Yin Yoga: Wirkung, Hintergrund und Übungen des ruhigen Stils

Yin Yoga ist eine ruhige Art zu praktizieren, bei der du vorwiegend sitzt oder die liegst, und die Asanas lange hälst – genau gesagt drei bis fünf Minuten. Du erreichst die tiefer liegenden faszialen Muskelschichten, übst dich in voller Konzentration und gleichzeitig totaler Entspannung. Außerdem ist Yin Yoga eine prima Ergänzung zu dynamischeren Stilen wie Vinyasa oder Ashtanga.

Vielleicht ist die sanfte Yoga-Art auch etwas für dich?

Was ist Yin Yoga?

Yin Yoga ist eine ruhige, meditative Praxis, die hauptsächlich auf lang gehaltenen, liegenden und sitzenden Asanas beruht. Der Name rührt vom Yin-Yang-Prinzip her. Es entstammt der taoistischen Philosophie und besagt, dass das Leben aus Gegensätzen aufgebaut ist, die ohne einander nicht sein können: Licht und Dunkel, leicht und schwer, aktiv und passiv. Yang steht dabei für Aktivität, Yin für Passivität. Yin Yoga funktioniert als ausgleichende Praxis unserer hektischen Yang-Welt und sorgt für Entschleunigung und Entspannung.

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Yin Yoga Tutorial: 30 Minuten Sequenz für den Spätsommer 3
Der Sattel © Lena Fingerle

Was kannst du von einer Yin Yoga Klasse erwarten?

Was passiert in den 90 Minuten, in denen du auf Matte und Kissen rumliegst? Zuerst wirst du vielleicht hibbelig und rastlos sein. Am Ende musst du dich daran erinnern, wie du eigentlich heißt: dein Kopf ist komplett ausgeschaltet und dein Körper heruntergefahren.

Während der Praxis werden verschiedene sitzende und liegende Asanas geübt, die sehr lange gehalten werden, meistens um die fünf Minuten. Der Atem fließt frei. Um auf passive Weise, also ohne Muskelaktivität und mit Hilfe der Schwerkraft, Dehnung und Entspannung herbeizuführen, können Hilfsmittel genutzt werden. Bolster, Decken und Blöcke sollen den Körper optimal unterstützen und den Stress des Sich-halten-Müssens wegnehmen.

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Das bedeutet allerdings nicht, dass Yin Yoga nicht sehr intensiv sein kann! In bestimmten Haltungen, zum Beispiel Hüftöffnern und Vorbeugen, können Emotionen hochkochen, die einen vielleicht überraschen und überwältigen. Herz- und Kopfkino laufen heiß, während der Körper in Stille verharrt. Mit diesem Sturm der Gedanken umzugehen und ihn vorbeiziehen zu lassen, ist für die meisten die größte Herausforderung beim Yin Yoga.

Aber die Belohnung ist reichlich: Wenn es dir gelingt, Körper und Gedanken gleichsam schmelzen zu lassen, gerätst du in einen meditativen Zustand, fast eine Art Trance, die dich alles um dich herum vergessen lässt. Vielleicht kommst du so der Essenz des Yoga ein Stückchen näher. Oder vielleicht beginnst du Blockaden zu lösen, die dich schon lange einschränken.

Was sind typische Asanas, die dir in einer Yin Klasse begegnen?

Die meisten Asanas im Yin Yoga werden dir bereits bekannt sein, wenn du andere Yoga-Stile wie Hatha oder Vinyasa praktizierst. Klassische Haltungen sind beispielsweise Baddha Konasana (der Schmetterling) oder Setu Bandha Sarvangasana (die unterstütze Schulterbrücke).

Viele Positionen haben im Yin andere Namen, meinen aber eigentlich dieselbe wie in dynamischer Praxis. Beispiele dafür sind Virasana (der Sattel, ansonsten: der Heldensitz), Rajakapotasana (der schlafende Schwan, ansonsten: die Taube) oder Paschimottanasana (die Raupe, ansonsten: die sitzende Vorbeuge). Neuschöpfungen in Sachen Asana ist zum Beispiel die liegende Banane, oder auch Bananasana, eine sehr angenehme Flankendehnung.

Der schlafende Schwan © Lena Fingerle

Für was ist Yin Yoga gut? Was ist der gesundheitliche Nutzen?

So oder so ähnlich berichten viele von ihren yogischen Anfängen: Eine körperlich anstrengende, dynamische Praxis dient häufig als Einstieg, von wo aus man zunächst etwas Zeit benötigt, um sich zögerlich an die geistige Arbeit zu wagen. Yin Yoga schlägt diese Brücke; es kann ein kleiner Erwachungsmoment sein, in dem du herausfindest, in welche Winkel und Ecken deiner Selbst dich die Yoga-Praxis führen kann – wenn du dich darauf einlässt.

Ganz zu schweigen von den physischen Effekten. Yin Yoga möchte deinen körpereigenen Energiefluss ankurbeln; dabei setzt es nicht aktiv Energie frei, sondern entfernt tief sitzende Blockaden, die den Energiefluss stoppen können. Stell dir einen alten Schwamm vor, der durch Drehen, Drücken und Dehnen von verkrusteten Schmutzpartikeln befreit wird; genauso atmet dein Gewebe wieder auf, wenn du es durch verschiedene Kompressionen und Dehnungen massierst.

Yin erreicht dabei die besonders tiefliegende Gewebestruktur, die Faszien. So sind bei chronischen Schmerzen häufig verspannte Faszien die Ursache und benötigen ergo eine eingehendere Behandlung. Daneben gibt es viele weitere positive Effekte, wie die Verbesserung deines Bewegungsradius und deiner Flexibilität, den Abbau von Stressgefühlen und der umfassenden Entspannung deines Körper und deines Geistes mit der Chance, sich von dem zu befreien, was gerade für Enge und Unwohlsein sorgt.

Wo liegt der Unterschied von Yin zu Restorative Yoga?

Zugegeben, die Grenzen sind natürlich fließend. Auch liegt es an der*m Lehrer*in, welche Elemente (ruhigerer) Yoga-Stile miteinander kombiniert werden. Sowohl Yin Yoga als auch Restorative Yoga werden als passiv bezeichnet, eine aktiv-dynamische Praxis kommt in der Regel nicht vor. In beiden werden die Asanas mehrere Minuten gehalten und es kommen unterschiedliche Hilfsmittel zum Einsatz.

Trotzdem gibt es einen entscheidenden Unterschied: Während im Restorative Yoga (engl.: wiederherstellen) die totale und vollständige Entspannung durch Unterstützung des Körpers angestrebt wird, werden im Yin Yoga durchaus tiefe Dehnungen ausgeübt. Meint, ein intensiver Dehnungsschmerz, anhand dessen die eigene Grenze bewusst wahrgenommen und ausgelotet wird, ist gewollt. Du atmest bewusst in diesen (angenehmen!) Schmerz hinein, realisierst den Umfang deines körperlichen Spielraumes und versuchst diesen bewusst zu erweitern. Im Restorative Yoga hingegen wird jegliche Anspannung vermieden, und sei diese noch so klein.

Hilfsmittel werden im Yin viel und gerne genutzt, nichtsdestotrotz sind sie kein Muss, da besagter Dehnungsschmerz nicht vollständig eliminiert werden soll. Je nach Verfassung kannst du mehr oder weniger stützende Komponenten bereitlegen.

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Welche Hilfsmittel benötigst du?

Folgendes Werkzeug solltest du parat haben, damit du dich auf deine Yin-Praxis voll und ganz einlassen kannst. Meine Auswahl ist die Basis, die du meiner Meinung nach brauchst – dabei kann ein größerer Fundus natürlich nie schaden!

Die Grundausstattung © Rebecca Randak

>> Tipp: Bei greenyogashop* gibt es qualitativ sehr gute Hilfsmittel.

  • Yogamatte*: Jede Yogamatte ist in Ordnung. Leg dir eine Decke großflächig über die Matte, damit du ausreichend Polsterung nach rechts und links hast, wenn du magst.
  • Yoga-Decke*: Beachte, dass manche Decken sehr glitschig sein können und sie sich schlechter aufeinander stapeln lassen. Auch können synthetisch produzierte Decken aus Polyester oder Ähnlichem statisch aufladend wirken. Am besten ist eine Baumwolldecke mit fester Gewebestruktur.
  • Yoga-Bolster*: Hier gibt es viele unterschiedliche Größen, Formen und Füllungen. Möchtest du deine Dehnung möglichst intensiv spüren? Dann sollte dein Bolster groß und prall gefüllt sein. Ergänzend funktionieren aber auch jegliche anderen Kissen oder Sofa-Polster. Du kannst aber auch Decken, Handtücher oder eine Yogamatte zusammenrollen, das klappt gleichermaßen.
  • Yoga-Blöcke*: Blöcke sind ein echtes must have und dürfen bei keiner Yoga-Praxis fehlen. Ich bevorzuge definitiv die Modelle aus Kork, die schwerer sind als die aus Schaumstoff. Alternativ tun auch ein paar schwere Bücher ihren Zweck.

Weitere Hilfsmittel wie Yoga-Gurte* oder Yoga-Stühle* sind nicht zwingend notwendig. Wenn du sie trotzdem benutzen möchtest, feel free!

>> Lesetipp: Yoga Zubehör und Hilfsmittel – So setzt du Block, Bolster und Decke sinnvoll ein

Yin Yoga Sequenz zum Üben für zuhause

Wenn du Lust bekommen hast gleich loszulegen, habe ich hier eine 30-minütige Yin Yoga Sequenz für zuhause. Zieh dir warme bequeme Kleidung an und leg dir alle Hilfsmittel parat, die du brauchst. Vielleicht zündest du dir ein paar Kerzen an, versprühst etwas ätherisches Öl und lässt deine Lieblingsplaylist laufen?

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© Rebecca Randak

Woher kommt Yin Yoga?

Der Amerikaner Paul Grilley entwickelte den Stil in den 80er Jahren, inspiriert von Prinzipien einer langsamen Yoga-Praxis, die er durch den Kampfkünstler Paulie Zink kennenlernte. Verfeinert und letztendlich als Yin Yoga benannt wurde die Methode von Sarah Powers, einer renommierten Yogalehrerin, die mit Paul Grilley im selben Studio lehrte.

Eines ist dabei jedoch nicht zu vergessen: Zwar klassifizierten und benannten Westler*innen auch diesen Yoga-Stil, trotzdem liegen die Ursprünge natürlich woanders. Tatsächlich sind 11 der 15 erstmals erwähnten Asanas in der Hatha Yoga Pradipika aus dem 14. Jahrhundert das, was wir heute unter Yin Yoga verstehen würden – sitzende Haltungen, die über einen längeren Zeitraum eingenommen werden.

Beim Yin Yoga werden die Eigenheiten eines jeden Körpers beherzigt, eine jede Gestalt als Unikat erfasst. Ziel ist nicht, den Körper in eine bestimmte Form zu pressen oder Leistung zu erbringen. Muskelkraft (Yang) wird bewusst ausgeklammert, um in tieferliegende Schichten wie Bindegewebe und Faszien vorzudringen. Auf schweißtreibende Sonnengrüße und andere hitzige Haltungen wird verzichtet, denn das fasziale Gewebe dehnt sich am besten unaufgewärmt und wird so bei dynamischer Praxis meist gar nicht erreicht.

Angestrebt wird, den Fluss des Qi (Energie) in den u.a. auch im faszialen Gewebe liegenden Meridianen (Energiekanälen) zu stimulieren und so das Organsystem in Balance zu bringen und zu stärken. Die Begriffe Qi (Chi) und Meridiane stammen aus der traditionellen chinesischen Medizin und sind hier analog zu Kundalini und Nadi aus der Hatha Yoga Philosophie zu verstehen. Die Begriffe beider Systeme meinen den körpereigenen Energiefluss und möchten diesen erklärbar und greifbar machen. Wissenschaftlich ist dieser jedoch weder nachgewiesen noch messbar.

Wo kannst du Yin Yoga üben?

Yin Yoga gibt es inzwischen in fast allen Yogastudios. Schau einfach mal bei deinem Lieblingsstudio auf den Kursplan, oder check aus, ob deine Lieblingslehrer*innen Yin Stunden anbieten. Wie gesagt, die Grenzen sind fließend und so kreieren auch im Yin Yoga unterschiedliche Lehrende unterschiedliche Formate: Manche bauen mehr aktive, sanfte Bewegungen ein, manche weniger. Probier aus und schau, was dir zusagt.

Das online Yogastudio YogaEasy* ist die Adresse für qualitative Klassen im Internet. Die Auswahl für Yin Yoga ist groß, schau einfach mal vorbei! Dort findest du Yoga-Videos mit tollen Yin-Lehrer*innen in verschiedenen Längen und Levels. Über www.yogaeasy.de/flgh* erhältst du einen Gratis-Test-Monat ohne nervige automatische Abo-Verlängerung, auch wenn du schon einmal einen Probemonat hattest!

>>Lesetipp: YogaEasy Erfahrungsbericht – was kann die deutsche Online-Yoga-Plattform?

Mittlerweile ist Yin Yoga aus meiner Praxis nicht mehr wegzudenken. Egal, ob ich mich Muskelkater plagt, ich menstruationsbedingt angeschlagen bin oder mein Geist die Herausforderung sucht: Yin ist mein sicherer Hafen. Was sind deine Gedanken dazu? Ich freue mich über Kommentare und Anregungen.

Tipps und Literatur-Empfehlungen

Titelbild © Lydia Hersberger

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11 Kommentare / Schreibe einen Kommentar

  1. Ich selbst habe an einem Kurs bei Flying Yogi in Hamburg teilgenommen und kann Yin Yoga zur Entspannung nur empfehlen. Für Personen die eher nach mehr Bewegung suchen gibt es natürlich andere Arten. Es aber auszuprobieren ist definitv eine Erfahrung wert.

    Anja

  2. Danke für den Artikel. Ich empfehle besonders allen unruhigen Geistern und Bewegungsyunkies Yin Yoga. Wir (Vatha/Pitta) Menschen können alle ab und an eine richtige Bewegungsauszeit gebrauchen, speziell, wenn wir noch andere Sportarten oder Yang Yoga Stile wie Power Vinyasa etc. Üben. Wie mit allem gewöhnt man sich mit der Zeit an das lange Halten und man merkt im Alltag ebenfalls, das man immer öfter innehalten kann.

  3. Danke für den aufschlussreichen Artikel. Ich bin selbst Mitglied im Lagoa Yoga, Yin Yoga habe ich dort allerdings noch nicht ausprobiert. Jetzt wird’s aber definitiv mal Zeit!
    LG – Anja

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