Yoga Nidra ist eine Praxis, bei der der Körper vollkommen ruht, der Geist jedoch aktiv bleibt. Der Yogastil wird unter Kenner*innen längst als der wahre Schatz des Yoga gehandelt. Dabei ist die höchste Form der Tiefenentspannung aufgrund seiner Unscheinbarkeit nach wie vor ziemlich unterschätzt. Hier erfährst du alles über den Schlaf der Yogis.
Was ist Yoga Nidra?
Yoga Nidra ist als Praxis zunächst leicht mit der yogischen Endentspannung, Savasana, zu verwechseln. Nimmt man die Instruktionen der Lehrperson, diverse Körperstellen zu fokussieren, nicht ernst, schläft man vielleicht sogar ein. Zwar ähnelt Yoga Nidra in seiner erholsamen Wirkung einem nährenden Mittagsschlaf; die Ausführung ist aber eine gänzlich andere.
„Yoga Nidra is the yoga of aware sleep. In this lies the secret of self healing. Yoga Nidra is a pratyahara technique in which the distractions of the mind are contained and the mind is relaxed.“ – Swami Satyananda Saraswati
Der Begriff Nidra entstammt dem Sanskrit und bedeutet so viel wie Schlaf. Durch verschiedene Techniken der geleiteten Aufmerksamkeit wird ein Zustand zwischen Wachsein und Schlaf angestrebt, die sogenannte hypnagogische Grenzlinie. Bekannt ist uns dieser Zustand aus dem alltäglichen Leben, denn wir passieren ihn häufig kurz vor dem Einschlafen oder auch direkt nach dem Aufwachen. Du erkennst die hypnagogische Grenzlinie oftmals an willkürlichen Muskelzuckungen.
Swami Satyananda Saraswati gilt als der Urvater des Yoga Nidra. Die Methode beruht dabei auf tantrischen Schriften, die der Begründer der Bihar School of Yoga zwischen den 40er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts zu einem einfachen Konzept zusammengefasst hat.
Eine kurze step by step Anleitung
- Schritt 1: Vorbereitung und Internalisierung
- Schritt 2: Sankalpa, die Intention
- Schritt 3: Body scan
- Schritt 4: Bewusste Atmung und Pratipaksha Bhavana
- Schritt 5: Visualisierung
- Schritt 6: Wiederholung des Sankalpa
- Schritt 7: Externalisierung
Weiter unten lernst du, wie die einzelnen Schritte im Detail funktionieren.
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Was bewirkt Yoga Nidra?
Ziel der Yoga Nidra Praxis ist es, durch die systematische und zielgerichtete Fokussierung der Gedanken auf einzelne Körperstellen, Körper und Geist als eine Einheit wahrzunehmen. Durch den ständig wechselnden Fokus bleibt der Geist wach, sprich im Hier und Jetzt verankert; gleichzeitig kann der Körper ruhen.
Die Praxis ist dabei so aufgebaut, dass sie gezielt den bewussten Rückzug der Sinne, Pratyahara, fördert: Yoga Nidra holt dich im Außen ab, führt dich langsam in die tiefen Ebenen deines Bewusstseins ein und lässt dich dann entspannter und sortierter wieder in den Wachzustand, sprich ins Äußere, auftauchen.
Eine 30-minütige Yoga Nidra Einheit soll zwei Stunden erholsamem Schlaf gleichkommen.
Die Aktivität eines jeden Menschen lässt sich durch den Frequenzbänderausschlag der Gehirnwellen messen. Die Gehirnaktivität wird dabei grob in vier Bereiche untergliedert: beta (aktiv), alpha (entspannt, hypnagogische Grenzlinie), theta (Schlaf), delta (tiefer Schlaf). Eine Mischung aus bewusster Konzentration auf die Körperwahrnehmung und vollkommener Entspannung des Körpers führt dazu, dass man trotz vollen Bewusstseins in einen alpha-Zustand gelangt. Eine Kombination, die als wirkungsvoller und wohltuender gilt als der normale Schlaf.
Yoga Nidra lernen: So geht’s
Yoga Nidra ist kein willkürlicher Prozess, bei dem du deine Gedanken einfach schweifen lässt und langsam davon driftest. Eher das Gegenteil ist der Fall: Der yogische Schlaf folgt einem systematischen Ablauf, sodass deine Gedanken keine Chance haben, sich in der Vergangenheit oder in der Zukunft zu verlieren.
1. Vorbereitung auf die Praxis (Internalisierung)
Geübt wird auf dem Rücken liegend, in Savasana (Rückenlage). Du nimmst bewusst deinen Körper, deine Atmung und deine Umgebung wahr. Positive Affirmationen wie Ich bleibe wach wirken unterstützend, um während der Praxis nicht einzuschlafen.
2. Sankalpa, deine Intention
Hier verbindest du dich mit deinem persönlichen Leitsatz, den du ebenfalls affirmativ dreimal für dich wiederholst. Ziel deines Sankalpa ist es, deinen Geist durch eine klare Ausformulierung eines Vorsatzes zu stärken und in eine positive Richtung zu lenken.
3. Body scan: Kreisen der Wahrnehmung durch den Körper
Der Hauptteil der Praxis ist die bewusste Wahrnehmung einzelner Körperstellen. Meist beginnend mit dem rechten Daumen wird dein Bewusstsein nach und nach durch deinen gesamten Körper geleitet. Die genannten Stellen werden gedanklich wiederholt, wodurch die fokussierten Körperstellen mit Prana (Energie) belebt werden. Where attention goes, energy flows.
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4. Bewusste Atmung & Pratipaksha Bhavana
Du lenkst deinen Fokus zurück zu deiner Atmung und beginnst die Praxis der Pratipaksha Bhavana: die bewusste Erzeugung gegenteiliger Gefühle. Hierbei stellst du dir schnell hintereinander abwechselnd gegensätzliche Empfindungen wie beispielsweise heiß/kalt, laut/leise, etc. vor, was sich harmonisierend auf die beiden Hemisphären des Gehirns auswirkt.
5. Visualisierung: Betreten des Innenraums
Es folgt die Visualisierung von schnellen Bildfolgen, die willkürlich angeleitet, aber auch bewusst gewählt werden können, um die mit den Bildern assoziierten Erlebnisse zu verarbeiten. Insbesondere dieser Teil der Praxis kann auch zu therapeutischen Zwecken genutzt werden, um etwa zu beginnen, tiefsitzende Ängste zu bearbeiten. Jedoch sollte dies nie in Eigenregie erfolgen, sondern ausschließlich unter professioneller Anleitung eines*r erfahrenen Lehrer*in.
6. Wiederholung des Sankalpa
Du wiederholst deine zu Beginn festgelegte Intention weitere drei Mal.
7. Externalisierung
Den Abschluss der Praxis bildet die bewusste Rückführung in die äußere Welt. Bei Bedarf kannst du im Anschluss deine Erlebnisse, Gedanken und Gefühle aufschreiben.
Tipps für Anfänger*innen im Yoga Nidra
Yoga Nidra ist unkompliziert und bedarf keiner aufwändigen Vorbereitung oder gar spektakulären Ausrüstung. Ganz egal, ob unter Anleitung eines Lehrer*in im Studio oder auch mit einer Audio in den eigenen vier Wänden: Geübt wird, wo du am besten entspannen kannst. Plane jedoch mindestens 20-30 Minuten für deine Session ein, um in die Tiefen der Praxis eintauchen zu können.
Es gibt außerdem eine Vielzahl an Möglichkeiten, dem Einschlafen während der Praxis vorzubeugen.
Tools und Tricks für den Anfang
- Übst du alleine? Stell dir einen Wecker!
- Leg unmittelbar vor deiner Yoga Nidra Praxis eine kurze Asana-Praxis ein, die dich bewusst in deinem Körper ankommen lässt
- Löse deine Unterarme gegebenenfalls vom Boden, indem du die Ellenbogen aufstellst und die Hände Richtung Decke senkrecht aufgestellt hältst. Für den Fall, dass du einschlafen solltest, fallen sie dann nämlich zu Boden.
- Vermeide, deine Praxis in die energetischen Tiefs deines Alltags zu legen, in denen du ohnehin kurz davor bist, einzuschlafen. Falls es sich nicht anders timen lässt, plane wie bereits erwähnt eine kurze Sequenz körperlicher Aktivität vor deiner Yoga Nidra Praxis mit ein
Bei regelmäßiger Praxis baut Yoga Nidra Stress ab und trägt dazu bei, physische und psychische Blockaden zu lösen.
Yoga Nidra wirkt ganzheitlich und kann somit nicht nur das Immunsystem stärken, sondern auch das allgemeine Wohlbefinden. Lass dich nicht zu schnell entmutigen, falls es nicht direkt klappt: Es mag einige Sessions dauern, bis du den Dreh raus hast und verstehst, dass der Schlüssel zur Praxis tatsächlich im wachen Geist liegt.
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Während in der Endentspannung Savasana jeglicher Fokus bewusst vermieden wird, bleibt beim Yoga Nidra die gezielte Aufmerksamkeit erhalten. Sei geduldig, wenn es mit dem Wachbleiben vielleicht zunächst nicht so klappen mag, denn auch hier gilt: Übung macht den*die Meister*in!
Weiterführende Tipps zu Yoga Nidra
Literatur
Online Yoga
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Bist du schon mal mit Yoga Nidra in Berührung gekommen? Vielleicht kennst du ja sogar ein paar tolle Tipps & Tricks, Audios, etc., die du mit uns unten in den Kommentaren teilen möchtest.
FAQs
Wie funktioniert Yoga Nidra?
Übersetzt bedeutet Nidra auf Sanskrit so viel wie Schlaf. Genau darum geht es auch: Es wird ein Zustand angestrebt, der sich irgendwo zwischen Meditation und Schlaf befindet und Körper und Geist maximal entspannt und sich erholen lässt.
Was ist wichtig beim Yoga Nidra?
Das Wichtigste und Herausfordernste beim Yoga Nidra ist, den entspannend-meditativen Zustand kurz vorm Einschlafen bewusst zu halten, ohne die Grenze zum Schlaf zu überschreiten. Das erfordert Übung und kann bspw. durch die aufmerksame Fokussierung einzelner Körperteile oder Empfindungen erleichtert werden.
Wie finde ich ein Sankalpa?
Ein Sankalpa, also eine bewusst gesetzte Intention, hilft dir dabei, die Aufmerksamkeit auf der Praxis zu halten und Wünsche und Vorsätze zu manifestieren. Diese Intention kann eine schon lang bestehende Thematik fokussieren, oder spontan erscheinen, passend zu deinem momentanen Befinden. Hör auf dein Bauchgefühl, und das Richtige wird sich zeigen.
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7 Kommentare / Schreibe einen Kommentar
Ich kann von Herzen „Radiant Rest“ von Tracee Stanley (meine Lehrerin) empfehlen, momentan gibt es das Buch nur in englisch…..aber so gut!
Sie praktiziert Yoga Nidrā seit vielen Jahren…..
Kann ich so nur bestätigen.
Thank you very much for this beautiful article. I enjoy reading this.. I appreciate your thoughts. This type of article always inspires people. Great.
Hallo Franzi,
vielen Dank für den schönen und übersichtlichen Artikel! Die Faszination von Yoga Nidra hat mich vor einigen Jahren gepackt und ich übe regelmässig. Mittlerweile auch gerne mal am Morgen wenn die nächtliche Ruhe nicht allzu gut lief.
In der Zwischenzeit habe ich auch meine eigenen Yoga Nidra aufgenommen, hier der Link: https://insighttimer.com/katharinayoga Hoffe es gefällt dem ein oder anderen von euch! Herzlich, Katharina
Vielen Dank liebe Katharina fürs Vorbeischauen & den tollen Input via Link!!
<3 Franzi
Thomas
Vor fast 40 Jahren habe ich mit Hatha Yoga, Asanas-Körperhaltungen und Pranayama-Atemtechniken begonnen und war 10 Jahre im Yoga-Unterricht. Die Übungen erfolgten meist nach Yesudian/Haich oder Swami Sivananda, Teil davon ist abschließend immer eine Tiefenentspannung in der Entkörperungsstellung bzw. Rückenlage.
In meinem Berufsleben als Ingenieur habe ich oft jahrelang nur eine einzige Asana gemacht sorgfältig und mit der Atmung verbunden und dazu die Tiefenentspannung auch Mal spät abends oder früh morgens noch im Bett.
Als weiteren Schritt werde ich nach Anregungen durch diese interessante und kurz gefasste Yoga-Nidra-Einführung nach eingehender Internetrecherche diese Technik anwenden.
Als Anregung möchte ich hinzufügen, dass vorab ausgeführte Asanas wie bspw. beim Sonnengruß die Muskeln erwärmen und zusätzlich zum gewünschten wach bleiben bei Yoga Nidda auch die Entspannung der Körperteile und Muskeln erleichtern.
Guten Tag ich heiße Laura und war früher immer sehr unter stress durch meine Arbeit, aber durch diesen tollen Beitrag habe ich nach Kursen gesucht um da dran zu bleiben und habe jetzt ein tollen Kurs gefunden. Seit dem bin ich viel entspannter und kann mich viel besser konzentrieren auf der Arbeit.
Für alle die diesen Kurs sich angucken wollen habe ich hier noch ein Link: http://bit.ly/2IsWkqa
Danke für diesen tollen Anstoß.