Bookspiration: Urlaubslektüre mit Substanz

Ich kann es kaum erwarten, mir in Bella Italia die Sonne auf den vollen Pizza-Bauch scheinen zu lassen. Das erste Mal seit langem habe ich mich dazu entschieden, nicht in die Ferne zu schweifen und statt Exotik und Backpacken auf einen klassischen, leicht hirnlosen Badeurlaub zu setzen. Keine abenteuerlichen Rumpel-Fortbewegungsmittel sondern Mietwagen und statt Achtbettzimmern im Hostel kehren wir im Ferienhaus meiner Großeltern ein, um das süße Nichtstun zu genießen.

Damit mich in so einem Urlaub nicht urplötzlich vor lauter Ruhe die Langeweile packt, dürfen neben meiner Partnerin in crime, Rommeekarten und einer ordentlichen Pulle vino gute Bücher nicht fehlen. Die Crux an der Geschicht’ mit der passenden Urlaubslektüre:

Nicht zu schwer darf sie sein, im wörtlichen und übertragenen Sinne und dennoch nicht zu trivial.

Meine Versuche, philosophische Werke am Strand zu wälzen, sind immer grandios daran gescheitert, dass ich nach kürzester Zeit in mein Nachmittags-Träumeland abgedriftet bin. Durch die viele Sonneneinstrahlung wird mein Hirn ganz träge! Dennoch möchte ich kein Fast Food für die Seele lesen, das sich beim Weglesen der letzten Seite doch wie pure Zeitverschwendung anfühlt.

Da ich nicht die einzige sein kann, der es so geht, habe ich dir hier meine Lieblings-Sommerlektüre zusammengestellt.

Mariana Leky – Was man von hier aus sehen kann*

Mariana Leky zählt zu einer meiner Lieblingsautorinnen; besonders im Urlaub genieße ich ihre märchenhafte Art zu schreiben sehr. Als ich auf der letzten Seite des Romans angelangt war, saß ich tränenüberströmt mitten in der Nacht auf einer Toilette in Kambodscha. Ich war so traurig, dass es schon vorbei war und litt unter akutem Buch-Trennungsschmerz!

Selma kann den Tod vorhersehen. Immer, wenn ihr ein Okapi im Traum erscheint, stirbt jemand im Dorf. Was löst das in den teilweise ziemlich schrägen Dorfbewohner*innen aus? Was wagen sie, was lassen sie verschwinden, was gestehen sie jetzt, wo sie denken, ihnen stünde vielleicht der Tod bevor? Die Geschichten der Bewohner*innen aus dem Westerwald werden ineinander verwoben, hauptsächlich folgt man aber Selmas Enkelin Luise in ihren ersten 35 Lebensjahren.

Das Charaktere sind verschroben und dabei sehr liebevoll kreiert, es ist originell geschrieben und wahnsinnig rührend und herzerwärmend, ohne dabei ins Kitschige abzudriften.

An dem Tag, an dem ich das Buch verschlungen habe, habe ich von meiner Umgebung allerdings nicht mehr allzu viel mitbekommen. Achtung, Suchtgefahr!

Silvia Follmann – A Single Woman: Ein Plädoyer für Selbstbestimmung und neue Glückskonzepte*

Meine gute Freundin Luisa hat Silvia Follmann bei ihrer Arbeit bei EDITION F kennengelernt und wird nicht müde, mir von ihr vorzuschwärmen. Von dieser herrlich starken und vor allem witzigen Frau – ich weiß, wer da einen Girl Crush hat.

Passend zum Ende meiner Beziehung schenkt sie mir Silvias Buch A Single Woman – sogar mit persönlicher Widmung. Ich verschlinge das Buch an einem gemütlichen Nachmittag im Park – auch fast wie Urlaub.

Silvia schreibt unglaublich witzig und unterhaltsam über ein Thema, das uns alle umtreibt:

Die Singlefrau, die auch heute noch oft als Mängelexemplar gesehen wird.

Warum können wir als Frauen nicht einfach mal in Ruhe Single sein? Warum wird uns von der Gesellschaft auferlegt, wir müssen verzweifelt auf der Suche nach irgendetwas sein? Eine gut laufende Karriere mit erfüllendem Job, ein liebevoller Freundeskreis: Warum ist das für Frauen nicht genug? Warum gelten wir als alte Jungfern? Dem geht Silvia in ihrem Buch auf den Grund, stets mit scharfer Zunge. Ich musste viel schmunzeln, heftig nicken und wahnhaft unterstreichen. To all the single ladies!

Margarete Stokowski – Die letzten Tage des Patriarchats*

Nein, der Third Wave Feminism ist keine Trendwelle, die irgendwann entspannt einfach sang- und klanglos wieder abebbt. Und meine persönliche Lieblings-Wellenreiterin ist Margarete Stokowski.

Wessen Konzentrationsspanne im Urlaub zwischen Mittagshitze und erstem Cocktail mit Schirmchen auch gerne mal flöten geht, dem sei diese Sammlung ihrer gesammelten Kolumnen und Essays, die sie unter anderem für die taz und Spiegel Online verfasste, ans Herz gelegt. Sie sind nicht weniger bissig und flapsig geschrieben als ihr Buch Untenrum Frei*, welches ich Zeugen-Jehovas-mäßig an alle Freund*innen verschenke.

Ist die Revolution geschafft und wir bei der Gleichberechtigung angekommen? Dann wäre dieses Buch wohl überflüssig. Ist es aber nicht.

Stokoswskis Texte machen mich wütend und sie bestärken mich jedes Mal darin, lauter auf Missstände aufmerksam zu machen, in Gesellschaft, in denen sexistische Witze kleingeredet werden, den Mund aufzumachen und nicht davor zurückzuscheuen, unbequem zu sein.

Diese Sammlung ist nicht nur für Politikstudent*innen, sondern trotz aller Aussagekraft und Brisanz leicht verständlich und witzig geschrieben und somit auch im Urlaub ein Must Read. Die Tage des Patriarchats sind gezählt!

Tipp von Uli: Lori Gottlieb – Maybe You Should Talk to Someone: A Therapist, HER Therapist and our Lives Revealed*

Über einen Podcast ist Uli auf Lori Gottlieb gestoßen, Psychotherapeutin und Autorin aus Los Angeles, die im April 2019 den Titel Maybe You Should Talk To Someone* veröffentlichte. Ein Buch, das versprach, auf unterhaltsame und witzige Art das immer noch recht tabuisierte Thema der Psychotherapie zu beleuchten.

Die Autorin erzählt Geschichten von Patient*innen und erklärt anhand dieser Fälle die Basics verschiedener psychologischer Modelle und Therapiestrategien. Sie plaudert aus dem Nähkästchen der Therapeut*innenwelt und beschreibt ihre eigene Geschichte: wie sie zu ihrem Beruf kam, mit welchen Herausforderungen sie kämpft und wie sie sich selbst immer weiter entwickelt.

Dabei nimmt ihr eigener Therapeut Wendell eine wichtige Rolle ein, der ihr stets aufzeigt, dass auch Therapeut*innen in die gleichen Fallen tappen wie ihre Klient*innen. Der Text nimmt einem die Berührungsängste, ist schnell zu lesen, erfrischend und bewegend geschrieben macht allen Mut, die sich fragen: Should I Maybe Talk To Someone?

Neuerscheinung: Isabell Prophet – Wie gut soll ich denn noch werden?!*

Neben fünf Mal die Woche Yoga muss ich noch mindestens drei Mal zum Mucki pumpen gehen. Eigentlich sollte ich auch wirklich mal noch eine neue Sprache, oder ein neues Instrument lernen – etwas sinnvolles mit meiner Freizeit anfangen! Und von meinen Kommunikationsfähigkeiten in der Liebe ganz zu schweigen. Aber: Müssen wir wirklich ständig besser werden?

Mir geht der ständige Selbstoptimierungszwang, von dem ich mich leider nicht freisprechen kann, gehörig auf den Senkel.

Isabell Prophet beschreibt in ihrem neu erschienenen Buch, wie sich Großkonzerne diesen Drang zunutze machen und künstlich Bedürfnisse erzeugen, von denen wir denken, ein Produkt könne sie erfüllen. Aber woher kommt überhaupt dieses Gefühl, immer besser sein zu müssen? Wie können wir unsere Selbstzweifel hinter uns lassen und uns abgrenzen?

Dieses Buch kommt definitiv in meinen Koffer für Italien. Damit ich das Nichtstun auch mit gutem Gewissen genießen kann.

Update 2020: Falls du die obigen schon alle gelesen hast, lies…

Was sind deine Lesetipps des Sommers?

Ich freue mich auf deinen Kommentar!

Viel Spaß! Deine Sheila

Titelbild © Justin Aikin via Unsplash

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4 Kommentare / Schreibe einen Kommentar

  1. Die 40 Geheimnisse der Liebe von Elif Shafak – einfach zu lesen und trotzdem bedeutet es die Welt! Das wunderschönste und wahrhaftigste Buch, welches ich je gelesen habe!

  2. Hallo ihr Lieben, ich bin eher per Zufall bei der Suche mach eine anderen Buch in der Spiri Ecke über „Lessons“ von Giselle Bündchen gestolpert und war erstaunt… sie erzählt ihre spirituelle Reise, was Yoga und Achtsamkeit mit ihr gemacht haben und ihr Weg dies an ihre Kinder und die Welt weiter zu geben.
    Ich hatte ein paar Mal Tränen in den Augen, so toll geschrieben. Zusätzliche Mehrwerte: Nachhaltig produziert und der Gewinn geht an die Luz Foundation! ?

    1. Liebe Kim,
      danke für den Buchtipp! Klingt ganz so, als müsste ich noch ein Plätzchen in meinem Koffer dafür frei machen :)
      Liebst
      Sheila

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