Disclaimer: Solltest du FLGH seit kurzem erst lesen, ist dies vielleicht dein erstes Monatsmantra. Bis 2017 schrieb Rebecca monatlich einen solchen Artikel. Dann war es Zeit, die Serie auf Eis zu legen – bis heute. Alle alten Monatsmantras kannst du hier nachlesen.
Trevor Noah: “If someone says, hey Jameela, you didn’t include these people in your conversation or you excluded these people in that conversation, you just go and say: ‘yes, I’m sorry, I’ll include them’ and then you move on. Does it ever get tiring to do that?”
Jameela Jamil: “No, I only have the freedom that I have now because other people before me fought for Women of Color being given opportunities that I am now able to benefit from. No, I never get tired of being corrected if I am wrong. You know, I have more to learn and I am grateful that people don’t patronize me and that they think I can take the criticism.”
Dieser kurze Wortwechsel aus dem Interview, das Noah Trevor, der Host der US-amerikanischen Nachrichtensatire The Daily Show mit der Feministin Jameela Jamil geführt hat, ging mir die ganze letzte Woche durch den Kopf. Nicht, weil der Inhalt des Gesagten so mind blowing ist, sondern wegen der Selbstverständlichkeit und der Nonchalance, mit der Jameela Kritik einfach annimmt und als Chance begreift.
Das Video, das du dir unbedingt in voller Länge anschauen solltest, landete vor einiger Zeit in meinem Instagram Feed, der mir dank schlauer Menschen, die bereitwillig kostenlose Bildungsarbeit leisten, viele neue Erkenntnisse zu den Themen struktureller Rassismus, Intersektionalität und Diskriminierung beschert hat.
>>> Lesetipp: #amplifymelanatedvoices: Diese Schwarzen Stimmen der Spiri- und Yogaszene solltest du kennen
Neben großer Dankbarkeit für die Chance, in so kurzer Zeit so viel dazuzulernen, machte sich aber auch ein großes Fragezeichen in meinem Kopf breit: Wie soll ich als Medienschaffende jetzt eigentlich richtig kommunizieren? Wie kann ich mein Unternehmen inklusiver gestalten? Wo liegen unsere blinden Flecken? Je mehr ich lernte, desto mehr eigene Fehler wurden mir bewusst. Dazu kroch mir die Scham, so vieles nicht oder falsch verstanden zu haben, in jede Pore. Da kamen Jameelas Worte gerade zur rechten Zeit.
Es geht gar nicht darum, alles richtig zu machen.
Auch mir fiel es lange schwer, Kritik anzunehmen und zu integrieren. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Podcast-Folge, in der ich ohne nachzudenken meine Interviewpartnerin als mein spirit animal bezeichnet habe. Ausdrücken wollte ich, dass sie mir große Inspiration und eine Art Guide in einer schwierigen Lebenssituation war.
Eine aufmerksame Hörerin wies mich dann freundlich darauf hin, dass die popkulturelle Verwendung des Begriffs spirit animal total unpassend und außerdem kulturelle Aneignung wäre und die spirituelle Tradition bestimmter Indigener Menschen beleidigt. Sie machte sich sogar noch die Mühe, mir einen wirklich guten Artikel zum Thema mitzuschicken.
Meine erste Reaktion war Boa, nervig!, was aber schnell in ein Mist, das wollte und wusste ich nicht, peinlich! umschlug. Dann las ich den Artikel und löschte den Ausdruck zumindest in den zur Podcast-Folge zugehörigen Texten; der Mix aus Scham und Angst verwandelte sich in Dankbarkeit und das gute Gefühl, etwas dazugelernt zu haben. Danke dafür, liebe Hörerin!
Obwohl es so bereichernd ist, aus Fehlern zu lernen, reagieren wir oft mit Ablehnung, Verteidigung oder sogar Gegenangriff.
Gegenangriffe kann man besonders in sozialen Netzwerken in Form von whataboutism oder kruden Beleidigungen überall beobachten, sie sind wohl die schärfste Form von Ablehnung. Überleg mal selbst: Wann hat dich zuletzt jemand auf einen Fehler aufmerksam gemacht? Und wie hast du reagiert? Gab es den inneren Impuls, den*die andere*n einfach doof zu finden? Oder bist du in die Defensive gegangen und hast versucht zu erklären, warum du so oder so reagiert hast und dass das ja alles ganz anders gemeint war?
All diese Strategien sind ganz normal, aber eigentlich kontraproduktiv, weil wir uns so die Chance nehmen, besser zu werden und neue, andere Blickwinkel zu erkennen.
Warum es uns so schwer fällt, einfach Danke zu sagen und Kritik anzunehmen, wird leichter verständlich, wenn wir uns in Erinnerung rufen, wie wir Menschen ticken:
Wir alle wollen geliebt und gesehen werden.
Wer einen Fehler macht, hat Angst, dafür geächtet zu werden. Bisweilen zurecht: Fehltritte haben Menschen schon Freundschaften, Karrieren, Geld oder wenigstens Follower gekostet. Doch kann es die Lösung sein, aus lauter Angst davor, sich anderen mit allen Facetten zuzumuten, zum glatten Silberfisch zu werden, der niemals aneckt?
Erstens glaube ich nicht, dass das langfristig funktionieren kann und zweitens halte ich es hier mit Kurt Cobain: I’d rather be hated for who I am, than loved for who I am not.
Und mal ehrlich: Welche Fehler sind so gravierend, dass sie sich nicht mehr ausbügeln lassen?
Es geht also nicht so sehr um den Fehler selbst, sondern darum, was man macht, wenn man kritisiert wird.
Offenheit für Kritik zu zeigen, heißt natürlich nicht, dass wir ab sofort pauschal jede Kritik annehmen und das zukünftige Handeln danach ausrichten müssen. Im Gegenteil: Wer öffentlich Position bezieht, wird oft auch unberechtigte Kritik, Beleidigungen oder hate speech einstecken müssen. Das darf man ruhig zu einem Ohr rein und zum anderen wieder rauslassen.
Es lohnt sich aber zu prüfen, mit welcher Intention die Kritik von wem gesendet wurde und ob man selbst vielleicht etwas daraus lernen kann. Wenn dem so ist, empfehle ich ganz nach Jameela Jamils Vorbild ein Danke, dass du mich darauf hinweist, ich werde das in Zukunft besser machen! Weniges ist für mich inspirierender als Menschen, die es sich erlauben, ihre Meinung zu ändern, zu wachsen und so Stück für Stück offener und stärker zu werden.
Und jetzt nochmals die Frage: Werden wir wirklich weniger geliebt, wenn wir Fehler machen und zugeben? Ich glaube nicht.
Was all das für Fuck Lucky Go Happy bedeutet
Eine ganze Zeit lang haben wir uns mit Fuck Lucky Go Happy auf möglichst unverfängliche Inhalte konzentriert, mit denen wir wenig anecken. Vielleicht sind wir auch ein wenig dem Irrglauben aufgesessen, dass es unspirituell ist, eine starke Meinung zu haben. Man sieht die Welt schließlich so wie man selbst ist, nicht wie sie wirklich ist…
So kam es, dass mein grundsätzliche kritischer Geist weich gewaschen wurde, sich mein politisches Interesse mehr und mehr ins Private verlagerte und es mehr und mehr Spiri-Inhalte gab, viel Werbung und wenig Gesellschaftliches. Weil die Leser*innen Astrocast und Co. so sehr lieben, die Werbekunden zwar unsere Integrität schätzen, aber sich zu viel Haltung auch nicht so gut vermarkten lässt und wir am Ende dann doch alle Geld verdienen müssen.
Bis es uns langweilig wurde mit den immer gleichen Themen und wir Mitte letzten Jahres wieder begannen, uns zum Klimawandel zu positionieren, persönliche Geschichten zu teilen und uns mit politischen Themen wie der Corona-Krise, Feminimus oder Rassismus auch auf dem Blog zu beschäftigen. Und das werden wir in Zukunft verstärkt tun.
Unser Ziel ist es, mit unseren Texten den Weg in eine feministische, antirassistische und inklusive Yogaszene mitzugestalten. Wir hinterfragen Trends innerhalb der spirituellen Szene, stellen Selbsterfahrungs-Praktiken vor und erforschen, was es braucht, damit wir mehr Empathie und Mitgefühl füreinander empfinden können. Alles zusammen soll für mehr Verbindung und nichts geringeres als eine gerechte Welt sorgen.
Mehr Zeit und Aufwand in gesellschaftlich und politisch relevante Themen zu stecken, bedeutet, dass wir weniger Zeit für Werbekooperationen haben werden. Finanzieren müssen wir uns jedoch trotzdem.
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Auf dem Weg werden wir sicherlich Fehler machen.
Wir bitten schon jetzt ausdrücklich um konstruktives Feedback, das uns hilft, besser zu werden und zu lernen. Wir wollen Fuck Lucky Go Happy zu einer Community machen, in der es sicher ist, Fragen zu stellen, Kritik zu äußern und dazuzulernen.
Denn in einer Zeit, in der es aussieht, als würde die Welt alle zwei Wochen in Stücke brechen, müssen wir uns zusammentun und überlegen, was wir machen können, um den Planeten und unsere Gesellschaft zu einem besseren Ort zu machen. Wir müssen den Blick auf Missstände und Ungerechtigkeit richten, unser Bestes geben und es riskieren, dass unser Bestes auch mal nicht so gut ankommt. Schaffen wir es, mit offenem Herzen dabei zu bleiben, ist glaube ich ein wichtiger Schritt getan.
Dein Monatsmantra: Ich erlaube es mir, Fehler zu machen, aus ihnen zu lernen und zu wachsen!
Bist du dabei? Was sind deine Erfahrungen mit Kritik? Wie äußerst du Kritik? Und kannst du sie gut annehmen?
Titelbild © Lula Bornhak
5 Kommentare / Schreibe einen Kommentar
Hallo Rebecca,
danke, dass du deinen Prozess teilst. Auch wenn ihr es Anfangs nicht in dieser Intensität getan habt, waren die Artikel von Janna ein kleiner Lichtblick für mich, dass es auch kritische Stimmen in der Yoga Welt gibt und die im Jivamukti verbreitete Lehre das Gelernte zu hinterfragen und neue Wege zugehen in der heutigen Zeit umso mehr Relevanz hat. Und gleichzeitg es wichtig ist zu verstehen und anzuerkennen, dass wir eine Sache alle aus einer anderen Perspektive betrachten und es daher umso wichtiger ist Kritik und Sichtweisen anderer anzunehmen.
Also macht bitte unbedingt weiter so.
Liebe Stephanie,
erstmal alles gute dir und viel Durchhaltevermögen. Leider gibt es nur die Möglichkeit monatlich oder jährlich bei uns Mitglied zu werden. Die meisten Artikel bleiben aber weiter kostenlos. Ich hoffe da findet sich eine Option für dich, die für dich passt!
Liebst
Liebe Stephanie,
leider gehen nur die Zahlungsweisen, die bereits angegeben sind. Monatliche Zahlung ist teurer, da wir auch höhere Gebühren bei Steady und Paypal zahlen müssen. Und da alles über einen externen Service läuft, können wir hier gar keine Ausnahmen machen.
Der Rabatt auf das Jahresabo gilt noch bis Ende Juli. Vielleicht findest du ja einen Weg oder jemanden, der dir das Abo schenken mag.
Alles Liebe,
Rebecca
Liebe Rebecca, auch wenn ich gerade selbst angefangen habe, zu bloggen und als Mama von zwei kleinen Kindern ganz am Anfang stehe, es vielleicht mehr Therapie ist als alles andere , finde ich es völlig okay – und nein – sogar richtig und wichtig, dass Journalismus bezahlt wird. Und das ist schliesslich das was ihr hier macht. Und dann: was für ein tolles Thema! In letzter Zeit lese ich so oft irgendwo ‚Wenn das jüngere Ich gewusst hätte…‘ doch wie alles wissen, dass es gut ist, dass das jüngere Ich nicht alles weiß. Ohne unsere Fehler könnten wir doch gar nicht wachsen. Danke für diesen Text und alles was Du mit uns teilst!! Tine
Danke! Und alles Gute für dein Projekt – am Anfang ist das Bloggen doch besonders schön!