Me, myself and I: Wieso es wichtig ist, alleine sein zu können

Throwback 2019: Nach einer turbulenten Zeit mit dem Tod meines Papas und nach dem Abschluss meines Studiums schenkte ich mir eine große Packung Me-Time. Ich wollte durch Indien reisen. Alleine. Um meine innere Stimme zu hören. Um Antworten auf meine Fragen zu finden. Um zu heilen. Um meine Batterien wieder aufzuladen. Ich fühlte mich zum Glück dabei nie einsam und Alleinsein konnte ich schon immer ganz gut.

Neun Monate später kam ich zurück, traf meinen Freund – und dann kam Corona.

Vom Nomadenleben zurück in die eigene Wohnung, vom Alleinsein in die Beziehung. Nicht nur ich, auch viele in meinem Umfeld fanden sich auf einmal ohne Zwischenschritt entweder ganz allein oder immer im Doppelpack wieder. Als hätte die Pandemie alle dazwischenliegenden Facetten abgeschafft, denn lockeres Daten war nicht mit dem Hygienekonzept vereinbar. So nahmen neue, nicht platonische Beziehungen entweder richtig Fahrt auf oder wurden sofort im Keim erstickt.

Ich fühlte mich als plötzlicher Nicht-Single wunderbar und von diesen vielen heftigen Veränderungen erschlagen zugleich.

Ich war überfordert. Davon, nicht mehr alleine zu sein.

Davon, mir in einer frischen Beziehung Me-Time einzuräumen, während wir im Lockdown saßen, und das, ohne mein Gegenüber zu verletzen. Davon, aufgrund der Pandemie mit meinen Handlungen nicht mehr nur für mich, sondern auch für meinen Partner Verantwortung zu tragen. Davon, die einzige Bezugsperson für meinen Partner zu sein.

Ich spürte schnell, dass ich Zeit für mich brauchte. Weil ich meinem Anspruch, meinen Partner liebe- und respektvoll zu behandeln, nicht mehr gerecht wurde. Schnell genervt war. Nicht aufnahmefähig und eher halbherzig anwesend war. Aber ich hatte große Schwierigkeiten, sie mir einzuräumen.

Und dann fiel mir Osho vor die Füße.

„In der Liebe bist du im Wesen des anderen aufgegangen und hast den Kontakt zu dir selbst verloren. Du warst wie betrunken, warst darin untergegangen. Nun musst du dich erst selbst wiederfinden. Und sobald du allein bist, entsteht wieder das Bedürfnis nach Liebe. Bald bist du wieder so voll, dass du es gerne teilen möchtest.” – Osho in Liebe, Freiheit, Alleinsein, S. 335.

Allein sein zu müssen, um wieder Liebe geben zu können… Endlich fand ich äußeren Zuspruch darin, dass es völlig okay war, innerhalb einer Beziehung das Bedürfnis nach me-time zu verspüren. Und dass ich meinen Partner nicht weniger liebe als er mich, nur weil dieses Bedürfnis bei mir ausgeprägter ist.

Ich war angefixt und las weiter, was mir der indische Guru über Liebe und Alleinsein zu sagen hatte. Weiter beschreibt Osho, was bei Liebenden passiert:

„Liebe entsteht aus dem Alleinsein. Das Alleinsein macht dich übervoll, und die Liebe empfängt deine Gaben. Die Liebe macht dich leer, sodass du wieder voll werden kannst. Und jedes Mal, wenn die Liebe dich leer gemacht hat, ist das Alleinsein da, um dich zu nähren und zu integrieren. So entsteht ein Rhythmus.“ – Osho in Liebe, Freiheit, Alleinsein, S. 335.

Das Schwierige ist, den eigenen Rhythmus zu erkennen, ihn anzunehmen und dem*der Partner*in mitzuteilen. Verlaufen die Rhythmen innerhalb einer Beziehung nicht gleich, muss man darüber sprechen. Sich Raum geben, statt sich gegenseitig Vorwürfe an den Kopf zu knallen. 

“Learn to be alone and to like it. There is nothing more freeing & empowering than learning to like your own company.” – Mandy Hale

Als Nicht-Mehr-Single lernte ich ziemlich schnell, dass ich an Arbeit und Kommunikation nicht vorbeikomme, möchte ich weder meinen Partner, noch meinen Freiraum verlieren. Ich lernte, dass es ein gutes Stück Arbeit ist, klar und deutlich die eigenen Bedürfnisse zu formulieren und meine vorherige Herangehensweise à la “das wird sich dann schon von alleine regeln” nicht klappt.

Vom eingroovten Single-Mode umzuschalten und auf einmal nicht mehr nur sich, sondern auch den*die Partner*in mitzudenken, ist eine Umstellung. Sowas geht nicht von heute auf morgen. Es ist aber umso schöner zu sehen, dass sich glückliche Beziehung und me-time nicht ausschließen, sondern die beiden bestens koexistieren können. Und ich meinen Partner nicht weniger liebe, weil mein Bedürfnis nach Freiraum größer ist.

Tief in mir weiß ich, dass wir uns nicht nur in Interaktion mit unserer Umwelt, sondern auch im Gespräch mit uns selbst so erfahren, wie wir wirklich sind. Jede*r, der*die einmal zehn Tage Vipassana mitgemacht hat, weiß, wovon ich spreche.

Manche Antworten findet man eben nicht bei Google und auch nicht in Gesprächen mit Familie oder Freund*innen. Manche Antworten finden wir nur in uns, wenn wir ganz still werden und genau zuhören.

Sprich mit dir und hör dir zu! Denn die Art und Weise wie wir mit uns sprechen, kreiert wer wir sind in dieser Welt. Mehr als alles andere.

Nimm dir Zeit nur für dich. Das können ein paar Minuten sein, ein Ausflug in den Park oder ein Abend mit dir und dem Buch, das seit Wochen auf deiner Wishlist steht. Sei ehrlich zu dir und spür in dich hinein. Fühlst du dich unwohl bei dem Gedanken, alleine zu sein? Und wenn ja, wieso? Hast du vielleicht Angst davor, dass dir langweilig wird? Oder dass etwas zum Vorschein kommt, was du fein säuberlich vergraben hast?

Wie auch immer deine Antwort ausfällt, sei geduldig mit dir. Und wenn du magst, lass dich gern von meinen Alleinsein-Tipps inspirieren.

Meine Gedanken fürs Alleinsein:

  • Du verpasst nie etwas, außer du denkst, dass du etwas verpasst. Entscheidest du dich, heute lieber zuhause zu bleiben, dann war das in der Situation das Richtige für dich. Lass daran auch keine Insta-Story deiner Freund*innen rütteln, denen du bewusst abgesagt hast.
  • Übertreib es nicht mit Alleinsein, fang klein an. Geh mit dir ins Café. Oder eine Runde um den Block.
  • Setz dich nicht unter Druck! Erwarte nicht, dass du dich sofort total wohl fühlst. Wir sind Gewohnheitstiere! Gewöhn dich daran, mit dir zu sein und sei achtsam.
  • Unternimm etwas, das dir Freude bereitet! Wenn du allein bist, dann mach etwas, was du dir Freude bereitet und wobei du dich wohl fühlst. Das kann Journaling sein, Sport, etwas lesen oder alleine kochen.
  • Kommuniziere ehrlich. Sag deinem*r Partner*in, dass du Ruhe brauchst. Und dass es nichts mit ihm*ihr zu tun hat. 

Wenn du dich immer noch fragst, wieso ich so vehement dafür plädiere, dass wir alle gut mit uns allein sein können sollten, hab ich dir hier ein paar Argumente aufgeschrieben, wieso ich die Zeit so sehr schätze, die ich mit mir alleine verbringen darf. Vielleicht ist ja was für dich dabei.

Ich schätze es, Zeit mit mir zu verbringen, weil…

  • ich merke, dass ich dann wirklich ich bin. Mit allen weirden Gedanken und Brabelleien. 
  • ich die Ruhe genieße.
  • ich dann das tue, was mich wirklich interessiert.
  • ich meinen Gefühlen Raum und Gehör schenken kann und mich so zentrierter fühle.
  • ich Zeit habe, mich spirituellen Aktivitäten wie Yoga und Meditation zu widmen.
  • ich meine Batterien aufladen kann, sodass ich mich wieder mit voller Energie mit Freund*innen treffen und ihnen die Aufmerksamkeit und Zuneigung schenken kann, die sie verdienen. 

Was wir aus der Zeit mit uns mitnehmen, ist nicht nur gut für uns, sondern trägt sich auch in unsere Beziehungen weiter. 

Denn das neu geschöpfte Selbstvertrauen und die daraus gewonnene Verbundenheit zu uns selbst wirken sich automatisch auf sie aus. Ganz gleich ob es sich dabei um Kolleg*innen, Freund*innen, Familienmitglieder oder den*die Kassierer*in an der Supermarktkasse handelt.

Dein Monatsmantra: Ich bin genug. Ich feiere die Zeit, die ich für mich alleine habe.

Denk daran: Die einzige Person, mit der du garantiert den Rest deines Lebens verbringen wirst, bist du.

Also gewöhn dich lieber daran, mit dir zu sein. Und entdecke, wie wunderbar du bist.

Ciao!

Deine Julia

Titelbild © Sheila Ilzhöfer

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2 Kommentare / Schreibe einen Kommentar

  1. Liebe Kristina,
    das freut mich zu hören. Vor allem, dass so ein Austausch zwischen den beiden Seiten stattfindet :)
    Lieber Gruß
    Julia

  2. Julia dein Artikel passt wie die faust aufs auge;) exakt unser thema. Ich nib eher deib Freund. Tolle wie du beide Seiten verbindest. Hat sehr geholfen!

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