Eva versus Lilith – Wie viel Freiheit darf ich als Mutter genießen?

Ich liege in den Armen eines Mannes, unsere Körper eng miteinander verschlungen. Draußen prasselt der Regen an die Fensterscheibe. Hier drinnen verschmelzen unsere Körper und unser Atem miteinander. Ein wunderschöner Moment. Ein unglaubliches Geschenk. Ein Geschenk, das ich jedoch nicht ganz genießen kann. Denn nebst der Freude über das sinnliche Hier und Jetzt klopft da auch noch etwas anderes an: das schlechte Gewissen. 

Eine Woche habe ich mir frei genommen, um aufzutanken. 

Um meinen sinnlichen Bedürfnissen nachzugehen. Darf ich mir so viel freie Zeit als Mutter eines Vierjährigen nehmen? Freie Zeit, in der ich mich amüsiere, meine Weiblichkeit feiere und meine Sexualität? 

Ich bin ungebunden, getrennt von dem Vater meines Sohnes, Single und eigentlich frei. Und dennoch gibt es immer wieder Momente in denen ich das Gefühl habe, dass ich mir als Mutter nicht so viel Raum für mich selbst nehmen darf. Vor allem nicht so viel sinnlichen Raum. 

Ich habe das Gefühl, dass man das als Mutter nicht macht.

Dass man gefälligst zuhause zu sein, Wäsche zu waschen und zu kochen hat. Oder mit den Kindern zu basteln. Rational ist mir schon klar, dass dies nur ein Bild von Mütterlichkeit ist. Trotzdem wirkt dieses über Jahrzehnte konditionierte Bild immer wieder stark  in mir. 

Und dabei gibt es niemandem im Außen, der mir derartiges Feedback gibt. Der mir sagt oder mir zu verstehen gibt, dass ich als Mutter nicht das Recht habe, meine Sexualität auszuleben. 

Warum fällt es mir dann so schwer, meine freie Zeit einfach zu genießen? Warum bekomme ich als Mutter so ein schlechtes Gewissen, wenn ich von meinem existenziellen menschlichen Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung Gebrauch mache? 

Der Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz hat für dieses Dilemma eine Erklärung gefunden.

In seinem Buch „Der Lilith-Komplex“* nennt er als Ursache den Konflikt zwischen den beiden archetypischen Frauenbildern: Eva und Lilith, zwei mystische Frauenfiguren, welche die unterschiedlichen Prinzipien des Weiblichen verkörpern. Eva, die aufopferungsbereite Frau und Mutter steht der vom Patriarchat dämonisierten unabhängigen und sexuell aktiven Lilith gegenüber. 

Lilith als wolllüstiges Weib und Eva als unterwürfige Heilige.

Die Heilige und die Hure stehen sich gegenüber. Eine Dualität, die ich als Frau in mir immer wieder wahrnehme, vor allem seit ich Mutter bin. Eine Dualität, die mich mit Scham und Angst konfrontiert. 

Die Scham über die eigene Lust, das Bedürfnis auch mal aus der Mutterrolle heraus zu treten und meine Autonomie zu genießen. Und die Angst davor, nicht richtig zu sein. Meinem Kind zu schaden. Meiner Mutterrolle, oder zumindest dem Bild was ich davon im Kopf habe, nicht gerecht zu werden. 

Ich denke, dass ich damit nicht alleine bin, denn in unserer Gesellschaft gibt es ein sehr idealisiertes Bild der Mütterlichkeit.

Auch heute ist es größtenteils noch so: In vielen Köpfen hat eine Mutter vor allem anderen die Aufgabe zu hüten, zu nähren, immer parat zu stehen. Klar, die moderne Mutter geht arbeiten. Aber ist es auch okay, wenn sie an einem Feiertag mal auf auf eine Party geht, statt daheim Kuchen für den Kindergeburtstag zu backen? 

Frauen wird ungerne Macht, Lust und Freiheit zugestanden. Dagegen werden Unterwerfung, Keuschheit und Fürsorge erwartet. Und viele Menschen sind irritiert von Frauen, die nicht voll und ganz in ihrer Mutterrolle aufgehen und auch noch ihre anderen Seiten ausleben möchten. 

„Die Christen haben ‚Mütterlichkeit‘ mit dem Marienbild in metaphysische Höhen entrückt, die Nazis haben Mutterschaft in verbrecherischer Weise mißbraucht, Teile der Frauenemanzipation haben das Mütterliche abgewertet und als konservativ-reaktionäre Einstellung abgestempelt. Die Mehrheit der Menschen pflegt ein idealisiertes, unkritisches Mutterbild!“ – Hans-Joachim Maaz

Laut Maaz führt die Trennung der zwei Seiten der weiblichen Existenz – Eva und Lilith – oft zum Konflikt in der Mutterschaft.

Vor allem, wenn die lustvolle, sinnliche und leidenschaftliche Seite der Lilith unterdrückt und dem heiligen Mutterduktus der Eva unterworfen wird. Denn als Frauen haben wir mehr in uns als die mütterliche Seite, als hüten, pflegen nähren. Doch allzu oft werden gegenläufige Impulse unterdrückt. 

Dann gibt es unterschwellige oder bewusste Vorwürfe an den*die Partner*in, an die Kinder. Wir projizieren unser inneres Dilemma, unsere Zerrissenheit auf unsere Familien: Weil ich jetzt Mutter bin, kann ich das und das nicht mehr machen. 

„Die junge Mutter, die ihre lustvolle und sinnliche Seite verleugnet (….) wird aus genervter Überforderung und vorwurfsvoller Gereiztheit ihrem Kind Ablehnung vermitteln.“ – Hans Joachim Maaz

Gott sei Dank gibt es Auswege aus dem Schlamassel! Maaz beschreibt sie in seinem Buch ‘Wenn wir wieder fühlen können: Auswege aus dem Lilith-Komplex’*. Für mich sind es vor allem drei Aspekte: Ehrlichkeit, Authentizität und die Bereitschaft zu fühlen.

Kann ich mir eingestehen, wenn mich die Mutterrolle mal überlastet und kann ich dies auch ehrlich meinem Kind kommunizieren?

Wenn wir ehrlich und authentisch mit unseren Kindern, unserer Familie, kommunizieren, dann ist das ein großer Gewinn für alle: „Ich mag jetzt nicht! Mir ist das gerade zu viel, ich fühle mich überfordert.“ Ich spreche klar über meine Gefühle, statt meinem Kind dies auf indirekte und subtile Art und Weise mitzuteilen und ihn so mit der Frage, was gerade wirklich los ist, alleine zu lassen. 

>> Tipp: Tolle Kurse zum Thema authentisches Elterndasein bietet die Berliner Plattform TransParents an.

Auszeiten vom Mama-Sein

Was ich ganz essentiell finde um wieder bei mir anzukommen: Ich nehme mir immer wieder Zeiten nur für mich. Zeiten, in denen ich ohne Kind bin und mich als Mensch und weibliches Wesen auch außerhalb der Mutterrolle erfahren und erleben darf. Denn eine gute Mutter ist vor allem eine entspannte und eine zufriedene Mutter. 

Und auf einmal bin ich unendlich dankbar, dass ich als Frau in dieser Zeit und in diesem Land leben darf. Dass ich so viele Freiheiten habe, dass ich mich frei erfahren und ausprobieren darf. Dass es eigentlich niemandem im Außen gibt, der mich in eine fixe Mama-Schublade steckt. 

Außer vielleicht manchmal ich selbst.

Alles Liebe,

Daniela

Titelbild © Soroush Karimi via Unsplash

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4 Kommentare / Schreibe einen Kommentar

  1. ich kenne dieses Dilemma aber es ist auch mal notwendig sich Zeit für sich zu Nehmen und sich eine Auszeit für sich zu nehmen sonst tut man weder sich noch seinen Kind etwas gutes

  2. Liebe Daniela, vielen Dank für diesen Beitrag. Ich bin auch in dieser Situation und habe mir oft die gleichen Gedanken gemacht. Ich weiß nur nicht, wieso mir gerade ein Mann mit einem Buch erklären will, in welchen Rollen Frauen festhängen!? Vielleicht findest du auch eine Frau, die sich progressiv mit diesem Thema beschäftigt! Ich meine, schon allein, dass die inneren Konflikte der Mutter auf Eva und Lilith bezogen werden und dass der Mann sich dann befähigt fühlt, mir Auswege aus dem Lilith-Komplex zu zeigen… Hast du das Buch denn gelesen? Ich hab nur mal reingeschnuppert und stoße da oft an meine Grenzen.

    1. Ich würde gern noch ergänzen, dass es sich bei dem Autor um einen christlich-konservativen Menschen handelt, der sich mit AfD, Pegida und Co. ganz gut arrangieren kann. Ich fand Aussagen, die sich gegen alleinerziehende Frauen und andere Formen von Familie (außer Mutter-Vater-Kind) richten; oder auch Aussagen, die Rechtsextremismus verharmlosen usw… Was hat denn dieser Autor auf einer Seite wie dieser zu suchen?! Also jetzt mal ehrlich, findet sich keine Frau, die man zu diesem Thema zitieren kann?!

  3. Hallo Daniela, ich kann diese Zerssenheit auch als Nicht-Mutter vollkommen nachvollziehen. Das ist auch glaube ich kein eigentliches Mutterproblem, sondern ein Gesellschaftsproblem, wie das Thema „Frau sein“ bewertet wird. Das fängt schon mit der Erziehung an. Ich glaube viele Frauen beschäftigen sich nicht damit, wie sie sich bzw. sich als Frau sehen wollen. Man bekam von klein auf Rollen übergestülpt, wie man zu sein hat und hat das früher irgendwann so angenommen ohne es zu hinterfragen. Das wurde sozusagen zur eigenen Identität. Daher auch die Schuldgefühle. Die Bedürfnisse, Wünsche sowie Qualitäten von Frauen werden gerne unter den Teppich gekehrt. Unsere Gesellschaft wertet die Frau auch nicht als gleichwertig. Sonst würde es nicht so viele Unterschiede geben, alleine schon bei der Bezahlung und den Serviceleistungen für Frauen. Frauen zahlen für das Meiste überall mehr. Und nehmen das hin. Weil sie entweder das als „normal“ erachten oder sich nicht trauen dazu etwas zu beantstanden. Ich finde Frauen sollten sich viel mehr mit sich und ihren Wünschen auseinandersetzen und sich für diese einsetzen. Man ist nicht nur Frau als Mutter, sinnliche Frau, Freundin, etc. sondern man ist auch Mensch. Und jeder st dazu verpflichtet sich glücklich zu machen. Und dazu hat jeder Recht.

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