Spiritueller Hunger: Wenn Essen nicht satt macht

Heißhungerattacken: ein Übel, mit dem ich jahrelang kämpfte. Vor allem während meines Studiums wurde das Thema Essen zur regelrechten Qual. Kaum waren die Vorlesungen vorbei, drehten sich alle meine Gedanken um die nächste Mahlzeit. Ich stellte mir täglich auf dem Heimweg vor, wie ich wenige Minuten später meine Küche plündern würde. Ganz egal ob Schokolade, Chips oder die Reste von gestern: Hauptsache diese unbändige Lust zu Essen wird befriedigt. Dir kommt diese Unersättlichkeit bekannt vor? Dann ist es an der Zeit, genauer hinzuschauen.

Essen, um nicht zu fühlen

Lange Zeit galten Essstörungen als Überbegriff für ein abnormales Essverhalten. Anorexie, Bulimie und Binge Eating zählen zu den Klassikern. Doch nicht jeder Mensch mit einer schwierigen Beziehung zum Essen gilt zwangsläufig auch als essgestört. Ganz im Gegenteil: Viele Menschen erleben eine mildere Form des Leidens.

We eat the way we eat, because we are afraid to feel what we feel.

– Geneen Roth

Wir essen, wie wir essen, weil wir Angst haben, zu fühlen, was wir fühlen. Ein Phänomen, das auch als emotionaler oder spiritueller Hunger bezeichnet wird. Wir blenden die unangenehmen Seiten des Lebens aus und suchen nach Möglichkeiten, ihnen zu entkommen. Suchtartig greifen wir zum Essen, um das Gefühl der inneren Leere zu stopfen. Essen wird zur Droge.

Im Essrausch erleben wir kurze Glücksmomente und fühlen uns gut. Doch schnell holen uns Gefühle von Schuld oder Scham ein. Ein unangenehmer Nebeneffekt, auf den meist weitere Essanfälle folgen. Es entsteht ein Teufelskreis, dem wir versuchen, mit Diäten oder strikten Ernährungsformen zu entkommen. Der Erfolg bleibt oft aus, denn wir behandeln so nur das Symptom des eigentlichen, tiefer liegenden Problems.

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Hungern nach etwas, das man nicht essen kann

Spiritueller Hunger ist kein physischer Hunger, sondern ein Ausruf der Seele. Während sich der Hunger des Körpers nach Nahrung richtet, schreit die Seele nach Leben, nach Nahrung auf allen Ebenen.

Wusstest du, dass du aus mehr als nur einem Körper bestehst? In den Upanishaden ist der Mensch als ein Gebilde aus fünf Hüllen beschrieben, die sich übereinander schichten. Jede dieser sogenannten Koshas hat dabei ihre ganz eigene Funktion. Im Kern befindet sich unser physischer Körper. Diese Nahrungshülle wird nach außen hin von der Energie-, Emotions- sowie der Intellektuellen Hülle umgeben. Die äußerste Schicht bildet die Wonnehülle. Sie wird auch als der Sitz der Seele beschrieben.

Während der physische Hunger den Bedürfnissen der Nahrungshülle entspricht, kann der spirituelle Hunger als Ausdruck der Bedürfnisse der übrigen Schichten gesehen werden. Und dazu gehört weit mehr als nur Essen – genau wie zu Yoga weit mehr als nur Asanapraxis auf der Matte gehört.

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Wahre Sättigung durch eine ganzheitliche Praxis

So wie ohne Licht keine Pflanzen wachsen, auch wenn man sie noch so viel gießt, können wir auch ohne ganzheitliche Praxis nicht alle unsere Körper gleichermaßen nähren. Die verschiedenen Yoga-Praktiken wie Asana (Körperübungen), Pranayama (Atemübungen) und Meditation sind als ganzheitliches System angelegt und wirken sich auf verschiedenste Aspekte unseres Selbst aus. Wir nähren und reinigen damit unsere Koshas, bauen Blockaden ab und regen den Energiefluss an.

So wie du deiner Yogamatte begegnest, so stehst du deinem eigenen Leben gegenüber.

Auf diesen Hinweis meines Lehrers Eka Kailash hin fing ich an, zu beobachten, was während meiner Asanapraxis tatsächlich mit mir passierte. Mir fiel auf, dass „Wegrennen“ und „die Vermeidung von unangenehmen Zuständen“ zwei wiederkehrende Themen waren. Ich flüchtete häufig vor schwierigen Asanas genauso wie ich vor Problemen im wahren Leben wegrannte.

Erst als ich anfing, die kleinen Lektionen meiner Yogapraxis auf meinen Alltag zu übertragen, hatte ich das Gefühl, bei mir selbst anzukommen. Ich fing an, mich mit den unangenehmen Momenten des Lebens zu konfrontieren, statt sie in mich hinein zu essen.

Hol die Praxis runter von der Matte

Um den spirituellen Hunger nachhaltig zu stillen, müssen wir die eigene Praxis also auf alle Bereiche des Lebens ausbreiten. Yoga als Lebenseinstellung findet zu jeder Zeit statt und bedeutet, die eigenen wahren Bedürfnisse zu erkennen und ihnen im Hier und Jetzt nachzukommen. Besonders bei Heißhungerattacken heißt es also, da ganz genau hinzusehen.

Wie du konkret üben kannst, nicht dem Heißhunger zum Opfer zu fallen

  • Wenn dich das nächste Mal der Heißhunger überfällt, nimm einen tiefen Atemzug statt direkt zum Essen zu greifen. Diese kurze Unterbrechung ist der erste Schritt, um dein altes Verhaltensmuster aufzulösen.
  • Nutze diesen Moment und frag dich, wo dein Hunger wirklich her kommt. Ist es dein Körper, der nach Nahrung verlangt? Wenn die Antwort Nein ist, dann geh nochmals in dich: Was ist es wirklich, wonach du dich gerade sehnst? Vielleicht fühlst du dich mit einem unangenehmen Gefühl konfrontiert, das du gerne mit Essen betäuben möchtest. Erinnere dich daran, dass Essen in diesem Fall keine langfristige Lösung darstellt.
  • Frag dich, was du wirklich brauchst. Eventuell sehnst du dich nach einer Auszeit. Ein paar Stunden, in denen du tun und lassen kannst, was du möchtest? Vielleicht hast du auch das Gefühl, dass du mit deiner Empfindung nicht allein sein möchtest. Ein Treffen mit Freunden kann hier wahre Wunder wirken. Schenk deiner inneren Stimme Gehör und du wirst überrascht sein, worauf du wirklich „Hunger“ hast.
  • Übe stattdessen. Irgendwas. Pranayama, Asana, Chanting. Mach deinen Lieblingssong an und tanze ein paar Minuten durchs Wohnzimmer. Toll ist auch diese Audio-Meditation von der wunderbaren Heilerin Abby Wynne zum Thema „Avoiding Emotional Eating“ (auf Englisch). Danach stelle dir nochmals die Frage, wonach du dich gerade sehnst.
  • Verurteile dich nicht fürs Essen, sondern sei beim Essen lieb zu dir selbst. Plane deine Mahlzeiten und koche dir etwas Gesundes, das dir wohl bekommt und worauf du dich freuen kannst. Geh in aller Ruhe einkaufen und gönn dir mal die teureren, leckereren Lebensmittel. Nimm jeden Bissen deiner Mahlzeit ganz bewusst und dankbar zu dir. Kaue langsam und mach nichts nebenbei. So wird auch essen zu einer achtsamen Praxis.

Wie ergeht es dir mit Heißhungerattacken und was tust du gegen deinen spirituellen Hunger? Ich bin gespannt auf deine Kommentare.

Alles Liebe, deine Franzi

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13 Kommentare / Schreibe einen Kommentar

  1. Hallo Franzisca,
    Ich habe immer so einen Heishunger und werde nicht mehr satt ich versuche zu gesundem zu greifen aber oft gelingt es mir nicht! Ich mache Fitness momentan habe ich etwas Grippe aber ich habe immer noch so einen Hunger und friere oft trainiere arme momentan ruhe ich mich aus bin nicht übergewichtig aber wo der hunger herkommt weis ich nicht! Lg Sebastian:)

    1. Hi Sebastian,

      danke dir fürs Vorbeischauen!

      Es könnte sein, dass du evtl. zu wenig isst. Oft fällt einem das nicht auf, aber gerade wenn viel Training mit im Spiel ist könnte es sein, dass dein Körper einfach mehr braucht. Das kann auch trotz Grippe der Fall sein. Was passiert denn, wenn du dem Hunger nachgibst und einfach mehr isst? Geht das Gewicht denn dann deutlich nach oben?

      Ein weiterer Faktor könnte sein: Solltest du im Fitnesstudio mit Getränkeabo trainieren, dann könnten die Getränke das Problem sein. Oft gibt es neben Wasser die mit Sirup angereichterten 0 kcal Getränke, die aus Unmengen Süßstoffen bestehen. Evtl reagiert dein Körper auch darauf? Gilt übrigens auch für Sportriegel, andere Getränke, etc. viele Süßstoffe enthalten.

      Liebe Grüße,
      Franzi

  2. Hallo, dein Artikel ist mir sehr nahe gegangen und ich fühle mich plötzlich verstanden und nicht mehr so allein…
    Vielleicht kannst du mir einen Tipp geben: mich packen die Fressattacken meistens abends im Bett, kurz vor dem Einschlafen. Ich habe das Gefühl, schon gar nicht mehr ohne bergeweise Essen zur Ruhe zu kommen. Ich versuche schon, tagsüber genug zu essen, da ich auch stille und daher mehr Kalorien brauche. Aber ich fühle mich durch den ganzen Süßkram total ausgelaugt und vergiftet.
    Liebe Grüße

    1. Hallo liebe Paula,

      vielen lieben Dank für deinen Kommentar. Dass du tagsüber bereits versuchst ausreichend zu essen, ist super. Allerdings kann es sein, dass deine abendliche Essattacken ein Ventil für Stress darstellen, den du den ganzen Tag über lang aufbaust. Vor allem mit einem Kleinkind passiert es oft, dass wir uns erst um uns selbst kümmern, wenn der Nachwuchs dann schläft und wir endlich Zeit haben, mal für uns zu sein. Und nicht selten passiert dieses „zur Ruhe kommen“ dann in Form von Essattacken im Bett / auf der Couch. Mein Tipp: Beobachten, ob du tagsüber bereits ab und zu den Fokus bewusst auf dich lenkst und zumindest für ein paar Atemzüge runterfährts, oder ob du pausenlos auf Hochtouren funktionierst? Ist letzteres der Fall, dann versuch gezielt Mini-Pausen einzuplanen, in denen du an aller erster Stelle stehst. Ganz egal, ob der Haushalt dann mal für den Moment liegen bleibt. Kurzum: Deine Prioritäten sollten ungefähr wie folgt aussehen: 1. Kind und dein eigenes Wohl 2. alles andere (Haushalt, etc.) und nicht: 1. Kind und alles andere (Haushalt etc.) 2. dein eigenes Wohl.

      Ich hoffe, ich konnte dir damit bereits ein bisschen weiterhelfen.

      Liebe Grüße,
      Franzi

      1. Liebe Paula, liebe Franzi,

        Auch wenn der Kommentar schon älter ist, so passt er doch auch gut zu mir. Habe eine sieben Monate alte Tochter und muss auch sehr gut aufpassen, mir selbst Platz einzuräumen.
        Denn auch ich esse abends, vor allem auf Süßes ausgerichtet, emotional viel zu viel.
        Ich möchte da so gerne endlich raus, denn es begleitet mich schon zu lange (fast 15 Jahre).

        Seid herzlich gegrüßt,
        Eva

        1. Hallo liebe Eva,

          ich glaube gerade mit einem kleinen Kind heißt es sehr oft auch geduldig sein und schauen, was die Zeit und die verschiedenen Entwicklungsphasen des Kindes mit sich bringen. Manchmal katapultiert uns das Leben in herausfordernde Situationen, in denen man zwar ebenfalls lernen kann, dem eigenen emotionalen Hunger auf die Schliche zu kommen – doch unsere Kraft, sich wirklich damit auseinanderzusetzen ist ja mit einem kleinen Wesen geteilt, was bedeutet, dass wir eine Extraportion Geduld mitbringen müssen <3

          Franzi

  3. Vielen lieben Dank für den tollen Artikel, du sprichst auch mir aus der Seele! Ich gehöre schon immer zu den emotionalen Essern, seitdem mein geliebter Pa jedoch vor 3 Monaten verstorben ist, sind alle Dämme gebrochen. Fast täglich esse ich meine Traurigkeit und Hilflosigkeit in mich hinein und kann das kaum stoppen, Durch meine tägliche Yoga Praxis habe ich nun allerdings begonnen mein Verhalten zu erkennen und manchmal auch zu durchbrechen. Es macht Mut zu wissen, das man nicht alleine ist und dass es andere Menschen gibt, die diese Form der emotionalen Kontrollverlustes kennen. Man ist halt kein Alkoholiker oder Drogenahhängig und somit auch nicht anerkannt Krank, sondern „man hat halt durch die Trauer zugenommen“ und „wird schon wieder“. Den Leidensdruck dahinter sieht man nicht …… Ich werde mir deine Ratschläge zu Herzen nehmen, die Meditation gleich heute Abend ausprobieren und sowieso meine Yoga Reise fortführen.
    Vielen lieben Dank und weiter so, super Blog ?!

    1. Als emotionaler Esser ist man mit seiner „Droge“ jeden Tag konfrontiert. Das macht es wirklich schwer, sich von dem Problem zu lösen. Ich hoffe, die kleinen Tipps sowie die Meditation helfen ein klein wenig weiter :)

  4. Vielen Dank für diesen Artikel! Ich kenne das Gefühl wie so viele nur zu gut … Am schlimmsten ist für mich das Belohnen mit Essen. Wenn ich etwas Schwieriges oder Anstrengendes hinter mich gebracht habe, dann ist mir das schon mal ne Tüte Chips wert :-(
    Und dazu habe ich auch eine Frage:
    Zuhause habe ich meistens genug Zeit, um mich kurz hinzusetzen, durchzuatmen und mich zu fragen, was ich eigentlich will. Das klappt ganz ok. Im. Büro hingegen: Bring die Schoko-Schublade in Sicherheit, Frieda kommt. Weil: Ein paar Stunden, in denen ich tun und lassen kann, was ich möchte, habe ich dann nicht. (Und ein kleiner Disclaimer hinterher: Ich liebe meinen Job, er ist nur manchmal furchtbar anstrengend :) )
    Hast du vielleicht einen Tipp für mich, was mir im Büro helfen könnte?

    1. Liebe Frieda,

      ich habe sogar zwei Tipps für dich, denn ich kenne eine ähnliche Situation nur zu gut. Doch kurz vorweg: Wenn der Drang zu groß ist, versuch die „Schoko-Schublade“ zu beseitigen! Das mag allerdings nicht immer möglich sein, vor allem nicht, wenn man sich solch eine Schatzkiste teilt ;)

      Tipp 1: Bewusste „Abschalt-Pausen“ einlegen. Das können 2-3 Minuten sein, in denen du den Raum verlässt und in dich gehst (am besten an die frische Luft; ein paar Schritte auf dem Gang tun es auch). Damit es nicht so komisch auf die Kollegen wirkt: Sag einfach du gehst kurz zur Toilette. Warte nicht, bis dich dein Essdrang überkommt, sondern leg solche Pausen alle 1-2h ein. Das wird dir dabei helfen, dein Stressniveau allgemein herunterzufahren.

      Tipp 2: Nutze deine Mittagspause als Zeitfenster, um eine bewusste Mahlzeit einzunehmen. Wenn möglich: Lass dein Handy aus und genieße dein Essen in vollen Zügen. Achte darauf, dass dich dein Mittag gut sättigt und du dich danach wohlfühlst. Denn: Eine zu kleine Portion führt dazu, dass wir schon kurze Zeit später wieder an „Essen“ denken; eine zu große Portion lässt uns lethargisch und müde fühlen (Das „Nachmittags-Loch“ sozusagen, auf das wir vor allem gerne mit Süßigkeiten antworten).

      Ich hoffe, da war was dabei!

      Alles Liebe,
      Franzi

      1. Liebe Franziska,

        ich bin heute den ersten Tag aus dem Urlaub zurück und werde direkt beide Tipps beherzigen!
        Glücklicherweise kocht ein großartiges Küchenteam für uns, ich müsste es nur mal mehr wertschätzen. Und einen Ruheraum haben wir auch – gibt also keine Ausreden :)

        Vielen Dank!
        Frieda

  5. Sehr interessanter und realitätsnaher Artikel. Danke! Und die Audio-Meditation von Abby Wyne ist ein besonders feinfühliger Tool, der besonders in „schwachen“ Momenten eine wertvolle Stütze bilden kann. Man fühlt sich begleitet und beschützt.
    Danke noch einmal, Franziska!

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