Ich bin keine Yin Yoga Expertin, aber momentan erwische ich mich immer öfter dabei, wie ich in meiner Praxis zuhause nach dem dynamischen Teil noch zwanzig Minuten in Yin Yoga Asanas verweile und mich einfach fallen und die Schwerkraft ihr Übriges tun lasse.
Und natürlich interessiere ich mich auch für diesen Yogastil, weil ich eine gute Freundin habe, die Yin Yoga unterrichtet: Karen Dirks.
Ich habe Karen gebeten, für uns eine Herbst-Sequenz zusammenzustellen, die jeder zuhause üben kann.
Ihre 30-minütige Sequenz wappnet dich besonders gut für den Einstieg in die dunkle Jahreszeit. Denn jede Jahreszeit ist im Yin Yoga einem anderen Element zugeordnet, orientiert an den Lehren der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). In der TCM ist der Herbst die Zeit des Elements Metall, dem wiederum die Meridiane (Energiekanäle) von Lunge und Dickdarm zugeordnet sind.
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Karen erklärt: “Es ist die Zeit des Überganges vom heißen Sommer zum kalten Winter, die Zeit der beginnenden Einkehr und des Rückzugs. Metall steht für die unterstützende und erhaltende Energie, für Klarheit, Mut und Unterscheidungsvermögen, für die Fähigkeit, Dinge und Beziehungen zum richtigen Zeitpunkt loszulassen.
Stagniert das Metall-Chi – ist also die Energie des Metalls blockiert – können wir in der Trauer orientierungslos oder depressiv werden, uns nicht mehr oder nur schlecht abgrenzen. Das zugeordnete Außenorgan ist die Nase, die im Herbst besonders anfällig für Schnupfen ist.”
Im Herbst sollten wir also darauf achten, das Metall-Chi zu stärken.
Das erreichen wir beim Yin Yoga mit einer Sequenz, die den Lungen- und den Dickdarm-Meridian sowie die Herzregion stimuliert.
Karens 30 Minuten Yin Yoga Tutorial für den Herbst zum Üben zuhause:
Du brauchst eine Yogamatte, ein bis zwei Decken und/oder ein Bolster. Ziehe dir bequeme Kleidung, gern mit langen Ärmeln an, stelle dein Handy auf Flugmodus und mach dir vielleicht ruhige Musik an. Hier findest du einige Yin Yoga Playlists von Karen.
Versuche, dich nicht ablenken zu lassen. Du kannst die Zeit mit einem Timer messen oder einfach auf deine Armbanduhr gucken. Zwischen den Haltungen kannst du zur Zwischentspannung gerne immer für eine Minute ins Kind oder in die Rückenlage kommen.
Kind mit lang gestreckten Armen
Um auf der Matte an- und ein wenig herunter zu kommen, beginnen wir im Kind mit lang gestreckten Armen. Durch die Streckung der Arme stimulierst du den Lungen-Meridian.
Sitze aufrecht auf deinen Fersen, die Knie sind fast mattenbreit auseinander. Beuge dich langsam nach vorne und lege deinen Oberkörper zwischen den Oberschenkeln ab. Die Arme sind weit nach vorne ausgestreckt und trotzdem entspannt, die Stirn liegt auf der Matte. Bleibe hier für drei bis fünf Minuten.
Melting Heart oder Anahatasana
Mit dieser Asana öffnest du die Herzregion und stimulierst sowohl Lungen- als auch Dickdarm-Meridian.
Beginne im Vierfüßler, laufe mit den Händen schulterweit nach vorne und erlaube es deiner Brust, Richtung Boden zu sinken. Halte deine Hüfte bzw. den Po unbedingt exakt über den Knien und achte auf deinen unteren Rücken – falle nicht zu sehr ins Hohlkreuz! Bringe Stirn oder Kinn zum Boden. Bleibe hier für drei bis fünf Minuten.
Full Saddle mit oder ohne Bolster
Der Full Saddle ist eine der wichtigsten Yin-Haltungen: Er ist eine geführte Rückbeuge für den unteren Rücken und sorgt für die Dehnung der gesamten Körpervorderseite. Durch die Armhaltung von 90 Grad wird der Lungen-Meridian stimuliert.
Du kannst zunächst mit einem Bolster arbeiten. Wenn du tiefer gehen möchtest, komm nochmal aus der Haltung heraus und nimm das Bolster weg.
Mit Bolster: Platziere das Bolster längs hinter dir und setze dich mit dem Kreuzbein an (nicht auf!) das untere Ende. Du sitzt auf (nicht neben!) den Fersen, die Knie sind bis zu mattenbreit auseinander. Lehne dich langsam zurück und lege dich dann auf das Kissen ab.
Falls die Fußrücken schmerzen, lege eine Decke unter. Falls die Knie schmerzen: langsam herauskommen und stattdessen Fußsohlen zusammen bringen und Knie auseinander fallen lassen (Beine wie im Schmetterling). Die Knie dürfen vom Boden abheben! Benutze ggf. eine Decke als Kopfkissen. Die Arme kannst du gerne im 90-Grad-Winkel nehmen und so weit ablegen wie es geht, um die vordere Achsel zu stimulieren; oder einfach dort ablegen, wo es bequem ist. Bleibe hier für drei bis fünf Minuten.
Ohne Bolster: Im Fersensitz mit weit gegrätschten Knien beginnen, dann langsam zurück auf die Unterarme legen. Mach hier eine kurze Pause, hebe den Po an, lege ihn wieder ab und bleibe hier oder lege dich ganz am Boden ab. Bleibe hier für maximal vier Minuten.
Um aus dieser Haltung herauszukommen, stütze dich unbedingt aktiv mit den Armen ab. Geh zuerst in den Vierfüßler und dann für einige Atemzüge in den herabschauenden Hund, um die Knie zu entlasten.
Caterpillar, die Raupe
Der Caterpillar ist ebenfalls eine der wichtigsten Yin-Haltungen: Er stellt eine geführte Vorbeuge für den unteren Rücken dar und dehnt die gesamte Körperrückseite.
Strecke deine Beine nach vorne aus und beuge dich darüber. Erlaube es dem Rücken unbedingt, rund zu werden! Setze dich optional auf eine Decke, das erleichtert die Vorbeuge. Entspann deine Arme, Schultern, Beine und Füße. Ziehe dich nicht irgendwie hinein, sondern lass dein Körpergewicht arbeiten. Bleibe hier für drei bis fünf Minuten.
Straddle, die Grätsche
Die sitzende Grätsche ist eine Variante der Raupe mit gegrätschten Beinen und mehr Fokus auf Dehnung der Beininnenseiten. Du kannst diese Haltung zusätzlich oder alternativ zum Caterpillar üben. Nimm die Beine dafür maximal 90 Grad auseinander und begib dich wie bei der Raupe in die Vorbeuge. Deine Handrücken oder, wenn du flexibler bist, Unterarme ruhen entspannt auf dem Boden. Bleibe auch hier für drei bis fünf Minuten.
Unterstütztes Savasana mit Herzöffnung
Zum Ende kannst du diese Variation von Savasana üben. Sie sorgt für eine größere Herzöffnung, um Trauer besser loslassen zu können sowie Mut, Klarheit und Unterscheidungsvermögen zu schulen.
Platziere zwei Bolster oder gerollte Decken quer auf der Matte und setze dich dazwischen. Bringe eine Rolle unter die Knie, die andere unter die Schulterblätter bzw. unter den mittleren Rücken. Füße, Po und Hinterkopf müssen bequem am Boden liegen. Bleibe hier für mindestens 5 Minuten, gern auch länger.
Wenn du ein Yin Yoga Neuling bist, versuche dich zuerst einmal mit drei Minuten pro Haltung (außer Savasana).
Du kannst natürlich länger bleiben, wenn es sich gut anfühlt und mit der Zeit auf fünf Minuten steigern. Versuche, dich in die möglicherweise auftauchende Intensität hinein zu entspannen – bleibe jedoch nicht, wenn du über Dehnungsgefühl hinausgehende Schmerzen hast!
Ich habe mir diese Sequenz nun für mindestens einen Abend pro Woche selbst verordnet.
Bin ein Riesenfan davon. Und von Karen sowieso. Ich wünsche dir viel Spaß beim Üben; hinterlasse gerne einen Kommentar mit deinen Erfahrungen oder wenn du Fragen hast!
Über Karen:
Karen Dirks lebt in Berlin und ist neben ihrer Tätigkeit als Hebamme leidenschaftliche Yin Yoga Praktizierende und Lehrerin sowie Masseurin (Thai, Osteothai und Craniosakrale Therapie). Seit ihrem 17. Lebensjahr gehört Yoga zu ihrem Alltag. Yoga gibt ihr Halt und Stabilität – körperlich wie geistig. Ihre Ausbildung zur Yin Yoga Lehrerin absolvierte sie u.a. bei Power Yoga Germany. Regelmäßig reist sie ins Sunshine House nach Griechenland, um sich bei ihrem Lehrer Krishnataki in Thai Yoga Massage fortzubilden. 2022 hat sie sich ihren Lebenstraum erfüllt und eine eigene Praxis für Hebammenarbeit, Holistic Bodywork und Coaching eröffnet: sjael im Berliner Bergmannkiez. Dort sowie bei Peace Yoga Berlin unterrichtet sie regelmäßig Yin Yoga.
Fotos © Araí Moleri
Disclaimer: Bitte beachte, dass wir keine Ärztinnen oder Physiotherapeutinnen sind und keine “Diagnosen” oder Therapieempfehlungen bei individuellen Problemen aussprechen können. Wenn du Schmerzen oder Verletzungen hast, sprich unbedingt mit deinem Arzt / deiner Ärztin.