Zu fett für Yoga?

„Ach, ich weiß, wen du meinst, das ist die Yogalehrerin, die nicht aussieht wie eine Yogalehrerin“, sagte letztens eine Bekannte zu mir als wir uns über Yoga-Lehrer in verschiedenen Studios unterhielten. Gerne würde ich behaupten, ich wusste nicht, was sie meinte. Doch die Wahrheit ist: Ich wusste es ganz genau. Die Bemerkung zielte auf die Körperfülle besagter Yogalehrerin ab. Anstatt mit „Hä? Wieso?“ zu antworten, schämte ich mich also ein wenig für mein eigenes Schubladendenken, nickte stumm und wechselte das Thema.

So gesehen bin auch ich zu fett für Yoga.

Um dem Schönheitsideal zu entsprechen, das die Matten der hiesigen Großstadtstudios regiert, müsste ich etwa fünf oder besser zehn Kilo abnehmen. Nicht, dass ich ernsthafte Gewichtsprobleme hätte, doch vom Typ skinny Yoga-Barbie bin ich ein ganzes Stück entfernt.

Natürlich wissen wir alle: Darum geht es im Yoga nicht.

Die Menge an Körperfett hat nichts damit zu tun wie yogisch jemand unterwegs ist. Genauso wenig sagt sie irgendetwas über die individuelle Kompetenz Yoga zu unterrichten aus. Sie hat noch nicht einmal große Auswirkungen auf die Qualität der Asanapraxis.

Und trotzdem: Im Laufe der letzten Jahre ist mir das Wort „fett“ im Zusammenhang mit Yoga zu oft begegnet, um es unerwähnt zu lassen.

Als ich vor Kurzem mit einer Schülerin an ihrem Kopfstand arbeitete, gestand sie mir, dass sie glaubte, ihr Po wäre zu dick und damit zu schwer für den Kopfstand. Es war keine leichte Aufgabe sie davon zu überzeugen, dass sie körperlich alle, aber wirklich alle, Voraussetzungen für einen astreinen Kopfstand hätte und die Schranke lediglich in ihrem Kopf existierte.

Eine andere Schülerin erzählte mir, sie wäre gerne dünner, um endlich bestimmte Haltungen binden zu können, also die eigenen Arme um den Oberkörper mitsamt Bein zu wickeln.

Als ich vor einigen Wochen mit einer Freundin beim Kaffee saß, rückte sie damit raus, dass sie sich zeitweise nicht zum Yoga getraut hat, weil sie sich selbst zu dick fand.

Das Schlimme ist: Ich kann sie alle verstehen. In Yogakreisen wird schnell und viel über die Form und das Gewicht bestimmter Körper geurteilt. Mir sind schon einige sehr fiese Witze begegnet. Von Yogis über andere Yogis. Von Lehrern über Schüler. Von Schülern über Lehrer. Im Übrigen nicht nur im Sinne von „fett“. Auch in die andere Richtung.

Zu dünn darf man nämlich auch nicht sein. Denn dann ist man ganz schnell magersüchtig.

Zum Beispiel erregte das Titelbild eines Beitrages auf Fuck Lucky Go Happy schon mehrfach großes Aufsehen. Um das Thema „Verdauung“ zu bebildern, entschied sich die Autorin einen Bauch zu fotografieren und ein kleines Feuerchen darauf zu malen. Großartige Idee, fand ich. Einige Leser fanden: Die Frau auf dem Bild wäre zu dünn und diagnostizierten ihr sofort eine Essstörung. Sowohl die Autorin als auch das Modell (das im Übrigen einfach nur lang und schmal und keineswegs essgestört ist), waren völlig verunsichert und wollten in Folge dessen nicht mehr für Beiträge fotografiert werden.

Im Englischen gibt es einen Begriff für dieses Phänomen: Bodyshaming

Das heißt: Man schämt sich, dass der eigene Körper zu dick oder zu dünn oder auf irgendeine andere Art und Weise nicht in Ordnung ist. Ich finde das im Yogakontext besonders schlimm.

Warum?

Weil das Yogastudio ein Ort sein soll, an dem jeder so akzeptiert wird wie er/sie ist. Weil selbst Yogis so hart mit sich und mit anderen ins Gericht gehen. Weil die Yogapraxis uns helfen soll, weniger in Kategorien zu denken und mehr Mitgefühl zu entwickeln. Und weil es die Lehre des Yoga ad absurdum führt.

Im Yoga geht es darum, das Göttliche in allen Wesen zu erkennen.

Die körperliche Hülle ist nur eine von fünf Schichten, von denen in den Schriften die Rede ist. Die anderen sind eigentlich viel interessanter. Und doch ist die Nahrungshülle die Schicht, die uns so sehr beschäftigt: Zu fett, zu knochig, zu alt, zu faltig, zu hässlich, zu pickelig, und so weiter. Dabei vergessen wir bisweilen das Wichtigste:

Es ist unser Körper, der uns diese wunderbar sinnlichen Erfahrungen ermöglicht.

Das Gefühl von Sonne auf der Haut, den Genuss guten Essens, das Atmen frischer Luft, Sex, Zärtlichkeit, Bewegung auf und jenseits der Matte, das Schlendern durch die Stadt bis hin zum Gebären neuen Lebens. Ist es am Ende nicht völlig egal, ob dieser Körper nun ein paar Kilos mehr oder weniger wiegt? Und wie fürchterlich langweilig wäre eine Welt aus Stereotypen!

Lasst uns also unsere Körper ehren. Als Teil der Schöpfung. In all ihrer Vielfalt.

Ich weiß, es ist nicht einfach, das eigene urteilende Gehirn auszuschalten. Und auch nach fast 1000 Zeichen über die Schönheit unterschiedlicher Körpertypen fände ich fünf Kilo weniger an meinem eigenen Körper immer noch gut.

Doch wenigstens weiß ich eines: Glücklicher würde mich das nicht machen. Und zum besseren Yogis schon gleich gar nicht. Denn das, worauf es wirklich ankommt, liegt jenseits der äußeren Form.

Lasst uns diesen Monat versuchen, hinter die Fassade zu blicken und Schönheit in allen Wesen finden. Auch in dir selbst. Das ist immer ein guter Anfang.

Dein Monatsmantra: Ich bin perfekt so wie ich bin. (Und alle anderen auch)

Happy Oktober,

Unterschrift XOXO Rebecca_pink

 

 

 

 

 

 

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Bild: Grit Siwonia

17 Kommentare / Schreibe einen Kommentar

  1. Wow – toller Artikel. Ich bin auch eine „starke“ Yogalehrerin. Fast hätte ich aus diesem Grund die Ausbildung nicht gemacht. Irgendetwas hat mich allerdings bzgl. der Frage ja oder nein nicht mehr losgelassen und mich für ein klares JA entschieden – ganz nach dem Motto: abbrechen kann man ggf. immer. Das war allerdings nicht nötig, es tat einfach nur gut und zu dem anderen musste ich einfach stehen, und tat es auch. Seit dem sind nun 2 Jahre vergangen und zähle immernoch die gleichen Pfunde – mit dem stetigen Ziel der Reduzierung, weil gesünder usw., schaffe es aber einfach nicht, was ich auch tue. Ich unterrichte eigene Yogastunden mit Liebe, Leib und Seele und sehe mich ein Stück weit als Vorbild für „Starke Yogis“ die es einfach TUN sollen.

    Also, traut Euch und tut nachdem Euch ist und Euch nicht mehr loslässt.

    Alles Liebe – Hari om tat sat

  2. Liebe Rebecca,

    im fernöstlichen Kulturkreis heißt es: der Körper ist der Tempel Deiner Seele, fühlst Du Dich wohl in ihm, geht es Deiner Seele gut. Wie groß soll denn die Seele eines Menschen sein, wenn er/sie maximal 50 kg wiegen darf?

    Natürlich nach unserem aktuellen westlichen Schönheitsideal.

    Wahre Liebe braucht keine Waage!!

    Wünsche Euch viel Liebe
    Franz

  3. Ach, Rebecca! Was für schön Worte du für dieses Thema gefunden hast. Danke dafür und für einen Artikel zu einem (leider) wirklich nicht wegzudenkenden Thema. Bei den meisten von uns sind doch immer irgendwelche Selbstzweifel präsent, sodass es wirklich nicht leicht ist, sich dieser Bewertung und Abwertung der verschiedensten Körperformen zu entziehen. Deine Ehrlichkeit macht den Text wunderbar echt und inspiriert dazu, sich mal wieder selbst so richtig gern zu haben wie man ist. Auch wenn oder eben gerade weil ich auch nicht behaupten könnte, dass ich mir diese 5 Kilo weniger an mir nicht auch immer wieder mal gut vorstellen kann.. :D

  4. Ich finde es wahnsinnig wichtig und sehr sehr wertvoll, dass du das laut aussprichst! DANKE, Rebecca! Diese Diskussion ist nicht nur im Yoga extrem wichtig, sondern immer und überall in unserem täglichen Miteinander. Und ist es nicht so, dass das Ego meist das haben will, was es nicht hat?! ;)
    Das gilt es sich bewusst zu machen – und ich finde es unglaublich schön, dass es Gleichgesinnte gibt, die da urteilsfrei zusammenfinden, um Körper, Geist und das „darüberhinaus“ zu erleben…In diesem Sinne: „Wann immer Schönheit dich anblickt, ist auch die Liebe da. Wann immer die Schönheit ihre rosige Wange zeigt, entzündet die Liebe ihr Feuer von dieser Flamme. Wenn die Schönheit verborgen im dunklen Schleier der Nacht wartet, kommt die Liebe und findet das unter üppigen Locken versteckte Herz. Schönheit und Liebe sind wie Körper und Seele. Schönheit ist die Diamantmine, Liebe ist der Edelstein. Sie sind schon immer zusammen, seit Anbeginn der Zeit Seite an Seite – Schritt für Schritt. – Rumi.“

  5. Liebe Rebecca,
    danke für diesen Artikel! Das ist auch in meinen Augen ein ganz wichtiges Thema und mit der Formulierung ‚der Yoga wird ad absurdum geführt‘ hast du es haargenau auf den Punkt getroffen. Die Essenz des Yoga bedeutet doch nicht die Verfolgung eines Körperkults; ist sie nicht vor allem eine geistige Praxis, bei der die Asana-Praxis lediglich behilflich sein soll!? Und letztendlich wollen wir doch unseren Geist von solch zwanghaftem Denken befreien. Es ist essentiell, dass es Menschen wie dich in der Yoga-Szene gibt, die genau daran erinnern. Ich sehe (online, vermehrt aus dem amerikanischen Raum) so oft Yoga-bezogene Inhalte, welche mit Slogans werben wie „yoga for weight loss“ oder „5 yoga poses for a nice booty“ und derlei Idiotie. Natürlich können wir nicht vollends die Augen davor verschließen, dass wir alle mit entsprechenden Bedürfnissen geboren werden und aufwachsen. Wir leben nun einmal in einer Welt der Äußerlichkeiten.. Umso toller, dass du darauf hinweist, dass selbst du nicht frei von diesen Gedanken bist! Ich gebe auch zu, dass ich zu Beginn meines persönlichen Yoga-Wegs zuweilen dachte „toll, wenn ich das weitermache, habe ich irgendwann DEN Traumkörper“, aber mittlerweile habe ich mich fast vollends davon gelöst und schätze immer mehr die Spiritualität, die der Praxis zugrunde liegt und ihre Auswirkungen auf mein körperliches Befinden, aber eben nicht äußerlich, sondern wie ich mich in meinem Körper fühle, wenn ich die Augen schließe. Genau diese Erfahrung wünsche jedem anderen auch, und dabei spielt die Körperform und -fülle überhaupt keine Rolle.

  6. Ihr Lieben,

    Ich finde diese Diskussion wichtig,
    Denn gerade Menschen die sich nicht wohl in ihrem Körper fühlen sollen wissen das JEDER Yoga in seinen Möglichkeiten praktizieren kann.
    Ich wehre mich gegen die Vorstellung das der dicke Hintern zwingend in einen Kopfstand muss und die Dünne Lange sich dich wohl verbiegen kann wie ne Brezel – damit werden wie immer die Klischees bedient- Yoga ist doch soviel mehr nur leider ist in vielen Yogalehrer Köpfen auch noch die Konditionierung des Erfolges drin.
    Nehmen wir doch den Schülern einfach mal die Angst, zeigen Ihnen wie vielfältig Yoga ist und das es nicht darauf ankommt etwas zu erreichen.
    Es ist gut so wie es ist – mehr oder weniger – klein oder groß-
    Wir alle sind einzigartige Geschöpfe und dem Himmel sei dank SOOOO verschieden.

  7. Liebe Rebecca, ein sehr schöner Text! Vor allem, dass Du auch beide Seiten beschreibst, finde ich super. Es zeigt einmal mehr wie das ständige Bewerten im Kopf soviele unnötige Schranken erzeugt. Liebe Grüße aus Hamburg Heike

    1. Ja und nein. Heldin wegen der Kurven? Oder weil sie so tollen Unterricht macht? In jedem Fall leistet sie sicherlich einen Beitrag, dass sich mehr Leute, die nicht den Ideal entsprechen zeigen.

      Danke Claudi für deine Worte.

      LOVE Rebecca

  8. Wie sind wir eigentlich in diese Diskussion hineingeraten? Auf einmal muss ich mir (wieder) anhören (damit meine ich jetzt nicht deinen Text), ich sei zu dünn und würde andere Yogis mit meiner Schlankheit einschüchtern. Wtf? Das ist mein Körper, ich hab mir nicht ausgesucht, dass ich so dünn bin (zugegeben: auch ich hätte gerne ein paar Kilos mehr auf den Hüften, aber es klappt halt nicht). Und darum geht es doch im Yoga auch gar nicht? Wenn ich unterrichte, dann ist mir das völlig schnurzpiepegal, ob meine Schüler einen dicken Po haben oder man die Rippen sehen kann – ebenso egal wie, ob sie die neueste Lululemon-Yogahose oder eine ausgeleierte Jogginghose tragen! Ich wünsche mir, dass diese Diskussion schnell wieder abklingt, denn sie führt vom eigentlichen Weg des Yoga weg…
    Also: Danke für deine Worte!

    1. Du hast recht. Eigentlich sollte es diesen Beitrag auch nicht geben müssen. Normalerweise schreibe ich ja auch eher Pro als auf Dinge aufmerksam zu machen, die nicht funktionieren. In diesem Sinne: Auf all die schönen Menschen!

  9. Wooohooooo! Danke Rebecca für diesen geilen Artikel!!!
    Ich weiß übrigens auch, welche Yoga-Lehrerin Du meinst, und bin total begeistert von ihr! Sooo viel positive Energie und so sehr im Reinen mit sich selbst! (Zumindest strahlt sie das für mich aus. Persönlich hätte ich noch nicht das Vergnügen. ?) Für mich stellt sie ein sehr großes Vorbild in der Yogaszene dar! So wie Du auch! <3
    Vielen Dank für den Reminder, dass es im Yoga absolut nicht um das Aussehen, und schon gar nicht um die Schlankheit geht! ??
    Auch ich bin nicht schlank und liiiieeeebe Yoga!

    Schön, dass Du wieder im Lande bist! Hab einen fanatischen Oktober!

    Alles Liebe,
    Asli

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