Triggerwarnung: Der Artikel nimmt Bezug auf sexualisierte Gewalt. Wenn du selbst Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch oder Nötigung gemacht hast, suche dir Hilfe und lies diesen Artikel lieber nicht. Hier kannst du Unterstützung finden.
Es war Ende Januar 2011, ich saß im Flugzeug und war sehr bewegt: Ich folgte meinem Herzen, lebte meinen Traum! Die letzten Wochen waren intensiv gewesen – ich hatte mein Leben von Grund auf entrümpelt: sämtliche Dokumente durchgesehen, Klamotten ausgemistet und Bücher verkauft. Ich hatte Möbel verschenkt, Dinge verstaut. Der Inhalt meiner Wohnung passte nun in die Abseite meines Flurs. Zurückkehren wollte ich nicht.
Ich wanderte aus zum Ort meiner Sehnsucht: Lissabon, die Stadt mit dem strahlend blauen Himmel und dem glitzernden Licht.
Bereits wenige Monate zuvor hatte mein Leben eine entscheidende Wendung genommen. Mit der Wandlung alter Selbstbilder hatte ich meine Sinnlichkeit entdeckt und begonnen, diese zu leben. Mein Leben war seitdem farbiger, intensiver, lebendiger geworden. Ich fühlte mich verbundener: mit meinen Gefühlen, Menschen meines Umfelds – und mit Männern, die meinen Kontakt suchten.
So kam ich an in Lissabon: aufgeregt und glücklich, mein neues Leben begann! Ich hatte einen Promotionsplatz an einem etablierten sozialwissenschaftlichen Institut, renommierte Betreuer*innen, exzellente Referenzen. Da ich bereits zuvor dort gelebt hatte, erwarteten mich enge Freundschaften, viele Lieblingsorte und ein Zuhause-Gefühl.
Die ersten beiden Wochen waren intensiv.
Einschreibung an der Uni, portugiesische Bürokratie, Umzug aus dem frisch bezogenen schimmeligen Zimmer, Wiedersehen mit Freund*innen. Ich war leidenschaftlich neugierig auf mein neues Leben, strahlte entsprechend und wurde ständig angeflirtet. Wenn meine Freund*innen keine Zeit hatten, ging ich allein aus, begierig, mit jeder Faser Teil des hiesigen Lebens zu werden.
Zwei Wochen nach meiner Ankunft nahm mein Strahlen ein jähes Ende.
Ein Unbekannter mischte mir, abends allein unterwegs, unbemerkt „Sleep Cinderella“ in mein Getränk, eine damals in Lissabon verbreitete Vergewaltigungsdroge. Er dosierte so hoch, dass ich komplett mein Bewusstsein verlor und monatelang schwerste Leberprobleme hatte, die sich in täglicher Migräne und Verdauungsbeschwerden äußerten. Ich kämpfte mit Schlafstörungen, depressiven Phasen und Angstzuständen, als PTSD-RTS (Rape Trauma Syndrome) beschrieben.
Aufgrund meiner heftigen Symptome fiel es mir schwer, den Anforderungen der Elite-Universität gerecht zu werden. Ich fühlte mich ausgezehrt, verbrannt. Es war, als würde das Feuer in mir, welches so hell gestrahlt hatte, schwinden.
Wie ich durch den Schmerz mein Feuer entdeckte: Control and let go!
Ich begann, mich intensiv mit der Feuerqualität zu beschäftigen, die ich aus meiner Arbeit als Mindful Embodiment Coach mit Klient*innen kannte.
Im Mindful Embodiment dienen die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft dem besseren Verständnis des Zusammenhangs von körperlichen Symptomen, emotionalen Ungleichgewichten und den Prägungen in bestimmten Entwicklungsphasen, sodass ungelöste emotionale Themen über den Körper aufgearbeitet und Symptome durch verkörperte, biografische Arbeit transformiert werden können.
Das Feuer ist ein aktives Element, es reguliert das Verhältnis zwischen Kontrolle und Erlauben, und hat dadurch viel mit Traumata zu tun. Es ermöglicht, durch das Zusammenwirken an- und entspannender Muskeln, Bewegung. Der Kern dieses Elements wird im Mindful Embodiment in Brustkorb und Armen verortet, es zieht sich in Form von Muskeln durch den gesamten Körper und reguliert elementare Lebensfunktionen wie Atmung und Herzschlag.
Mit der Arbeit mit dem Feuerelement können körperliche Symptome effektiv verändert werden, da diese durch Muskelverhärtungen sowie deren Folgen für Gewebe und Organe entstehen. Auch unsere passiven und nährenden Qualitäten können wir nur durch Loslassen leben: Erde (Ruhe, Vertrauen, Stabilität) und Wasser (Verdauen, Intuition, Wandlung). Wenn unser Feuer in Balance ist, kann unser Körper in seinen Selbstheilungsmodus finden.
Die Feuerqualität und die Herausbildung von Identität
Die Feuerqualität bildet sich zu Beginn der Teen-Jahre heraus, wenn nach den Erfahrungen von Stabilität und Versorgt-Sein (Erdalter, erste Lebensjahre) und der emotionalen Erforschung der Welt (Wasseralter, Grundschulzeit) die Herausbildung des eigenen Ausdrucks und der Identität beginnt. In der Pubertät fragen wir uns: Was bringe ich (von mir) in die Welt? Was will ich ausdrücken, wie will ich wahrgenommen werden? Was macht mich einzigartig? Für viele ist deswegen das Feuer-Alter eine verunsichernde, schmerzhafte und zugleich sehr prägende Lebensphase.
Feuer und Flamme sein
Das Feuerelement zeigt dir, wofür du brennst, es steht für Interaktion und Kreativität. In dieser Qualität gehst du los für deine Leidenschaften, drückst dich aus. Dein Feuer bringt dir Flexibilität und neue Möglichkeiten: Flammen wandeln sich ständig. Auch dies betrifft deine Identität, denn feste Vorstellungen davon, wer (oder was, und wie) wir sind, sind mentale Konstrukte.
Wenn wir hingegen volle physische Präsenz üben, können wir in jedem Moment anders sein, uns auf unterschiedlichste Weisen ausdrücken: Dann kann unser Körper uns zeigen, was er aktuell braucht, um sein volles Potenzial zu leben. Durch Loslassen werden wir also mehr wir selbst, leben unsere Einzigartigkeit und persönlichen Qualitäten: Doch dies ist mit Angst vor Ablehnung verbunden, denn viele von uns haben früh im Leben gelernt, unsere Herzen nicht zu zeigen, uns nicht verletzlich zu machen. Der Preis, den wir dafür (bis heute) zahlen, ist, unsere Leidenschaft, unsere Liebe zu dimmen.
Die Feuerqualität ist ungezügelte, verkörperte Freiheit. Your wild side!
Wenn dein Feuer ausgeglichen ist, hältst du dich nicht zurück, spürst dich selbst und dein Gegenüber, bist dadurch im wahren Kontakt. Du bist spontan, authentisch und lebendig: Du verkörperst dein Charisma. Diese Qualität bedeutet außerdem Mut und Würde. Das zu tun, was du willst, sowie für dich und deine Wünsche einzustehen, indem du deine Angst als Energie nutzt, durch die du ins Handeln statt in die Starre kommst.
Schmerz, Angst und das Feuer
Die Lebensthemen des Feuerelements sind Liebe und Schmerz. Wenn etwas wirklich dein Herz berührt, spürst du auch die Angst vor dessen Verlust. Vielleicht hast du auch schon erlebt, dass du bei Aufregung weniger atmest? Dies liegt an der Anspannung deines Zwerchfells, also einem Ungleichgewicht auf der Feuerebene.
Wenn du so (automatisch) auf Angst reagierst, erlebst du dich als Opfer und verkennst deine Macht, das Leben aktiv zu gestalten: Dann kannst du nicht deine passiven Qualitäten Intuition (Wasser) und Klarheit (Erde) nutzen, um einen nährenden Umgang mit einer herausfordernden Situation zu finden. Stattdessen bist du mit dir selbst beschäftigt.
Muster in den Muskeln, also Verspannungen, körperliche Symptome, führen zu Mustern im Handeln – zum Beispiel zu automatischen Reaktionen wie Unsicherheit, Taubheit und Härte. Damit halten wir über unsere Muskeln etwas in der Gegenwart fest, das vor vielen Jahren passiert ist: Schmerz oder Angst. Damit konservieren wir vergangene Erfahrungen in unserem Leben. Verkörperte Achtsamkeit bedeutet daher ganz konkret, das Feuerelement zu befreien: eigene Anspannungen loszulassen, um Neues zu erfahren.
Traumata werden auf der Feuerebene gehalten.
In Momenten überwältigender Erfahrungen haben wir uns selbst paralysiert. Dieser Freeze-Zustand half uns, nicht spüren zu müssen, was wir nicht aushalten konnten: zu viel Angst, Terror, Gewalt, Schmerz. Damals war dies die für uns beste Lösung. Heute jedoch liegt unsere Kraft darin, wieder aufzutauen, weich zu werden – trotz der Angst und des Schmerzes, die in der Anspannung gespeichert waren und somit wieder spürbar werden: Damit wir verdauen und integrieren können, was uns damals widerfahren ist. Damit wir es nicht weiter in unserem Leben halten, sondern verabschieden und heilen können.
Die Licht- (sic!) und Schattenseiten des Feuerelements:
Das Feuerelement strahlt. Genau deswegen dimmen wir unser Feuer, verbiegen uns und bringen damit viel Schmerz in unser Leben: Wir haben Angst davor, herauszustechen, denn es ist gefährlich. Wir könnten kritisiert oder zurückgewiesen werden.
Oder, wie in meinem Fall, könnte es die falschen Menschen anziehen: Als ich in meinem größten Strahlen, besonders charismatisch war, wurde mir Gewalt angetan. Dieses Ereignis hat mein Leuchten für einige Jahre gedimmt – weil mein Schmerz so groß war. Doch die Lösung liegt nicht darin, dein Feuer zu dimmen, indem du dich zurückhältst, klein machst: Denn damit verletzt du auch deine Liebe. Es geht vielmehr darum, alle Facetten deines Feuers zu leben, weich zu werden, dich mehr zu spüren in allem, was ist. Und in allem, was du bist. Sodass du, wenn sich etwas nicht gut oder sicher anfühlt, weich Grenzen setzen oder „schnell wie der Blitz“ deine Beinmuskeln nutzen kannst, um die Situation zu verlassen.
Burn, baby, burn!
Das Feuerelement symbolisiert das Lebensfeuer. Unsere Lebensenergie ist begrenzt. Wenn wir viel von ihr darin investieren, festzuhalten (uns selbst, unsere Vergangenheit, fixe Selbstbilder), haben wir weniger zur Verfügung für alles, was uns nährt und inspiriert, und wir schaden unserem Körper.
Aus deinem eigenen Schatten zu treten und dein Strahlen zu leben, kannst du bewusst entscheiden: Wenn du dein Feuer entflammst, um deine Angst zu transformieren, kannst du dich selbst befreien und deine Wahrheit leben! Du bist genährt von deinem eigenen Licht und im Einklang damit, was dein Herz berührt und wofür du brennst. Verbunden mit deiner wahren Feuerqualität, bist du im authentischen Kontakt mit anderen und verkörperst Charisma – ohne dich an dir selbst zu verbrennen.
Mit dem Feuer durch meine Angst
Die Besinnung auf mein Feuer half mir, meinen Schmerz zu heilen und meine Angst zu transformieren – sodass mein Licht wieder genährt wurde. Ich habe meinen Weg zurück in mein Strahlen angetreten und bin mehr denn je mit meiner Liebe verbunden.
Wie du deine Feuerqualität im Alltag mehr leben kannst:
- Lebe deine Kreativität! Male, baue, bastle, musiziere, koche…
- Spüre bewusst deine Hände, Arme Schultern – bei allem, was du tust: Wie fühlt es sich an, etwas zu berühren/ zu schneiden/ zu greifen/ zu halten?
- Kultiviere deine Neugierde! Erforsche, spüre und entdecke Neues.
- Nimm dir Momente für bewusstes Atmen in den Brustkorb. Spüre den Raum in dir.
- Lege deine Hände aufs Herz, spüre den Schlag: Es schlägt für dich, seit du bist.
- Wer berührt dein Herz, und warum? Mache dir eine Liste, danach gehe in Kontakt mit diesen Menschen und drücke deine Wertschätzung aus.
- Wo wünschst du dir noch mehr Kontakt, noch mehr Liebe in deinem Leben?
- Wie möchtest du sein? Was möchtest du in die Welt bringen?
Mit diesem kurzen Mindful Embodiment-Trainingsset stärkst du deine Feuerqualität:
- Stehend, schließe deine Augen und atme bewusst in den Brustkorb: Achte darauf, ob dein Brustkorb sich in vier Richtungen ausdehnt: Vorn, hinten, rechts und links.
- Lasse deine beiden Schultern (bei herabhängenden Armen) zehnmal nach hinten, und dann zehnmal nach vorn kreisen.
- Übe Adlerarme: Schultern und Ellenbogen jeweils im 90°-Winkel, Arme ineinander verwickelt vor dem Brustkorb, die Handflächen gegeneinander. Nun bewege die Arme so fünfmal auf und ab. Wechsle die Seite und wiederhole.
- Lasse deine Arme hängen und schwinge sie, mit nach hinten zeigenden Handflächen, parallel und kraftvoll, bis nach ganz oben (Fingerspitzen zeigen in den Himmel). Atme dabei kräftig, mache den Schwung mindestens zehn Mal.
- Schließe deine Augen, atme in den Brustkorb, spüre die Ausdehnung mit jedem Atemzug in alle vier Richtungen: Was hat sich verändert? Was nimmst du wahr? Wie ist dein Energielevel? Wie spürst du deinen Ober-, wie den restlichen Körper?
Trage dein Licht in die Welt – niemand sonst kann auf genau deine Weise leuchten!
Sei das Licht am Ende deines Tunnels – du bist frei.
DARE AND SHINE!
Stella
Titelbild © Almos Bechthold via Unsplash
Über diese Serie:
In Mindful Embodiment stellt dir Stella diesen Ansatz vor, welcher ermöglicht, die Zusammenhänge zwischen Körper, Geist und Seele zu beschreiben und damit bewusst Veränderungen im physischen, emotionalen und spirituellen Zustand zu initiieren.
In dieser Serie beschreibt Stella die Grundlagen von Mindful Embodiment, wie das Verständnis menschlichen Seins über fünf Qualitäten und vier Elemente, und wie du diese für dich nutzen kannst. Hier geht’s zum letzten Artikel.
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- Stella bietet Mindful Embodiment-Transformationsprogramme an, in denen sie dich unterstützt, dein Feuer zu stärken, Charisma zu verkörpern und deine persönliche Freiheit zu leben
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Als Feuerkünstler war es für mich sehr interessant vom inneren Feuer zu lesen.