Das Licht ist gemütlich gedämmt, leise Naturklänge erfüllen den Raum.
Im Kreis vor mir sitzen die Paare meines neuen Hypnobirthing Kurses, die ich bitte, sich an den Händen zu fassen, so den Kreis zu schließen, um Verbindung miteinander zu erzielen und die Energie zu halten.
Im Anschluss bitte ich alle, weiterhin mit geschlossenen Augen in diese Energie hinein zu spüren und dann langsam die Verbindung der Hände zu lösen. Ich setze mich nun mit in die Runde und wir beginnen mit dem Gesprächskreis, in dem wir uns über unsere Gefühle der Situation und dem Kurs gegenüber austauschen.
Insgesamt wird es im Lauf des Kurses viel um Energien, das Räuchern und die heilende Wirkung der Klangwellen meiner Klangschale gehen. Ich gebe dazu auch viele praktische Tipps mit, damit alle die den Kurs beendet haben auch genug an der Hand haben, um sich ihre Hausgeburt so schön und esoterisch wie möglich zu gestalten.
Es kursieren allerhand Vorurteile rund um Hypnobirthing im World Wide Web und in den Köpfen der Menschen.
Ich nehme an, neben propagierter und zu erreichender Schmerzfreiheit bei der Geburt ist das oben beschriebene Szenario, zumindest so in etwa, auch dabei.
Und was soll ich sagen? Das ist natürlich Quatsch. Ich trage weder bodenlange Kleider, noch würde ich auf die Idee kommen, Schwangeren Räucherholz unter ihre geruchsempfindliche Nase zu halten. Und auch an den Händen fassen muss sich niemand.
Dass so viele glauben, das Ziel von Hypnobirthing sei eine schmerzfreie Geburt, ist wenig überraschend.
Denn leider geben einige Kursleiter*innen dieses Heilsversprechen.
Worum geht es denn beim Hypnobirthing, wenn nicht um irgendwelchen Eso-Kram?
Ein Vater, der einen meiner Kurse besucht hat, sagt in seinem Feedback Folgendes:
„Nach anfänglicher Skepsis, die ehrlicherweise in erster Linie einfach dem Wort Hypnose geschuldet war, muss ich sagen, dass ich, auch jetzt, bei der dritten Schwangerschaft, noch keinen überzeugenderen Kurs besucht habe. Hypnobirthing rückt das Thema Geburt, und alle Ängste die damit verbunden sind, auf sehr schöne Art und Weise in ein neues, von alten Dogmen befreites, Licht.“
Hypnobirthing ist eine Methode, um sich auf die Geburt vorzubereiten.
Sowohl die Schwangere, als auch die Person die ggf. bei der Geburt dabei sein wird, bekommen in den Kursen Skills an die Hand, die für eine selbstbestimmte Geburt hilfreich sind.
Im Wesentlichen sind es drei Säulen, die das Konzept stützen.
- Entspannung
- Atmung
- Visualisierung
Für das Kursformat oder auch die 1:1 Betreuung, die möglich ist, sieht das dann folgendermaßen aus. Ich sage gern zu Beginn des Kurses, dass ich einen Werkzeugkoffer an die Hand gebe, dass meine Teilnehmer*innen die Tools von mir bekommen, aber dass sie es sind, die lernen müssen, damit umzugehen. Das heißt vor allem: üben.
Mittels einer Audiodatei und der sogenannten Regenbogenentspannung wird im Idealfall täglich das Entspannen geübt. Wer regelmäßig Yoga übt und auch das Savasana nicht auslässt, weiß, dass auch das Loslassen und Entspannen reine Übungssache ist.
Drei spezielle Atemtechniken werden erlernt und unterstützen die jeweiligen Phasen der Geburt.
Und die Visualisierung spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. In verschiedenen Übungen wird das Bild der persönlichen, idealen Geburt erschaffen.
Neben diesen ganz konkreten Techniken sind es viele weitere Faktoren, die eine Rolle spielen.
So nämlich auch die geburtsbegleitende Person. Egal ob Partner, Partnerin, Tante, Vater, Mutter, beste Freundin, Onkel oder Nachbar. Wer auch immer neben dem fachlichen Personal die Geburt begleitet, wird in seiner/ihrer Rolle gestärkt. Denn die Statistenrolle und ein bedauerndes “ich wußte nicht was ich tun sollte” müssen wirklich nicht sein.
Außerdem appelliere immer wieder an meine Kursteilnehmer*innen, dass sie sich fragen, was ihnen wichtig ist. Denn nur wer weiß, was er/sie will, kann sich dafür einsetzen. Nur wer sich für seine Belange einsetzt, kann selbstbestimmt agieren.
Das Bild von Geburt ist medial sehr einseitig und auch das Erleben von Geburt ist, leider, mehrheitlich negativ.
Geburt ist schrecklich, schrecklich schmerzhaft und schrecklich fremdbestimmt. Frauen müssen da einfach nur durch um am Ende, nach hartem Kampf und erschöpft ihr Baby im Arm halten zu können.
Die werdenden Väter sind ebenso erschöpft, denn es hat sie ordentlich durchgerüttelt, ihre Frauen so leiden zu sehen ohne etwas tun zu können. Kommt dir das bekannt vor? Dann bist du nicht allein.
Es sitzen nicht Frauen in meinen Kursen, die das i-Tüpfelchen in Form von gut einstudierten Klangschalen-Beats auf ihre Hausgeburt setzen wollen.
Nein, mehrheitlich sind es Frauen, die für die Geburt in die Klinik wollen und die einfach Angst haben. Und genau darauf gehe ich ein. Zum einen mit den bereits genannten Säulen und mit der Hypnose, die sich im Namen verbirgt. Diese Hypnose ist natürlich keine, während derer mir alle ihre intimsten Geheimnisse verraten.
Wir üben Selbsthypnose, oder wenn du es lieber magst: Meditation.
Und warum hält es sich so hartnäckig, dass es beim Hypnobirthing darum geht, die Geburt schmerzlos zu erreichen?
Neben der Tatsache, dass das einfach erzählt wird, hat es natürlich schon auch Anhaltspunkte. Ich glaube, dass Geburt schmerzfrei möglich ist, dass es diese Ausnahmefälle gibt, ich glaube aber, dass es nicht mehr als rare Ausnahmen sind und, viel wichtiger, ich glaube, dass es darum gar nicht geht.
Vielmehr geht es darum, wie Schmerz beurteilt wird und wie man ihm begegnet.
Darum, was wir an der Hand haben um damit umzugehen und natürlich auch, hier kommen wir der Sache näher, Entspannungstechniken zu lernen, mit denen dem Schmerz begegnet werden kann.
Eine einfache Sache: Muskeln können in Bewegung entweder angespannt sein oder entspannt. Das Empfinden ist in beiden Fällen ein völlig anderes. Muskeln (der Uterus ist einer!) spielen bei einer Geburt auf körperlicher Ebene eine zentrale Rolle, also kann Entspannung natürlich auch beim Schmerzempfinden eine große Rolle spielen.
Durch gelernte Entspannung kann dem Schmerz etwas entgegengesetzt werden, seine Intensität verändert werden.
Vor allem aber steht für mich immer im Fokus, meinen Kursteilnehmerinnen das Vertrauen in sich und ihren Körper zu stärken und sie an ihre Wahl zu erinnern.
An ihre Selbstbestimmung. Klar zu machen, dass sie aktiv gebären und nicht entbunden werden. Und ich versuche, ihnen die Angst zu nehmen, die Angst, die sich bei fast allen aufgebaut hat, weil sie programmiert sind mit all dem Leid um Geburt das so viel geteilt wird. Geburt aus dem Schreckensszenario hin in den Bereich des gut Möglichen zu rücken.
Und um dorthin zu gelangen braucht es keine Klangschalen oder Räucherstäbchen, sondern die Neugier sich auf etwas Neues einzulassen und den Mut für die eigenen Bedürfnisse loszugehen.
Du interessierst dich für einen Hypnobirthing-Kurs?
In Berlin kannst du in einen von Lindas Kursen gehen. Und hier findest du Kurse in anderen Städten.
Über die Autorin
Der Grundstein war gelegt, als ihre Mutter in den 80ern auf einer Lammfelmatte Yoga übte, doch Linda nahm doch noch einige Umwege, bis sie sich schließlich selbst das erste Mal auf der Yogamatte wiederfand. Mit dem Blick über den Tellerrand hinweg suchte Linda sich Wege, um ihrem Wunsch nach Begegnung und Tiefgang nachkommen zu können. Im Beruflichen drückt sich das in ihrer Arbeit als Yogalehrerin, systemischer Coach und Hypnobirthing Kursleiterin aus. Linda liebt es, Menschen zu empowern und ist aus vollstem Herzen Mama dreier Kinder, während sie zeitgleich versucht, alle darum bestehenden Klischees aufzubrechen.