirituelle Szene fühlte sich für mich sehr eklektisch an. Manche Hatha-Yoga-Klassen wurden mit schamanischen Ritualen untermalt, immer mehr Voll- oder Neumond-Zirkel auch in hippen Studios angeboten. Auch hier wurde mehr mit Salbei geräuchert als Goloka-Räuchstäbchen angezündet und sogar auf der Sivananda Yoga Ranch im Bundesstaat New York wurden neuerdings Schwitzhütten abgehalten.

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Die Seele rein räuchern.

Der Wandel der Szene in den USA schwappte bald nach Deutschland.

Nun hörte man vereinzelt von Yogalehrern, die den beschwerlichen Weg nach Peru auf sich genommen und dort mit indigenen Schamanen „wahre Heilarbeit“ geleistet hatten.

Und zwar durch die Hilfe von Ayahuasca.

Das dunkelbraune, übelschmeckende Gebräu aus einer Liane und DMT-haltigen Blättern aktiviert das Unterbewusstsein und führt einem so die eigenen Themen wie auf einer großen Leinwand vor. Obwohl hier von unvergesslichen und oft heftigen Trips berichtet wird, leuchtet das Wort Heilung in den Augen nahezu aller, die sich öffentlich über ihre Erfahrungen mit dem Gebräu aussprechen.

Welch erfolgsversprechende Mischung für einen neuen Hipster-Trend!

Es wurde ein Artikel laut über regelrechte Ayahuasca-Orgien in Brooklyner Turnhallen (wo es glücklicherweise an Kotzeimern nicht mangelte) und auch mein Interview über Ayahuasca mit dem Ashtanga-Yogalehrer Binh Le klang wieder in meinen Ohren nach. In Ländern wie Peru, Equador, Brasilien und Bolivien ist ein regelrechter Heiltourismus entstanden, der sogar von Westlern neu gebaute Zentren entstehen lässt.

Behörden (und wohl auch im Besonderen die Pharmaindustrie) sind alarmiert, denn der Konsum der Pflanze breitet sich rasant weltweit aus, ohne Regulierungen. Lianen und die Blätter werden beim Urwaldaufenthalt geerntet, mit nach Hause genommen und dann von oft nicht besonders reif ausgebildeten Schamanen nachgekocht – obwohl Ayahuasca hierzulande unter das Betäubungsmittelgesetz fällt.

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Die Pflanze ruft, wenn sie durch einen wirken möchte.

Im Amazonas Regenwald wird häufig nach den reichen Touristen und ihrem Geld gegiert und so stehen selbst gut ausgebildete Schamanen immer häufiger unter Beobachtung. Die World Ayahuasca Conference veranstaltet jährliche Diskussionen zum Erhalt und Schutz der heiligen, heilenden Pflanzengöttin und bemüht sich Aufklärung – nicht zuletzt, um damit für eine weitere Legalisierung einzutreten. Im Volksmund sagt man sich, dass einen „die Pflanze rufe, wenn sie durch einen wirken möchte“. Ihre momentane Popularität sei ein direkter Spiegel für unsere sich in einem wandelndem Bewusstsein befindenden Welt, die offen ist für die Heilkraft von Ayahuasca und dringend nach ihr dürstet, um uns und Pachamama, unsere liebe Mutter Erde, zu heilen. 

Heilung bestimmt die Regeln, so lautet das oberste Gebot im Schamanismus. Ein Ansatz, der mir im Yoga irgendwie in den letzten Jahren etwas zu kurz gekommen ist.

Yogatherapie wird bekannter, das stimmt, allerdings geht der Grundsatz der Heilung im Mainstream etwas verloren. Für mich fühlt es sich im Moment so an, als habe die Yogawelt etwas an Glanz verloren.

Ich rede nun nicht von der schönen Praxis, mit der wir uns zuhause fühlen, den Mantren, Schriften, tollen Lehrern, dem alten Wissen.

Ich rede davon, dass wir’s übertrieben haben, nachdem wir uns diesen Lifestyle übergestreift hatten. Wir haben uns zu oft unter Druck gesetzt oder andere zu oft dafür gerügt, nicht „yogisch“ genug zu sein. Das Yoga nicht dies ist und nicht das, aber das Yoga das ist, und das. Dabei immer schön erhoben mit dem Zeigefinger-Mudra gewackelt, wenn jemand mal Fleisch aß oder an einer Zigarette zog.

Zugelassen, dass unpoppige Stile irgendwie belächelt und poppige Stile übergehypt werden. Dass sich gut ausgebildete Lehrer überlegen, noch eine Zusatzausbildung bei einer poppigen Stilrichtung abzusolvieren, um für ihre Schüler glaubhafter zu wirken. Dass  Räucherstäbchen aus den Studios verbannt wurden, weil viele Schüler keine Lust auf Eso haben (!!!) Ja, dieses Wissen schmerzt mir im Herzen. Große Yogamodelabel kopieren ungefragt Designs von kleinen Herzensfirmen oder unterstützen große Massenevents und waschen so ihre Westen rein.

Und so haben irgendwie viele alte Hasen aufgehört, sich gegen diesen Verfall aufzuregen, räumen das Feld für Selbstdarsteller und machen ihr eigenes Ding.

Oder machen sich weiter auf die Suche und lassen nun auch andere Einflüsse in ihre Praxis fließen, um noch ganzheitlicher zu handeln und heilen.

Veränderungen lassen sich ja oftmals schnell im Außen sehen und so beobachte ich immer mehr, wie Inka-Muster, Ponchos, und Ahnenschmuck die neuen Paisyleymuster, Yogaleggings und Malas werden. Wie das Harmonium nun durch Trommeln ersetzt wird und die Bansuri durch Pan-Flöten. Beliebte Bücher wie „Die Prophezeiung von Celestine“ werden wieder herausgekramt (auf YouTube findest du auch die Verfilmung, kommt aber nicht im Geringsten an das Buch), das indianische Sternzeichen nachgeschlagen, Krafttiere gegoogelt, Traumfänger gebastelt, Drumcirlces und Neumond-Zirkeln beigewohnt. Statt Räucherstäbchen werden Salbei und Palo Santo angezündet und ein Interesse für die hiesigen Heilpflanzen wächst wieder. Auch Festivals werden ganzheitlicher, wie zum Beispiel das Agape Zoe Festival, das verschiedene Richtungen der Heilkunst vorstellt.

Und wie können wir nun die Beziehung zum Yoga deuten?

Yoga hat uns uns selbst und dem Göttlichen näher gebracht. Hat seinem Namen alle Ehre gemacht und uns verbunden. Mit dem Höheren, und, wenn wir es zulassen wollen, mit unserem Nächsten. Wir haben gelernt ruhig zu werden und nach innen zu schauen.

Yoga hat uns unserem Inneren und dem Göttlichen näher gebracht. Mit dem Schamanismus können wir uns dieses Innere nun genau ansehen.

Was da ist und warum. Und wie wir es vielleicht besser loslassen können. Außerdem hilft es uns, eine noch tiefere Verbindung zur Natur aufzubauen und uns um diese welche zu kümmern, die uns ein Zuhause bietet und auf irdischen Gefilden zu beschützen versucht: Mutter Erde, Pachamama.

Unser spirituelles Streben kann so ganzheitlicher, weicher und heilsamer werden.

Ich persönlich werde den Glauben an Yoga nie verlieren und weiss, das es immer bestehen wird. Ich werde auch weiterhin nach Indien reisen und Mantren singen, meine heissgeliebte Nintaanzi-Mala tragen und auch mit ihr rezitieren. Ich werde zu AMMA’s Satsang gehen und neben der Heilung weiterhin Erleuchtung anstreben. Aber, ich spreize meine Flügel auch gen Lateinamerika und hoffe, dass ich bis zur eigentlichen Reise meine Spinnenphobie ablegen kann (obwohl man im Schamanismus sagt, die Begegnung mit einer Spinne mache auf schicksalshafte Verbindungen und dunkle Ecken der Seele aufmerksam).

Ob ich mittlerweile bei Udo war?

Ja, war ich. Und ich bin froh, diesen Schritt gewagt zu haben, um meiner Seele zu helfen, sich noch großflächiger zu entfalten. Das mit der Selbstliebe habe ich nun verstanden. Es war aufregend, neu, ungewohnt, angsteinflößend, schmerzhaft und heilsam, aber davon schreibe ich euch vielleicht ein anderes Mal. 

Aho.

Eure Laura

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5 Kommentare / Schreibe einen Kommentar

  1. Ich geb zu, als ich Aya im Titel gelesen habe, war ich auf das schlimmste gefasst. Aber Du hast das wunderschön auf den Punkt gebracht, liebe Laura. Unsere Entfaltung wird ganzheitlicher und heilsamer. Schamanismus und Yoga ergänzen sich für mich auf ganz wundervolle Weise.
    Was mir momentan am „westlichen“ Yogakult nur wahnsinnig aufstößt, sind selbsternannte Gurus… Die braucht niemand mehr, wenn er Sie an seiner Seite hat…
    Alles Liebe und danke noch mal für diesen tollen, differenzierten und ehrlichen Beitrag!
    Andrea

  2. Witzig, dass dieser Trend gerade so aufkommt. Ich hatte sogar das Gefühl, dass Yoga gerade wieder trendiger wird. Aber vielleicht auch nur weil es für mich gerade eine große Rolle spielt durch die Yoga Lehrer Ausbildung. Ich weiß nicht ob man spirituelle Erlebnisse, Erfahrungen, Ansichten miteinander vergleichen kann oder soll. Denn alles hat eine Daseinsberechtigung.

    Von Ayahuasca habe ich übrigens schon vor ca 15 Jahren im Buch ‚Luzifers Lichtgarten‘ gelesen. Spannende Sache. Ich glaube also wenn man Interesse an solchen (spirituellen) Themen hat kann man ruhig open minded bleiben für verschiedene Arten. :)

    LG, Christine

    1. Ich schreib auch mal wieder was hier rein, auch weil ich gerade Christines Kommentar gefunden hab (Hallo Christine :) )

      Als ich im Artikel diese Zitat las: „Yoga hat uns unserem Innern und dem Göttlichen näher gebracht, mit dem Schamanismus können wir uns dieses Innere nun genau ansehen“, dachte ich mir: na super, jetzt bist du völlig raus, Robbi! Wenn Du irgendwas erreichen willst, dann mach erst mal ordentlich Yoga und dann gehts zum Schamanen…
      Puh… ganz schön anstrengend für Einen wie mich ;)
      Mich begeistern z.B. Rupert Spira oder Eckhart Tolle, und da gibt es eigentlich nichts zu tun, außer hier zu sein. Ich glaube auch nicht, dass ich irgendetwas für meine Seele tun müsste, oder überhaupt tun könnte, weil sie z.B. nach etwas dürstet (wie oben gelesen). Ich glaube, dass Seele etwas ur-ur-altes und Vollkommenes ist, das schon immer war und immer sein wird… was könnte ich kleines Lichtchen denn diesem Großen noch hinzufügen, außer möglichst wach zu sein, damit Es sich die Welt durch meine Augen (und alle Sinne) anschauen kann? Ich glaube das kriege ich ganz gut hin, auch ohne Yoga oder Schamanismus :)
      Ich wünsche euch allen viel Freude auf euren Wegen!
      LG
      Robbi

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