Der Bass vibriert. Ich schließe meine Augen. Lasse mich von den Tonwellen tragen. Der Beat führt mich auf eine Reise zu mir selbst. Ich gebe mich vollkommen hin…
Ecstatic Dance ist das Clubbing für Yogis.
Die Berliner Feier-Szene ist ja dafür bekannt, die Nacht zum Tag zu machen und sich für einige Stunden – oder das ganze Wochenende – vollkommen den Beats zu verschreiben, Wochentag und Uhrzeit zu vergessen. Die Spiri-Szene macht’s den Feierwütigen nach, nur eben auf ihre Art. Ohne Alkohol oder Drogen und barfuß. Trotzdem werden ekstatische Zustände versprochen.
Die erste Ecstatic Dance Community wurde 2008 in Oakland in Kalifornien gegründet. Inspiriert von den hawaiianischen Tänzen auf dem Big Island machte Donna Carola, die Mitgründerin der westlichen freien Tanzbewegung, die Events international bekannt.
Hüpfen, Stampfen, Schweben, Drehen oder einfach nur in Savasana auf dem Boden der Musik lauschen. Alles ist erlaubt. Jede Altersschicht ist und jede Nation ist herzlich willkommen. Beim Ecstatic Dance wird Einheit in Diversität geschafften und zelebriert.
Ich bin verdammt neugierig geworden: Kann man sich ohne berauschende Mittel in einem Raum mit Wildfremden völlig gehen lassen? Welches Heilungspotential steckt hinter dem meditativen Tanzen? Und findet man das Glück jetzt durch Tanzpartys statt beim Yoga?
Ich habe mich auf die Reise gemacht und eine Tanzparty à la Spiri besucht.
Als ich den Raum betrete, in dem bald wild getanzt werden soll, sitzen alle im Kreis, dem sogenannten Opening Circle. Begrüßt werden alle Besucher*innen der Ecstatic-Dance-Veranstaltung in einer kurzen Kennenlernrunde vom DJ a.k.a. Zeremonienmeister, gefolgt von einer zentrierenden Atemmeditation. Zu trinken gibt es beim spirituellen Vorglühen einen peruanischen Kakao, der das Herz öffnen und uns somit perfekt auf die besondere Experience vorbereiten soll.
Jeder ist dazu eingeladen, für sich alleine oder mit anderen zu tanzen, alles ist erlaubt. Nichts muss. Handys sollen jetzt ausgeschaltet werden, kommuniziert wird nur noch non-verbal.
Das Intro ertönt. Ich bewege mich langsam und noch etwas unsicher mit schüchternen Bewegungen zu den melodischen Oriental Deep House Beats. Typischer Feiermodus mit Bier in der linken und Zigarette in der rechten Hand ist heute nicht. Small-Talk führe ich nur mit meinen Gedanken. Was denken die anderen bloß?…Sieht das nicht völlig abgespaced aus, wie ich mich da bewege? Schamgefühle tun sich in mir auf.
Freies Tanzen ist ein Akt von Mut, die Kontrolle abzugeben und sich auf das Hier und Jetzt einzulassen.
Ich blinzle nach links und rechts. Die anderen bewegen sich völlig hemmungslos zur Musik. Die sind wohl schon auf ihrer X-ten Ecstatic Dance Party. Das hier ist für mich Neuland.
Ich atme tief ein in meinen Körper. Trau dich Lea. Vertrau dir. Geb dich dem Flow hin. Hab Spaß, flüstert mir meine innere Stimme sanft zu.
Ich merke schon. Less thinking, more feeling ist für den heutigen Abend mein Mantra. Einen Mutausbruch später:
Ich fühle mich high, vom Hier und Jetzt. Berauscht von meiner eigenen Lebenskraft, die durch mich strömt.
Innere Klarheit stellt sich ein und ich bin super präsent. Im Hier und Jetzt. Fühle mich wohl in mir und grinse mit geschlossenen Augen über das ganze Gesicht. Mein Körper bewegt sich jetzt fast autonom zu dem melodischen Handpan unterstrichen von impulsiven Goa-Beats. Ich bin energiegeladen, spüre wie das Prana in mir kocht und frage mich: Wo geht die nächste Party? Der afterglow ist keine Erfindung!
„To dance is to be out of yourself. Larger, more beautiful, more powerful. This is power it is glory on earth and it is yours for the taking.“– Agnes de Mille
Aber wie kommt man nun in diesen viel versprochenen beseelten Zustand?
Es geht darum, das Ziel loszulassen, beim Tanzen besonders sexy oder cool aussehen zu wollen. Niemandem gefallen zu müssen. Vom Denken mehr ins Fühlen zu kommen. In den Körper zu spüren und die Kontrolle abzugeben. Sich ganz der Musik hinzugeben. Und dabei ganz achtsam den verschiedenen Komponenten der Musik zu lauschen.
Wenn du zwanghaft versuchst in diesen Zustand zu kommen…forget it, das Gefühl wird nicht kommen. Lass los und mache dich frei von den gedanklichen Konditionierungen, etwas erreichen zu müssen. Sei einfach präsent mit dir. Das ist alles.
„Dance is a song of the body. Either of joy or of pain“ – Martha Graham
Tanzen und Punk Rock waren für mich schon in im Teenage-Alter die beste Medizin gegen Miesepeter-Laune.
Punkrock und eine Runde völlig hemmungslos abshaken brachten mich schon früher von 180 auf den Boden der Tatsachen zurück. Tanzen war schon immer mein Katalysator, um Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Wut, Ärger, Frustration aber auch Freude und Glück. Auch heute ist Tanzen noch mein Lieblings-Self-Care-Tool, wenn ich mich fühle, als würde ich auf der Stelle laufen, ich wenig Energie habe oder müde vom Leben bin.
Tanzen lässt uns wieder in unsere eigene Kraft kommen, uns lebendig fühlen. Emotionale Blockaden können gelöst werden, und wir machen uns innerliche frei. Super vitalisierend!
„When you dance, you can enjoy the luxury of being you.“ – Paulo Coelho
Zeige mutig der Welt dein Ich und tanze zu deinem eigenen Rhythmus.
Beim Ecstatic Dance geht es darum, die Verbindung zu sich selbst wiederherzustellen und Geist und Körper in Einklang zu bringen. Das stärkt die eigene Körperwahrnehmung und macht uns selbstbewusster. Das konkrete Körpererleben ist wesentlich für unser Wachstum, für Transformation und für die Entwicklung unseres Bewusstseins. Der Tanz ermutigt uns, uns so zu zeigen wie wir sind, unsere Integrität zu leben und eben unseren ganz persönlichen Tanz auf der Bühne des Lebens zu performen.
Festgefahrene Denkstrukturen können sich lockern und neue Perspektiven zeigen sich, denn wenn sich dein Tanz transformiert, verändert sich auch etwas tief in dir und wie du in der Welt stehst.
Raus aus dem Bewertungsmodus. Rein ins Sein.
Aber nicht nur die Beziehung zu uns selbst bekommt einen uplift, auch das Tanzen in Gemeinschaft lässt ein Gefühl von Verbundenheit entstehen. Community over Competition – das wird beim Ecstatic Dance deutlich spürbar. Es wird ein sicherer Raum geschaffen, frei von Bewertung und Kritik. Zu oft stecken wir schon im Alltag im Bewertungsmodus fest. Like hier, Herzchen da. Hier darf man einfach sein, muss nichts erreichen, niemandem gefallen. Man darf sich hier selbst feiern und das Leben. Das ist sowas von energetisierend!
„We dance to seduce ourselves. To fall in love with ourselves. When we dance with another, we manifest the very thing we love about ourselves so that they may see it and love us to.“ – Kamanda Kojouri
Und was hat Tanz mit Yoga und spiritueller Praxis zu tun?
Musik in Verbindung mit Bewegung hatte schon immer eine besondere Anziehungskraft auf uns Menschen. Ob man sich vor Urzeiten bei Ritualen mit Drehbewegungen in trance ähnliche Bewusstseinszustände manövrierte oder in den 90er Jahren zu dem Hit „God is a DJ“ von Faithless in den Diskos feierte: Tanz wurde schon immer als Medium benutzt, um Erfüllung und das „Eins-mit-allem-Sein“ zu erfahren. Auch Shiva als der kosmische Meistertänzer „Nataraja“ tanzte in der indischen Mythologie schon unbändig und wild den Schöpfungstanz. Shivas Tanz wird Ananda Tandava genannt – der Tanz der Glückseligkeit.
Auch wissenschaftlich gesehen wird bei wiederholten Bewegungen der Serotoningehalt gesteigert – auch ganz ohne chemische Unterstützung. Und Serotonin ist ja bekanntlich das Glückshormon.
Ich bin definitiv infiziert von dem Konzept Ecstatic Dance und lege dir die Erfahrung wärmstens ans Herz! Seitdem ich den Tanz für mich wiederentdeckt habe, integriere ich gerne mal eine After-Yoga-Dance-Einheit auf meiner Matte, um den Tag zu begrüßen. Lieblingstrack rein und einfach sein! Ich freu mich schon auf das die nächste Session auf dem Conscious Dance Festival in Berlin.
Wer shaked mit mir ne Runde ab?
Hier geht’s zu den Ecstatic Dance Events in deiner Nähe:
Berlin
Hamburg
München
Stuttgart
Love,
Lea
5 Kommentare / Schreibe einen Kommentar
Hey liebe Lea,
vielen Dank für diesen tollen Artikel. Hättest du Lust Ecstatic Dance Hamburg zu verlinken? Das wäre nice, danke dir :)
Liebe Grüße, Marius
Hey
Super geschrieben
Wir tanzen auch in Potsdam
Jeden 2 Dienstag
Viele Grüße
Ben
Hey Ben,
sehr cool! Schau ich gerne mal vorbei. Und danke für dein Feedback!
Lieben Gruß von Lea
Hallo Lea…du fast es sehr schön zusammen…welcome to the ecstatic dance world :)
als info, es gibt Ecstatic Dance seit 2018 auch in Bremen… den ich organisiere, es gibt einen Email Verteiler aber auch Facebook seite… ( Ecstatic Dance Bremen ) am 6.10 und 20.10 sind die nächsten Events… im Roten Salon, Überseestadt…18:30-21:30
lovelove… Gordn
Hallo lieber Gordn,
danke für den herzlichen Gruß und die Infos!
Wenn ich mal in Bremen unterwegs bin, komme ich gerne ne Runde zum Tanzen vorbei.
Lieben Gruß von Lea