Verlieb dich in die Falschen! Oder: Die Kartoffel-Feigen-Theorie

Dies ist keine Geschichte darüber, wie man “den*die Richtige*n” findet, sondern eine darüber, was man von den “Falschen” lernen kann. Und diese Geschichte geht so:

Zwischen meinem 20. und meinem 27. Lebensjahr war ich in einer soliden, total normalen, bodenständigen, monogamen Beziehung. Mit ihrem Ende begann eine lange Achterbahnfahrt der Enttäuschungen, der Abenteuer, der unvergesslichen Momente und auch der Selbstentdeckung, die nicht zuletzt auch in meiner Yoga-Ausbildung mündete. 

Ich durchlebte als Single alle möglichen Phasen.

Pendelte regelmäßig zwischen Gedanken wie Ich werde nie wieder jemanden finden und Wow, ich bin unabhängig, sexy und frei! – Ich hatte mal monatelang gar keine Dates, und dann wieder drei Fische gleichzeitig an der Angel. Ich wünschte mir, einfach wieder in einer ganz normalen Beziehung zu sein, ohne das ständige Auf und Ab – und wusste gleichzeitig, dass mir die Zeit alleine mit mir sehr gut tat. 

Irgendwann merkte ich: So, jetzt aber. Jetzt könnte er mal kommen, der Mann, mit dem ich alt werde.

Ich war bereit für eine neue Beziehung. Gleichzeitig wollte ich allen, die mir gut zuredeten (“Du musst einfach vertrauen! Er kommt, wenn es soweit ist und wenn du es am wenigsten erwartest!”), am liebsten den Stinkefinger zeigen. Verzweifelter Single? Ich? Niemals. 

Während die Kinder in meinem Freundeskreis gefühlt wie Pilze aus dem Boden schossen, unterhielt ich meine Freund*innen mit lustigen Geschichten von heimlichem Festival-Geknutsche im Maschinennebel, romantischen Zufallsbegegnungen und absurd verlaufenden Online-Dates. Es war nicht so, als ob ich nicht genug neue Bekanntschaften machte.

Ich traf in den letzten Jahren eine ganze Parade an tollen Männern. 

Einen, der zwischen zwei Jobs, einem Vollzeit-Fernstudium, seinem Hund und seiner Exfrau keine Zeit für mich hatte. Einen, der keine Beziehung wollte und sowieso gerade wieder zurück in sein Heimatland zog. Einen, der einfach so gar nicht wusste, was er wollte. Einen, der fast ein Jahrzehnt jünger war als ich; und allen voran einen, der auf einem anderen Kontinent lebte und für den ich die falsche Religion hatte. 

Meine Beziehungen zu diesen Männern dauerten zwischen ein paar Tagen und einem Jahr und die meisten brachen mir nicht das Herz. Entweder war die kurze Dauer vorprogrammiert oder die Geschichte endete so, dass einer von uns beiden sagte: “Du, ich habe dieses Bedürfnis. Und ich glaube, deins ist ein anderes.” Diese Männer könnten unterschiedlicher nicht sein, aber sie haben eins gemeinsam: Sie waren ganz klar nicht verfügbar für mich.

Wenn ich ehrlich bin, war mir das auch immer von Anfang an bewusst, aber ich habe es drauf ankommen lassen. Ich wollte eigentlich jemand wollen, der mich auch WIRKLICH zurück wollte. Aber die Abenteurerin in mir fand dann immer die anderen spannend. Diese Zwickmühle beschrieb ich einmal in einem Gespräch mit einer Freundin so:

“Ich gehe in einen Supermarkt und möchte eine Kartoffel kaufen. 

Eine leckere, zuverlässige, vielseitige und schöne, runde Kartoffel, von der ich genau weiß was ich erwarten kann und die mich definitiv nicht enttäuscht. Auf dem Weg zu den Kartoffeln komme ich aber an einer Feige vorbei und denke: Boah, ja, genau, ich möchte diese Feige haben! Die gibt es nur für kurze Zeit und sie ist so lecker und was Besonderes!

Ich kaufe also nicht die Kartoffel, sondern die Feige. Und dann kommt der springende Punkt: Ich lege die Feige anschließend nämlich zuhause auf den Tisch und verlange von ihr, jetzt bitte eine Kartoffel zu werden. Denn eine Kartoffel, das war es ja, was ich eigentlich haben wollte.”

Genauso absurd wie die Idee, eine Feige könnte sich auf Kommando in eine Kartoffel verwandeln, ist die Vorstellung, dass Menschen sich drastisch für dich ändern.

Wenn jemand dir heute sagt, dass er*sie keine feste Beziehung will – glaube der Person, denn er*sie hat es dir deutlich kommuniziert. Wenn jemand ein vollständig anderes Leben führt als du dir das vorstellen kannst – frage dich, ob du dich denn für die Person total verändern würdest (wahrscheinlich nicht). 

In diesem Moment machen wir oft den Fehler, die anderen zu beschuldigen oder verletzt zu sein, weil sie nicht sind, wie wir sie gerne hätten.

Die Feige hat dir nie vorgegaukelt, eine Kartoffel zu sein. Deshalb kannst du ihr auch kaum vorwerfen, dass sie sich nun nicht in eine verwandelt. Niemand ist “schuld” an so einer Situation. Ihr beide habt einfach nur unterschiedliche Bedürfnisse, die nicht zusammen passen.

Ich bin sicher nicht die Einzige, die dann trotzdem zu hoffen wagt, dass sich etwas ändert. Und es ist eben auch nie so einfach. Jeder kennt Situationen, in denen mehr Unklarheit als Klarheit, mehr Hoffnung als Abgeklärtheit herrscht und man einfach von den Gefühlen überrollt wird, zur Hölle mit dem Gegenwind.

Trotz allem, was uns die Unterhaltungsindustrie vorgaukelt, habe ich im Laufe mehrerer Jahre und Beziehungen aber lernen müssen:

Love doesn’t conquer all. Und das ist okay.

Mein Exfreund und ich wussten recht schnell, dass unsere Grundwerte und Pläne nicht wirklich zusammen passten. Er lebte in einem anderen Land, einer anderen Kultur, und war obendrein noch fünf Jahre jünger als ich. Ich litt, immer wenn sich die Diskussionen über die Zukunft im Kreis drehten, wie ein Tier. Aber ich war auch glücklich. Der endgültige Abschied nach einem Jahr war traurig und schwer. Keiner von uns beiden wollte die andere Person verlieren oder verletzen, aber weitergehen konnte es eben auch nicht.

Erst ein Jahr nach der Trennung kam mir schließlich die Erkenntnis, dass ich immer noch sehr viel Liebe für ihn hatte und ich mir erlauben musste, diese auch zu spüren, obwohl ich ihn nicht zurück will. So klärte sich mein Verhältnis zu ihm schlagartig und ich konnte den Frust und die Trauer über das “Scheitern” und “die verschwendete Zeit” loslassen. Ich konnte aufhören, den*die Schuldige*n für die Trennung zu suchen.

Eine Freundin von mir war ein Jahr lang mit einem Mann zusammen, der keine Kinder möchte. 

Sie jedoch schon. Diese Differenz war von Anfang an klar kommuniziert und damit war auch klar, dass die Beziehung irgendwann zu Ende gehen würde. Statt gleich einen Schlussstrich zu ziehen, lebten sie ihre Liebe dennoch. Sie beide waren verzweifelt darüber, dass sie nicht dasselbe wollten. Wie viel Arbeit, Prozess und Kommunikation es bedeutet, das zu akzeptieren, und wie anmutig meine Freundin und ihr Ex-Partner diese Liebe durch- und erlebten, bewundere ich zutiefst. Mit ihrem letzten Urlaub war es dann soweit, Trennung. 

Sie sagte zu mir: “Weißt du, ich bin eigentlich gar nicht so wahnsinnig traurig, weil ich nämlich nicht verletzt wurde. Im Gegenteil, diese Beziehung war von Anfang an so ehrlich und auf viele Weisen so heilsam – ich kann meinen Weg weitergehen und denke nicht blöde Männer, alles Schweine.”

Dieser Satz hat meine Wahrnehmung von Trennungen komplett verändert. 

Denn es stimmt: Meistens ist niemand schuld. Manche Beziehungen enden, weil man alles voneinander gelernt hat und getrennt am Ende glücklicher sein wird. Und Verletzungen passieren vor allem dann, wenn man Schuldige sucht und nicht ehrlich kommuniziert.

Liebe ist nie eine Zeitverschwendung. 

Liebe oder brenne für die, die du eben liebst. Unbedingt! Lass dir nicht nehmen, diese vielleicht zum Scheitern verurteilten Beziehungen einzugehen. Deine Freund*innen werden dir vielleicht sagen, dass du dir Leid ersparst oder dass du Gefühle erst dann zulassen sollst, wenn die grundlegenden Fragen geklärt sind.

Solange dir klar ist, dass du gerade eine Feige vor dir hast und dass sie sich mit ziemlicher Sicherheit nicht in eine Kartoffel verwandelt: Genieß doch bitte die Feige!

Das Feigen-Kartoffel-Gleichnis hat es in meinem Freundeskreis schon zu einer gewissen Berühmtheit gebracht. Es sorgt für Gelächter und zustimmendes Nicken. In dem Moment, in dem ich es mir ausgedacht hatte, hatte ich meine Perspektive verändert und sah meine Gegenüber als das, was sie waren und nicht mehr als Projektionsfläche meiner eigenen Wünsche. Hätte ich jedoch nicht im Lauf der Zeit ein paar der Früchtchen gekostet, wäre ich wahrscheinlich nicht zu der Erkenntnis gekommen.

Vielleicht hilft dieser kleine Vergleich auch dir, deine Beziehungen ein wenig klarer zu sehen. Und am Ende wird dir sowieso keine Kartoffel für den nächsten Lebensabschnitt begegnen. Sondern ein viel wunderbareres Gemüse, das alle deine Erwartungen übertrifft (Oh ja. Happy End und so. Muss schon sein). 

Ich bin gespannt auf deine Erfahrungen – rein damit in die Kommentare! 

Love, Uli

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Titelbild © Anastasiia Balandina via Unsplash

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7 Kommentare / Schreibe einen Kommentar

  1. Ich habe mir jeden Satz auf der Zunge zergehen lassen.
    Egal, welches Gemüse man hier zum Vergleich heranzieht, das sind die klügsten Beziehungsworte, die ich seit langem gelesen habe! Danke, liebe Ulrike!

  2. Danke liebe Uli für deine tollen Worte und das Teilen deiner Erfahrungen. Du hast mir aus dem Herzen geschrieben und genau mein Thema getroffen. Die Feigen zu geniessen und gleichzeitig im Vetrauen bleiben, dass irgendwann DAS eine Gemüse bei mir ankommt ist nicht immer die einfachste Aufgabe;)

    Liebe Grüsse
    Sarah

  3. Ojjaaa Uli oja! Das letzte Jahr war auch voll an Feigen, obwohl ich nicht mal eine Kartoffel möchte. Sondern Feigensenf. Danke für diesen ehrlichen Artikel! Ich denke, es ist nicht so, dass ich die Feige nicht sofort erkennen würde, sondern eher die Tatsache, dass ich sie nicht als Feige akzeptieren möchte. “ Es ist die Akzeptanz. Und so wie du schreibst, eigentlich weiß man es eh von Anfang an, aber trotzdem will man es nicht glauben. “ Nein das kann nicht sein, du kannst jetzt keine Feige sein. Echt jetzt? Nein oder? BITTE NIIIICHT“ Also liebes Universum, ich bin bereit für mein richtiges Gemüse. Ein bisschen Feigensenf darf aber schon dabei sei, oder?

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