Weizen – unschuldiges Getreide oder Krankmacher?

Kaum ein Nahrungsmittel wird seit einiger Zeit so kontrovers diskutiert wie der Weizen, obwohl er zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit gehört. Was genau steckt also dahinter? Warum die Antwort nicht so einfach ist wie manche Ratgeber und Bücher uns suggerieren, lässt sich durch einen kleinen Exkurs zu unseren Darmbakterien und den Eigenschaften des Weizens ergründen.

Ist Gluten wirklich das Problem?

Man sollte sich fragen, warum ein seit 5000 Jahren kultiviertes Getreide auf einmal von vielen Menschen nicht mehr vertragen wird und als Sündenbock einer ganzen Generation herhalten muss. Mittlerweile gibt es sogar die Meinung, dass glutenhaltige Getreide den Darm „löchrig“ machen und daher grundsätzlich gemieden werden sollten. Diesen löchrigen Darm nennt man „leaky gut“ – den Darm mit Leck. Dabei stellt man fest, dass die Schleimhaut im Darm sowie die Zwischenräume der Darmzellen zu durchlässig sind. Speisemoleküle, Fremdstoffe und Bakterien können so ungehindert ins Blut übertreten und führen zu einer Aktivierung des Immunsystems – der Ärger mit dem Korn wird zum Programm.

Was macht den Darm durchlässiger?

Unsere Darmwand ist die erste Kontrolle, wenn es darum geht welche Stoffe in den Körper aufgenommen werden. Bei intakter Schleimhaut wird das Öffnen und Schließen dieser Darmbarriere von unseren Darmbakterien reguliert, dem Mikrobiom. Aber auch Gliadin, ein Bestandteil des Glutens, kann diese Barriere vermindern, wenn unser Darmökosystem nicht mehr intakt ist. Lange dachte man, dass die Nahrungseiweiße nur von körpereigenen Enzymen aufgespalten werden. Mittlerweile weiß man allerdings, dass auch die Darmbakterien eine wichtige Rolle bei der Eiweißverdauung spielen. Was unseren Darm löchrig macht und zu Reaktionen führt sind also Störungen im Mikrobiom – der Zusammensetzung unserer Bakterien im Darm.

Die Antwort: Weizen ist nicht gleich Weizen

Weizen_DS

Botanisch unterscheidet man vor allem zwei Arten: Weichweizen hat relativ weiche und mehlige Körner und wird für die Brotherstellung genutzt. Hartweizen hat einen höheren Glutenanteil und kommt eher für Nudeln zum Einsatz. Im Ayurveda gilt Weizen als kühlend, schwer, süß und nicht ganz so leicht zu verdauen. Besonders in der Kombination mit Hefe wird er noch klebender und schwerer. An sich gilt Weizen trotzdem als ein sattvisches Nahrungsmittel und stellt für ein gutes Verdauungsfeuer (Agni) kein Problem dar. Erst die bei uns übliche Kombination mit weiteren „schweren“ Nahrungsmitteln wie Käse, Fleisch oder Eiern überlasten die Verdauung dann meist. Es steht außer Frage, dass das Getreide einigen Menschen nicht bekommt.

Viele Unverträglichkeiten lassen sich jedoch auf diese Faktoren zurückführen:

1. Die Zubereitung: Auf die Verarbeitung des Getreides kommt es an. Traditionelle Verarbeitungsmethoden sehen eine sorgfältige Verarbeitung vor, wie dem Einweichen von Getreide, langer Fermentierung und langsamen Backen des Teiges. Es ist diese Fermentation, die viele der potenziellen Unverträglichkeiten des Getreides durch den Abbau bestimmter Stoffe wie Phytinsäure mindert, während sie sogar zuvor unzugängliche Nährstoffe zur Verfügung stellt und den unvergleichlichen Geschmack ausmacht. Im Supermarkt finden wir hingegen innerhalb weniger Stunden verarbeitete Brote mit aggressiv arbeitenden Triebmitteln, unter Zusatz von Enzymen, Konservierungsmitteln und Emulgatoren.

2. Die Qualität: Es kommt nicht so sehr darauf an ob, sondern welche Getreideeiweiße man zu sich nimmt. Das Klebereiweiß Gluten besteht aus Glutenin und Gliadin. Glutenin sorgt dafür, dass der Teig elastisch wird und je mehr davon, desto besser die Backleistung. Deshalb wurde bei der Züchtung von Weizen das Verhältnis zwischen Gliadin und Glutenin zu Gunsten von Gliadin verändert damit der Teig  schneller und leichter in der Backindustrie verarbeitet werden kann. Gliadine sind außerdem geknäulte Proteine , die sich unter unterschiedlichen Bedingungen zu verschiedenen räumlichen Strukturen anordnen, die darüber entscheiden welche Wirksamkeit sie haben. Diese Charakteristika sind also von der Züchtung aber auch der Anbauart des Getreides abhängig. Wir können nie gesünder sein als der Boden, auf dem unsere Nahrung gewachsen ist. Wenn wir uns entscheiden billiges Getreide aus chemisch bewirtschafteten und ausgebeuteten Böden kaufen, kann das Getreide nichts dafür.

3. Die Menge: Neben den offensichtlichen Weizenquellen wie Brot und Nudeln essen wir auch jede Menge Weizen ohne es zu wissen. In Kartoffelchips, Fertiggerichten und Light-Produkten wird Weizenstärke als Füllmittel eingesetzt. Gluten ist in Soßen, Instantprodukten und sogar in Eis. Vegetarische Fleischersatzprodukte aus Seitan sind nichts anderes als reines Gluten. Wir essen also unbewusst mehr als wir wollen – und offenbar mehr als die meisten von uns vertragen.

Und jetzt?

Wie du siehst ist es gar nicht so einfach zu sagen, ob Weizen gut oder schlecht ist. Für beide Argumentationen finden sich immer Studien, die das eine oder das andere belegen. Da ich selbst in der Forschung arbeite, weiß ich wie wichtig es ist die Studien genau unter die Lupe zu nehmen. Das betrifft nicht nur die Qualität sondern auch weitere Einflussfaktoren: Wurden die Darmbakterien berücksichtigt? Welcher Weizen wurde genutzt?

Und letztlich müssen wir uns bewusst werden, dass wir immer nur kleine Puzzleteile zusammen setzten können, denn das große Bild erschließt sich uns meist nicht. Bei der Weizenunverträglichkeit sind es also eher die Strukturunterschiede des Gliadins in Kombination mit einer veränderten Bakterienbesiedlung unseres Darms. Das Verdauungsfeuer ist in jedem Fall der ausschlaggebende Faktor dafür, wie gut wir den Weizen individuell vertragen – und das kannst nur du allein für deinen eigenen Körper spüren.

>> Food Diary: So findest du heraus, welche Ernährungsweise für dich perfekt ist. <<

Außerdem ist es wie bei allem: Die Menge macht’s.

Alles Liebe,

Dania

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4 Kommentare / Schreibe einen Kommentar

  1. Moin!
    Super Beitrag! ich selbst esse garkeinen Weizen. Die absolute Ausnahme ist, wenn wir auswärts essen und es nicht anders geht. Oder ich alle Jubel-Jahre mal Bock auf eine Pizza habe. Die ich zu Hause aber mit glutenfreiem Mehl zubereite. Höre da immer mehr auf meinen Körper, dem es richtig gut geht ohne Getreide. Kennst du das Buch „Die Weizen Wampe“? Fand ich auch ganz gut. Da hab ich auch mal einen Artikel drüber verfasst: http://www.purehabits.de/2015/08/20/dumm-wie-brot-war-gestern/

    P.s.: Hiermit bedanke ich mich einfach mal für fuckluckygohappy. Mag ich nicht mehr missen :)

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