Yoga Conference Germany: “Das Leben findet nicht auf dem Papier statt!”

Yogaleggings, soweit das Auge reicht:

Hunderte von Yogis fluten die Hallen des Pullman Köln, wenn erneut die Yoga Conference Germany stattfindet. Da kann es schon einmal passieren, dass man mit Katchie Ananda, die entspannt mit einem Glas Rotwein im Aufzug steht, über sein Krafttier plaudert, die eigene Matte vielleicht zum ersten Mal auf einem hochflorigen Hotel-Teppich ausrollt und noch Wochen später Glitter aus der Eröffnungszeremonie aus der Tasche pult. Die Yoga Conference Germany ist das größte, internationalste Yoga Event in Deutschland und feiert dieses Jahr 15-jähriges Jubiläum.

Ich habe die Gründer*innen Nicole Bongartz und Frank Schuler zum Interview gebeten und einmal nachgehakt:

Wie entsteht überhaupt so eine Conference, wie war der Weg dahin und wie behält man die Nerven, wenn der Headliner den Flieger verpasst  – oder in der Closing Zeremonie einfach die Sonne nicht untergehen will?

“Das Leben findet nicht auf dem Papier statt!” - Nicole und Frank von der Yoga Conference Germany im Interview 5
Frank (Mitte) und Nicole (rechts)

Wie habt ihr eigentlich zueinander gefunden?

Nicole: Klar: Natürlich beim Yoga. Frank und ich haben uns in der Couch (Anm d. Red: Das Studio “Lord Vishnus Couch” in Köln) kennengelernt.

Frank: Ich hatte damals meine Werbeagentur verkauft, bin mit dem Fahrrad durch Asien gereist und war auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. In der Couch wollte Nicoles damalige Partnerin Beate aussteigen und schlug mich vor.

Nicole: Zum Glück! Wir arbeiten mittlerweile seit 15 Jahren harmonisch zusammen und wir empfinden es beide als absoluten Glücksfall und so bereichernd.

Wann und wie hattet ihr dann die Idee zur Yoga Conference Germany?

Nicole: Relativ schnell nach der Eröffnung von Lord Vishnus Couch. Wir waren in New York und haben eine Yoga Journal Conference besucht. Da wir uns nicht vorstellen konnten, jedes Mal so weit zu reisen um uns fortzubilden, haben wir entschieden, das einfach selber zu machen. Dazu muss man wissen dass vor 19 Jahren die Yogaszene in Deutschland eine ganz andere war und es einen Yoga-Kongress,  so wie wir ihn uns vorstellten, einfach nicht gab.

Hattet Ihr Angst? Was war damals das Ziel?

Nicole: Nein, Angst nicht. Als dann tatsächlich die ersten Lehrer zusagten, damals zum Beispiel John Scott, Sharon Gannon, David Life, da bekamen wir schon Respekt vor dem was wir uns vorgenommen haben; aber nein, Angst nicht. Über die Jahre habe ich festgestellt, dass es meine Leidenschaft ist, Events oder auch Yogastunden zu kreieren, die etwas Nachhaltiges in den Menschen verändern und die uns näher zusammenrücken lassen.

„Als dann tatsächlich die ersten Lehrer zusagten, damals zum Beispiel John Scott, Sharon Gannon, David Life, da bekamen wir schon Respekt vor dem was wir uns vorgenommen haben; aber nein, Angst nicht.“ – Nicole Bongartz

Damals seid ihr jung und engagiert gewesen, wie seht ihr euch heute rückblickend und welchen Rat hättet ihr in petto?

Frank: Wir sehen uns eigentlich immer noch als jung und engagiert an! Lacht. Das liegt daran, dass wir uns fast jedes Jahr in vielen Bereichen neu erfinden. Und dass man nach 15 Jahren einiges über sich hört und liest, woran man sich kaum selbst erinnert, gehört wohl dazu. Wir sehen jedenfalls eher nach vorne und haben gerne viel um die Ohren.

Nicole: Außerdem hören wir auf unser Bauchgefühl und nichts, was wir bisher auf die Beine gestellt haben wurde zuvor kleinlichst kalkuliert. Ist nicht unbedingt ein Tipp, aber für uns hat es funktioniert. Eigentlich witzig, wir hatten mal die Idee von einem veganen Restaurant. Da gab es tatsächlich seitenweise Planungsrechnungen und Kalkulationen, und das war eine der wenigen Ideen, die wir nie umgesetzt haben. Das Leben findet eben nicht auf dem Papier statt.

Könnt ihr ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern? Welcher war der lustigste Moment in den 15 Jahren Conference? Und welcher der Berührendste?

Frank: Gäste aus den USA unterschätzen schon mal die Entfernungen und Gegebenheiten in Europa, so hat Shri Dharma Mitra den Event mit der Bahn regelrecht eingekreist und sich kurz vor seinem Kurs erst aus der Bahn in Richtung Paris gemeldet… weil Köln da irgendwo auf dem Weg liegen müsste…

Nicole: Das war auch für mich sehr lustig und aufreibend. Er ist dann gerade noch rechtzeitig mit wehenden Fahnen zum Kurs erschien und hat in aller Ruhe seinen Assistenten, damals Jason Nemer, heute bekannt als Begründer von Acro Yoga, gefragt, wo er denn sei und was er unterrichten solle, haha! Berührende Momente sind eigentlich kaum zählbar und auf jeder Conference gibt es für mich einige, die unvergessen in mir bleiben werden.

Was war denn das Allerschrägste, was jemals passiert ist?

Beide: Die Abschlusszeremonie mit Mark Whitwell.

Frank: Uns bleibt unvergessen, wie Mark Whitwell unsere Einladung, zur Closing Ceremony ein Gayatri Mantra zu rezitieren, sehr ernst nahm und nicht aufhörte, bis die Sonne endlich, endlich unterging. Neben ihm erlitt eine indische Fachfrau für Sanskrit beim Hören des amerikanischen ‚Akzents‘ Todesqualen. Und allen anderen knurrte der Magen, aber keiner traute sich, einfach ins reservierte Restaurant zu fliehen.

Nicole: Die Teilnehmer bewegten sich emotional zwischen verzweifelt und amüsiert, die Kollegen im Raum waren sichtlich um Contenance bemüht. Ich erinnere mich, wie Teilnehmer leise auf alle Vieren kriechend zu mir gekommen sind, um zu fragen, wie lange es noch dauert und ob es jetzt bis zum Mondaufgang immer weiter geht. Ich selbst musste mich mehrmals rausschleichen, um dem Restaurant zu sagen, dass wir später kommen – bis die Küche zu hatte. Doch, das war schon schräg und lustig und gleichzeitig total interessant.

Wie bleibt ihr in solchen Momenten ruhig?

Nicole: Nach so vielen Jahren kann uns nichts mehr aus der Fassung bringen. Wir akzeptieren, dass es jetzt eben so passiert. Mein Tipp in solchen Situationen: sich aus der Situation raus ziehen und die Perspektive wechseln, sich darauf konzentrieren, was gut ist und darauf, Lösungen zu finden. Eben nicht in der Situation verharren und sich bemitleiden, sondern aktiv das Problem angehen.

Damals war die Yoga Conference einzigartig. Wie behauptet ihr euch mittlerweile im Wettbewerb der zahlreichen Yogafestivals in Deutschland?

Frank: Es gibt in der Tat immer mehr Events in Deutschland, allerdings mit sehr unterschiedlichen Konzepten und Locations. Für uns spricht sicherlich das hochgradige Line-up an Lehrerinnen und Lehrern, die man so geballt selten irgendwo erleben kann und die spezielle Atmosphäre als ‚Heart Conference‘, die man so nicht konzipieren kann, sondern die sich im Laufe der Jahre durch die Begeisterung der Teacher und Teilnehmenden ergeben hat.

Nicole: Ja, die Szene hat sich rasant geändert. Wir sehen uns im Vergleich zu den anderen tollen Festivals und Kongressen auch als den Event mit den herausragendsten, bekanntesten Lehrern. Viele neue Festivals sind eher national, was auch super ist, uns interessieren aber auch die internationalen Yogalehrer*innen. Zudem halten wir immer die Augen offen nach neuen Trends und Schwingungen in der Szene und trauen uns, sowohl an Dingen festzuhalten, als auch uns ganz neu zu erfinden.

Ich finde es etwa immer richtig interessant, absolute Senior Teacher aus den großen Traditionen wie Ashtanga oder Iyengar bei uns zu haben, z.B. dieses Jahr Michael Forbes, dann haben wir aber auch dieses Jahr Abbie Galvin aus dem Katonah Yoga, das momentan absolut im Trend liegt.

Wir waren auch die Allerersten, die überhaupt Acro Yoga auf einem Kongress vorgestellt haben. Fürs nächste Jahr wollen wir mehr in Richtung Vorträge und Lectures gehen und wir erkennen auch ein deutliches Interesse an deutschen Lehrerinnen und Lehrern. Man denkt nicht mehr automatisch: alles Gute kommt aus der Ferne.

Welchen Lehrer/Lehrerin hättet ihr wahnsinnig gern mal dabei, aber es hat bislang noch nicht geklappt?

Nicole: Da gibt es so einige. Kathrin Budig haben wir schon mehrfach eingeladen und es hat nicht geklappt, Siena Sherman wäre toll, Mooji… um nur einige Namen zu nennen.

Hand aufs Herz: Sind euch schon einmal die Nerven bei der YoCo durchgegangen? In welcher Situation?

Frank: Als 2010 der Vulkanausbruch in Island genau zur Conference den Luftverkehr über Europa lahmlegte, sah es fast so aus, als würden viele Teacher nicht ankommen. Ist dann aber doch gut gegangen!

Nicole: Vor allem in den ersten Jahren haben mich die Dinge noch mehr aufgerieben. Mittlerweile kann ich entspannt bleiben, auch wenn einer unserer Headliner den Flieger verpasst.

“Das Leben findet nicht auf dem Papier statt!” - Nicole und Frank von der Yoga Conference Germany im Interview 4

Habt ihr einen Wandel bei den Besucher*innen feststellen können? Inwiefern hat sich die Yogawelt in den letzten 15 Jahren geändert? Was bedeutet das für euch?

Nicole: Die Yogaszene ist erwachsener geworden, in dem Sinne, dass ein höherer Qualitätsanspruch entstanden ist. Damals war Yoga eher wie eine Untergrundbewegung. Es reicht heute nicht mehr, gut auszusehen und exotisch zu sein, sondern es braucht Wumms und Inhalt dahinter. Und ich finde, das steht ihr gut zu Gesicht.

Frank: Als es vor 15 Jahren noch wenige Events in der Art und der Größe der Conference gab, sind Enthusiasten auch aus Russland und den USA angereist. Heute ist die Szene natürlich anders und die Teilnehmenden kommen vor allem aus dem deutschsprachigen Raum.

Worauf freut ihr euch persönlich am meisten in diesem Jahr?

Nicole: Endlich mal wieder viel Yoga machen und natürlich auf all die Begegnungen mit Freunden und Weggefährten.

Frank: Die Szene feiert sich bei diesem einmaligen Treffen in Köln auch mit viel Spaß und Begegnungen abseits des Kursangebotes, darauf freue ich mich sehr. Und dass wir dieses Jahr wohl wieder erneut ausgebucht sein werden!

Vielen Dank für das Gespräch!

Sandra

Bilder © Hanna Witte

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