Wer sich in Los Angeles gerade an Verkehr, schier unendliche Stadtgrenzen und Sonnenuntergänge in allen Farben gewöhnt hat, der erlebt spätestens bei der Auswahl des Yoga-Studios eine Reizüberflutung. Yoga gehört zum LA Lifestyle genauso wie die Filmstudios zu Hollywood und der tägliche Pendler-Wahnsinn zu den Straßen der Metropole. Schließlich liegen hier die Wurzeln des westlichen Yogas: Bereits in den vierziger Jahren errichtete Indra Devi als First Lady des Yoga ein Studio in Hollywood und ließ ganz Kalifornien zur Anlaufstelle für Praktizierende aus aller Welt werden.
Umso höher ist der Anspruch an die Qualität der Lehre oder das schmucke Zubehör. Aber auch in Sachen Gastronomie und Erholung wissen die Angelinos, wie man sich ein paar freie Tage oder auch nur einen Nachmittag zum Retreat strickt.
Hier kommt mein ganz persönlicher und im Selbsttest mehrfach erfahrener Yoga-Guide Los Angeles von Ost nach West:
Mein Liebling: Highland Park
Nicht unbedingt die erste Wahl im Lonely Planet, wohl aber die momentan spannendste Gegend: Highland Park ist anders. Anders als der bröckelnde Glitzer Hollywoods oder das Boho-schicke Silverlake. Highland Park ist ein bisschen roh. Und genau das macht es aus.
Boutique-Yogastudios wie das von Kinship bilden eine angenehme Ausnahme zu der sonst eher glatten Erscheinung der großen Kursanbieter LAs. Für mich geht nichts über eine Klasse bei Sarah Helt, die wie ich selbst ihren Fokus auf zugängliches Yoga und therapeutische Klassen legt.
Im hippiesken Highland Park, das ein bisschen zwischen Filmset und Kommune changiert, vor allem aber jede Menge Charme versprüht, residiert Kinship in einer alten Industriehalle aus den 20er Jahren. Das Kursangebot reicht von Aerial bis Ayurveda-inspiriert und von Yin bis Young Parkour (Kinderyoga). Kirtan und Mantra-Singen sind genauso Teil des Stundenplans wie Power- und Acro-Yoga. Mein absoluter Favorit in LA!
Auf der anderen Straßenseite versinke ich anschließend in die Latte von Civil Coffee und die Tapete von Cafe Birdie. Der luxuriöse Brunch bringt einem nach der verlängerten Session bei Kinship wieder auf Trab. Ein bisschen weiter die Straße runter gibt es neben jeder Menge Vintage-Läden auch ein El Dorado für Pflanzenfreunde: Bei The Juicy Leaf kommen Sukkulenten und Pflanzenarrangements für jeden Geschmack aus lokaler Künstlerhand.
Silverlake /Echo Park
Häuser auf Hängen, die so steil sind, dass sie eigentlich nicht bebaut sein dürften. Das ist typisch für die kreative Enklave Silverlake. Doch so alternativ und szenig die Gegend nordöstlich von Hollywood auch auftritt, sie gehört mittlerweile ebenso zum gentrifizierten Teil LAs wie West Hollywood.
Ich liebe Silverlake dennoch, nicht nur für das Angebot an gesunder Küche, wie die von Flore Vegan sondern auch für seine Bars wie das Cafe Stella mit seinem Marmortresen und der kleinen Gartenlaube im Hintergebäude. Die Drinks hier sind ein Muss. Nicht weit von hier residiert Moonjuice mit einer Auswahl an Pflanzenmedizin und Bio-Produkten, die zu Schönheit, Intelligenz und besserem Sex verhelfen sollen. Manchmal gibt es sogar Livemusik und Probierteller. Nicht zuletzt schaue ich in Silverlake auch gern bei Intelligentsia rein. Nicht nur ein Treffpunkt für Hippie-Schickeria, sondern auch wirklich guter Kaffee und schöne Fliesen.
Das hier ansässige Y7 ist die urbane Variante von Hot-Yoga-Ketten wie Corepower und YogaSix. Das von Hip Hop Beats und schwarz-in-schwarz gehaltenem Interieur geprägte Franchise hat seinen Ursprung in New York – wo sonst – und versteht sich als inklusiv. Inwiefern die Selfie-Booths und das omnipräsente Motto “We Flow Hard” dieses Image tragen, ist Ansichtssache. Hip ist die Kulisse allemal: Gründerin Sarah Larson Levey kommt aus der Modebranche und das sieht man den Räumlichkeiten an. Wer gern schwitzt und in palo santo gefüllten Dunkelkammern zum Abschalten kommt, dem sei Y7 buchstäblich wärmstens zu empfehlen.
Nur einen Katzensprung östlich von Silverlake etabliert sich die kleine Schwester Echo Park zunehmend als Konkurrenz. Bei Sage lässt sich hervorragend eine vegane Bowl brunchen, nachdem auf dem Echo Park Lake Boot gefahren wurde. Bei Yogala gibt es Yoga in so ziemlich allen Spielarten neben Hypnose, Reiki und Feldenkrais.
Los Feliz / Hollywood
Nicht jeder kann den Namen des Bezirks aussprechen, aber jeder kennt hier den Buchladen mit dem Baum: Skylight Books hat alles, was den modernen Angelino bewegt und darüber hinaus jedes Wochenende Signierstunden mit lokalen Autor*innen. Warten aufs Autogramm kann man im Schatten der großen Grünpflanze. Als Nachbar von Silverlake ist Los Feliz streng genommen weniger West als Ost, vor allem aber etwas entspannter als das angrenzende Hollywood, weshalb sich eine kleine Tour entlang der North Vermont Avenue mit dem hübschen französischen Figaro-Bistrot und seiner charmanten Bedienung in jedem Fall lohnt.
Hollywood ist nicht gleich Hollywood. Jedenfalls nicht mehr so wie es früher war. Natürlich gibts hier immer noch Filmstudios und den sehenswerten Hollywood Forever Friedhof, aber wo damals Glamour und Szene abhing, verläuft heute vor allem Verkehr. Nostalgisch und lecker mexikanisch lunchen lässt sich jedoch nach wie vor im El Coyota, wo Sharon Tate ihr letztes Mahl vor ihrer Ermordung durch die Manson-Familie zu sich nahm (zu sehen im neuen Terentino Film “Once upon a time in Hollywood”).
Yogis kommen bei Wanderlust auf ihre Kosten, dem Coachella fürs Innere: Wer soziale Medien nutzt, kennt Wanderlust. Als mobiles Yoga – und Musikfestival etablierte sich die gigantische Zusammenkunft international über die letzten zehn Jahre. Als eines von vier ganzheitlichen Zentren in den USA bietet der Ableger in Hollywood neben Asana-Praxis unter anderem Lesungen, Konzerte, Bio-Küche, Filme und vieles mehr. Wirklich guten Kaffee und das obligatorische Avocado-Toast gibt es gleich gegenüber bei Black Canvas Coffee. Ich könnte dort übernachten.
Beverly Hills/Westwood
Sogar in Deutschland dürfte bei Beverly Hills eine Postleitzahl in den Kopf schießen. Von der Fernsehserie 90210 ist in am von Boutiquen gesäumten Sunset Boulevard noch ein bisschen 90er Luft zu schnuppern. Mich zieht es hier nicht nur für den besonderen Look des Yoga- und Activewear-Anbieters Outdoor Voices hin, der coole Designs auf hochwertige Sportklamotten bringt. Gleich dahinter gönne ich mir gern einen Kaffee bei Alfred’s Coffee. Das Publikum schwankt hier zwischen Filmschaffenden und Teenagern, es gibt immer etwas zu sehen.
Yogaklassen besuche ich davor oder danach bei ALO und entspanne dort auf der Dachterasse. Vorne hui, hinten noch huier. So dürfen die Hallen von ALO wohl beschrieben werden. ALO Yoga hat nicht nur in Sachen Leggings eine Popularität, von der die meisten anderen Marken wohl nur träumen können. Das Label hat auch geschickt den Sprung in die Yoga-Praxis geschafft: Ausgestattet mit den neuesten Saisontrends aus dem Store, präsentieren die ALO Yogis nicht nur live im Studio sondern auch auf dem kostenpflichtigen Video-Kanal ihre perfekten Körper. Darüber hinaus finden sich im Westen von LA zwei weitere, ebenso perfekt designte Studios.
Nebenan in Westwood ist der Besuch des Hammer Kunstmuseums für mich Pflicht. Der Eintritt ist frei und die Sammlung lässt sich luftig und ohne Stress auf mehreren Ebenen bewundern. Die Sonderausstellungen sind fast immer ein Treffer und wer noch mehr Ausblick und noch mehr Kunst braucht, der hat es zum Getty Center (auch gratis!) nicht weit. Die besten Burger der Welt hat The Apple Pan, seit 1947 Anlaufstelle für alle, die traditionell amerikanische Küche und das Speisen um einen Tresen in echter Dineratmosphäre ohne große Extras so schätzen können wie ich (und Brad Pitt, wie es heißt). Veggie-Burger gibt es hier leider keine, dafür aber vegetarische Sandwiches und göttliche Pies. Sonntagsglück garantiert!
Santa Monica / Venice
Mehr klassisches L.A. geht nicht: zumindest nicht wenn vom üblichen Image der Stadt mit weitreichenden Strand-Boulevard, Rollerblades, Denim-Shorts und Leichtigkeit die Rede ist. Der Santa Monica Pier ist auf jedem Reiseführer-Titelbild und dennoch wirklich sehenswert. Gerade feiert er sein 100-jähriges Jubiläum.
Aber für noch etwas ist Santa Monica bekannt: Yoga Works. Die von der kürzlich verstorbenen Yoga-Ikone Maty Ezraty gegründete Dynastie entsprang hier 1987 und dient nicht nur als Schmiede für die großen Youtuber und Instagrammer, sie bietet außerdem ein umfangreiches Angebot rund um therapeutisches Yoga und TuneUp (Selbstmassage mit Bällen).
Hier darf nur unterrichten, wer mindestens 500 Stunden Ausbildung hinter sich hat. Die Schule ist mit ganzen 17 Studios allein in LA nicht nur allgegenwärtig, sondern auch national bekannt für ihre traditionsreiche Lehre mit Fokus auf Anatomie und solides Alignment. Als Ausbildungs-Alumna gehe ich hier am liebsten im Studio an der Main Street frühmorgens nach einem Strandspaziergang üben und verpflege mich danach umgehend im nahegelegenen Urth Caffe, das ähnlichen Institutionscharakter besitzt und seit über 20 Jahren mit Bio-Kaffee, -Tee und -Gebäck die gesundheitsbewussten Besucher*innen und Locals anzieht.
Etwas jünger kommt Venice daher. Auf dem Abott Kinney Boulevard fällt die Entscheidung zwischen kaltgespresstem Master-Cleanse Saft bei Kreation und Mexican Chocolate Donut bei Bluestar Donuts schwer. Mir nicht so sehr, ich nehme immer den Donut (manchmal zwei: Orange Olivenöl!).
Auch sehenswert für Yoga-Interessierte sind außerdem die nahe an LA gelegenen Orte Pasadena (YogaWorks), Manhattan Beach (The Green Yogi).
Die Garantie auf Unvollständigkeit dieses Guides versteht sich bei Dimension und Angebotsvielfalt von selbst.
Vor allem aber noch ein Hinweis: Wer weniger als drei Tage in Los Angeles plant, sollte sich für tendenziell für West- oder Ostseite der Stadt entscheiden um nicht eine bis mehrere Stunden im Verkehr zu versinken. Persönlich fühle ich mich als Ex-Berlinerin im weniger aufgerüschten Osten wohler, wenn auch der Westen mehr vom kalifornischen Traumklischee erfüllt.
Wen es noch südlicher treibt und die Route vielleicht sogar bis an die Landesgrenze zu Mexiko zieht, der darf mich auch sehr gern in San Diego besuchen. Dort findet ihr mich unter anderem bei PB Yoga & Healing Arts in Pacific Beach immer Mittwochs, Freitags und Samstags zu den Vormittagskursen.
Ich freue mich auf Besuch!
Deine Lea
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