„Ich bin verliebt, und zwar in meinen Yogalehrer!“ Das Klischee wurde für mich in Indien zur Realität. Statt meinen Fokus wie geplant nach innen zu richten, verliebte ich mich nämlich in den heißen Lehrer eines Ashrams. Der Beginn einer turbulenten Beziehung, die mit ihren ganz eigenen spirituellen Herausforderungen bis heute anhält.
„Mein Freund und ich starten in den Morgen, indem wir uns warmes Wasser mit Zitrone teilen, nach gemeinsamer Meditation schwingen wir uns dann aufs Rad und fahren zur Mysore-Praxis.“
Als ich Sabines Artikel „Hilfe, mein Freund ist kein Yogi!“ las, musste ich schmunzeln. Vor allem ihre utopische Beschreibung eines spirituellen Optimalpartners entlockte mir ein herzhaftes Lachen – denn um ehrlich zu sein führen mein Freund und ich ziemlich genau solch eine Beziehung.
Brahmamurhurta: Die göttlichen Augenblicke vor Sonnenaufgang
Während die meisten unserer Freund*innen am Wochenende ausschlafen, klingelt bei uns der Wecker täglich um kurz nach 5. Kaum eine Zeit des Tages eignet sich so gut für die Praxis wie die sattvischen Momente am Morgen, in denen alles still ist und die Natur noch friedlich ruht. Da sind wir uns einig.
Nach kurzem Innehalten auf der Bettkante sind die Rollen klar verteilt: Er kümmert sich um warmes Wasser mit Zitrone und chantet Mantren, während ich mit meinem Räucherwerk durch alle Zimmer laufe. Denn wer startet schon gerne mit negativen Energien in den Tag?
Im Anschluss wird geübt, egal ob zu Hause oder auch im Studio um die Ecke: Die Matten werden meist nebeneinander ausgerollt.
Doch nicht nur in puncto Morgenroutine sind wir ein eingespieltes Team.
Sei es Ernährung, Urlaubsplanung oder allgemeine Ansichten übers Leben: Wir sind erschreckend oft einer Meinung. Doch gerade weil mein Freund mindestens genauso leidenschaftlich wie ich Yoga übt, birgt unser Zusammenleben besondere Hürden.
Diesen fünf Herausforderungen musste ich mich bisher stellen:
1) Liebestöter Yoga: Wenn die spirituelle Praxis für Flaute im Bett sorgt
Sex und Yoga: Passt das eigentlich zusammen? Gerade unter Yogis wird oft diskutiert, wie kompatibel die beiden tatsächlich sind. Immerhin kostet jeder Höhepunkt viel Energie, die man auch auf andere Zwecke umleiten könnte. So gibt es beispielsweise einige Yogapraktiken, die einen bei zielgerichteter Fokussierung sexueller Energien der Erleuchtung näher bringen sollen.
Auch für uns ist Brahmacharya, die Enthaltsamkeit, ein Thema, das immer mal auf den Tisch kommt. Insbesondere wenn mein Freund mal wieder mit tollen Einfällen nach Hause kommt, zum Beispiel dass er ein 45-tägiges Sadhana-Intensivprogramm absolvieren wird, und mir stolz verkündet, dass Sex für diese nächsten eineinhalb Monate tabu ist. Denn gefragt wird frau da nicht, ob das ihrer Libido passt.
2) Zukunftsplanung: Wenn sich keiner festlegen will
Mein Freund und ich leben im Moment. Fühlen uns im Hier und Jetzt pudelwohl und verschwenden nur wenige Gedanken an das, was kommen mag. Familienplanung und Altersvorsorge sind Begriffe, die wir gerne vor uns herschieben.
Doch auch wir werden älter und sehen uns zunehmend mit essenziellen Themen konfrontiert, die uns schnell an unsere “Commitment”-Grenzen bringen. Entscheidungen, die über die nächste Woche hinausgehen, sind einfach nicht unser Ding. Wer weiß schon, ob wir in ein paar Monaten überhaupt noch am Leben sind?
Wenn es darum geht, langfristige Entscheidungen für die Beziehung zu treffen, wünschte ich mir manchmal einen Partner, der selbstbewusst das Zepter in die Hand nimmt und ansagt, wo es lang geht.
Doch egal wie oft wir uns bei manchen Themen im Kreis drehen, das Leben mit einem Freigeist bietet auch seine Vorteile, die ich nicht mehr missen möchte: Spontaneität und Unabhängigkeit geben uns nämlich das einzigartige Gefühl, dass alles zu jeder Zeit möglich sein kann.
3) Mein Guru: Eine Illusion
„Oft verlieben wir uns in das Potenzial einer Person, nicht in das, was sie wirklich ist.“
Seine Leidenschaft und Hingabe fürs Yoga haben mich von Anfang an in den Bann gezogen. Doch ich lernte ihn in seiner Rolle als Yogalehrer kennen und ließ mich von der Leichtigkeit und Disziplin, die er im Ashram verkörperte, ein wenig blenden.
Naiv idealisierte ich meinen Freund und musste beim Zusammenziehen mit Erschrecken festellen, dass er genauso ein Mensch ist wie jeder andere auch. An manchen Tagen die Matte lieber gegen die Couch eintauscht und Junk-Food isst, statt sich hingebungsvoll seiner Praxis zu widmen.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich meine utopische Erwartungshaltung ablegen konnte, um ihm als der Person zu begegnen, die er wirklich ist.
4) Sadhana: Mind your own business
So traumhaft es klingen mag, jeden morgen die Matten gemeinsam auszurollen, so anstrengend kann es sein, wenn einer von beiden mal ein Tief hat. Jeder kennt sie, die Tage an denen man partout keine Lust hat zu üben. Doch bei einem Yogalehrer, der über 100 Klassen im Monat unterrichtet, kann es schonmal vorkommen, dass solch eine Phase andauert.
Zu Beginn konnte ich es nicht lassen und kommentierte seine mangelnde Disziplin. Geduldig ließ er meine Klagen über sich ergehen, bis er anfing, mit dem Finger in den Wunden meiner Praxis herum zu stochern. Da war mir klar: Die Praxis des Partners ist nicht meine Sache. Und meine ist nicht seine.
5) Ego-fights: Mit einem Yogalehrer zu streiten macht keinen Spaß
Trotz jahrelanger Yogapraxis liebe ich es manchmal, so richtig unsachlich zu streiten. Stur auf meiner Meinung zu beharren ohne jemandem sanft beizupflichten. Nicht, weil ich zwangsläufig immer Recht habe, sondern vielmehr weil ich mich danach verdammt gut fühle und es manchmal einfach sein muss. Doch diese Art von Streit ist nur befriedigend, wenn das Gegenüber auf gleichem Niveau mitzieht, nämlich unter vollem Einsatz des Egos.
Bei meinem Freund stoße ich da allerdings auf Granit. Er bezeichnet Ego-fights als pure Zeitverschwendung und bittet mich stets, “doch erst mal runter zukommen, damit wir die Sache vernünftig regeln können.” Ein Satz, der mich noch immer regelmäßig auf die Palme bringt. Denn er hat ja noch dazu recht damit.
Hauptsache: Gemeinsam wachsen
Im Großen und Ganzen spielt es glaube ich keine wirklich große Rolle, ob der eigene Partner die Leidenschaft fürs Yoga teilt oder nicht. Jede Beziehung bringt ihre eigenen Herausforderungen mit sich und somit auch stets Chancen für spirituelles Wachstum, ungeachtet der Tatsache, ob der Freund nun Vollblutyogi ist oder nicht.
Wie empfindest du die Rolle von spiritueller Praxis in Beziehungen? Welche Erfahrungen hast du gemacht? Ich bin gespannt auf deinen Kommentar!
Alles Liebe,
Deine Franzi
5 Kommentare / Schreibe einen Kommentar
Hey Franzi,
Ich bin etwas spät dran mit meinem Kommentar, aber hättest du lust sich mal auszutauschen? Mein Partner ist auch sehr spirituell. Ich auch, allerdings stecke ich so in einer Zwischenphase, wo ich vieles weiß und die Spiritualität tief in mir verankert habe, aber dennoch oft noch Ego in mir hochkommt (natürlich unterbewusst).
Würde mich mega freuen!
LG
Diana
Es ist schon verrückt wenn man sieht wie unterschiedlich die Meinungen von einer perfekten Beziehung sein können. Für mich selber wäre so eine Beziehung ja so überhaupt nichts :D aber dennoch war es sehr interessant zu lesen und während ich das hier schreibe bin ich am überlegen ob ich aus dem Artikel etwas für mich und mein Leben mitnehmen kann. Eigentlich war ich ja immer der Meinung gerade die Unterschiede machen eine Beziehung interessant und gut. Aber hier sieht man genau das Gegenteil. Ob es hier überhaupt ein richtig oder falsch gibt ist schwer zu sagen manchmal glaube ich ich würde Probleme mögen :D Jedenfalls sehr schöner Artikel hat mir gefallen :)
Lieber Magdalena,
wie schön, dass du Spaß beim Lesen hattest :)
Ich habe beides erlebt (Beziehung mit einem Nicht-Yogi, der meinen Asanas gerne mal lustige Namen gab + Beziehung mit einem Yogi) und finde, dass beides seine Vor- und Nachteile hat. Wichtig ist vielleicht, dass man nicht zwangsläufig nach dem Kriterium auswählt, sondern es so nimmt wie es kommt. Für mich war es nie eine Priorität einen Yogi-Freund zu haben, habe mir da nie drüber Gedanken gemacht. Es kam einfach, wie es kam :)
Liebe Grüße,
Franzi
Hallo Franzi,
Herrlich zu lesen. ?
Mein Freund kann Yoga so eigentlich gar nichts abgewinnen. (Sagt er)
Doch eigentlich meint er damit nur das „Tanzen“ wie er es manchmal nennt. Denn in seiner Einstellung, ist er manchmal mehr Yogi als ich. Aber wehe man sagt es ihm. ? Hin und wieder führt das zu lustigen Momenten.
Ganz liebe Grüße
Maria
Liebe Maria,
vielen Dank fürs Vorbeischauen :)
Ja, kenne ich nur zu gut. Zwar nicht mit meinem Freund, aber mit Freunden. Irgendwie sind wir alle kleine Yogis, ob es uns lieb ist oder nicht ;)
Liebe Grüße,
Franzi