Rima Rabbath: „Das Leben ist, wie es ist. Hör auf, es ständig verändern zu wollen.“

Rima Rani Rabbath hat eine fast magische Gabe: Sie kennt alle Schüler*innen, die sich in ihrem Unterricht auf der Yogamatte strecken, beim Namen. Nicht nur die Namen derer, die jeden Tag kommen, nein, Rima weiß die Namen zu allen Gesichtern, die sie einmal in ihrem Leben getroffen hat. „Hi John, good to see you. Maria, you are back from Peru, you need to tell me everything, let’s grab a coffee soon.“ Oder: „Steven, wait with your handstand, I’ll be right there…“ So ungefähr hört es sich an, wenn man Rima im New Yorker Jivamukti Center trifft.

Die Sache mit den Namen ist faszinierend, doch sie ist nicht das Einzige, was Rima zu einer besonderen Lehrerin macht: Sobald sie zum ersten OM ansetzt, sprüht die Liebe zum Unterrichten aus ihr heraus. Ihre knallvollen Yogaklassen sind sorgfältig vorbereitet, mit genialen Playlists unterlegt und gleichermaßen kreativ und tiefgründig.

Und ganz abgesehen vom Yoga: Rima ist eine verdammt coole Braut, mit der man gut auch mal ausgehen kann. Ich war in NYC mit ihr unterwegs und habe sie für euch ganz offiziell interviewt.

Wie ist es, Yoga in New York zu unterrichten?

Aufregend! Besonders die Abend-Klassen sind spannend, weil die Energie dort so kraftvoll ist. Alle kommen in letzter Sekunde herbeigestürmt und springen auf ihre Matten. Wahrscheinlich ist das in anderen Großstädten ähnlich, aber hier sind alle in Extra-Eile. Eine Yogaklasse um 18:15 zu besuchen, ist für viele eine echte Ansage, in NYC arbeitet man normalerweise viel länger.

Aber sobald sich die Schüler*innen setzen und wir zu Durga oder Krishna singen, passiert etwas. Draußen tönen die Sirenen, wir chanten und man kann alles gleichzeitig spüren: die Stadt, den täglichen Stress der Menschen, die Erleichterung, für den Moment Zuflucht auf der Matte gefunden zu haben. Das habe ich so noch nirgends außer in NYC erlebt.

1708_Rima Rabbath Interview_Musik_Fuck Lucky Go Happy

Für alle, die NYC nicht kennen: Kannst du uns diese Energie beschreiben?

Sie ist so kraftvoll. Man braucht große Willenskraft und viel Ausdauer um hier in NYC überleben zu können. Die Bereitschaft, die Anforderungen des alltäglichen Lebens auf sich zu nehmen, ist ganz deutlich spürbar. Beim Singen werden die Menschen dann weich, doch die Kraft dahinter bleibt und vibriert mit.

Außerdem stören die Yogis sich nicht an Nähe. Sie leben ja sowieso auf kleinem Raum und sind den ganzen Tag anderen Menschen sehr nah. Trotzdem kommen alle miteinander aus. Das spiegelt sich in der Yogapraxis wieder: Es ist eng, Matte an Matte, aber alle finden sich und den Platz, den sie brauchen, im Inneren.

Eine weitere Besonderheit an NYC ist die enorme Anzahl an Studios und Lehrer*innen, die ein sehr fundiertes Wissen mitbringen. Wenn dein Körper es dir erlauben würde, könntest den ganzen Tag lang in tolle Klassen gehen. Die Schüler*innen wissen das und sind bereit, Energie und Zeit in ihre Praxis zu investieren – zwei Dinge, die in NYC sehr wertvoll sind.

Selbst-Erfahrung versus Selbst-Optimierung. Nutzen die Menschen in NYC ihre Praxis vor allem, um noch mehr schaffen zu können?

Das ist eine sehr gute Frage. Am Ende ist meiner Meinung nach nur wichtig, ob sie überhaupt praktizieren. Es beginnt vielleicht mit Selbst-Optimierung, doch viele Yogis ändern mit der Zeit den Kurs in Richtung Selbst-Erfahrung. Das passiert meistens von ganz alleine. Man muss sich der Wirkung der Praxis dafür noch nicht einmal bewusst sein.

Man hört oft: „Es geht im Yoga nicht um die körperliche Praxis.“ Dazu möchte ich klar sagen: Ja, es geht nicht allein um die körperliche Praxis, aber die Asana-Praxis ist eine körperliche Praxis. Und ich liebe das Körperliche! Ich mag die Emotionen, die Gefühle, die Wahrnehmungen. Wir beginnen unsere Leben im physischen Körper und wir beenden sie im physischen Körper. Natürlich: Fortschritt auf der Matte heißt nicht nur, sich physisch weiterzuentwickeln, doch die Asana-Praxis gibt dir einen Einblick in deine Fähigkeiten, dein volles Potential. Und sie macht unglaublich viel Spaß.

Wie sieht ein spirituelles Leben in einer Stadt wie NYC aus?

Unsere Lehrer sagen immer: „Wenn du atmest, bist du spirituell.“ Manche Menschen glauben, dass man keine Probleme mehr haben darf, nichts von der Welt mitbekommen sollte und zurückgezogen leben muss, um ein spirituelles Leben zu führen.

1708_Rima Rabbath Interview_New York_Fuck Lucky Go Happy

Gerade in NYC – und wahrscheinlich auch in Berlin – ist das so nicht möglich. Das heißt nicht, dass hier keine spirituelle Weiterentwicklung möglich ist – im Gegenteil: Du bist dazu gezwungen, dich mit deinen Themen auseinanderzusetzen. Großstädte sind keine Höhlen, in denen man still für sich in die Tiefen der Praxis abtauchen kann. Doch das alltägliche Leben sorgt dafür, dass du mit deinen Themen konfrontiert wirst und an ihnen wachsen kannst. Das ist aus meiner Sicht höchst spirituell.

Du sprichst viel über Verletzlichkeit. Warum ist dir das Thema so wichtig?

Verletzlichkeit bedeutet für mich, den Mut zu haben sich mit dem auseinanderzusetzen, was da ist. Ohne Scham und ohne Urteil. Wir alle spüren Gefühle wie Angst, Neid und Wut. Verletzlichkeit bedeutet, diese Gefühle zuzulassen, sie sich anzuschauen und vielleicht mit anderen zu teilen. Sich zu fragen „Warum fühle ich das?“ Und eventuell an den Punkt zu kommen, an dem man erkennt, dass Gefühle Energie sind, die gelenkt werden will. Für mich sind die größten Yogis und Lehrer*innen solche, die sich offen zeigen und ihre Fehler eingestehen ohne sich zu verstellen.

Verletzlichkeit ist die Akzeptanz aller Gefühle und die Fähigkeit sich den Raum dafür zu geben.

Was rätst du Menschen, die sich besser kennenlernen möchten?

Erstens: Finde eine*n Lehrer*in. Diese Person muss nicht physisch in deiner Nähe sein, aber sie sollte dir Feuer unterm Hintern machen. Das ist wichtig, denn sonst verlässt du deine Komfortzone nicht. Deinen Lehrer oder deine Lehrerin kannst du übrigens überall finden, auch jenseits der Yoga-Matte.

Zweitens: Miss deinen spirituellen Fortschritt an deinen Beziehungen zu anderen. Macht dich deine Praxis weicher und verständnisvoller? Wie ist deine Beziehung zu schönen oder unangenehmen Gefühlen? Der tibetische Buddhist Chögyam Trungpa sagt „Ego bedeutet, dem Leben, wie es ist, Widerstand zu leisten.“ Ich mag dieses Zitat. Es sagt nicht, du sollst keine Ziele und keinen Plan haben für dein Leben. Es sagt nur: das Leben ist, wie es ist. Hör auf, es ständig verändern zu wollen.

Apropos Pläne. Wie planst du deine Yogaklassen?

Ich bereite meine Klassen immer vor. Als Jivamukti Lehrerin orientiere ich mich an der üblichen Struktur der Klassen und beziehe mich auf den Fokus des Monats, das monatliche Überthema für alle Jivamukti Open Klassen. Außerdem bastele ich pro Woche zwei neue Playlists.

Musik ist meine Leidenschaft, sie unterstützt die Energie in den Klassen ungemein. Die Asana-Sequenz baue ich meist zu einer Peak-Pose hin auf. Nicht alle können sie voll ausführen, doch das macht nichts: Die meisten können die Schritte dorthin gehen.

1708_Rima Rabbath Interview_Asana_Fuck Lucky Go HappyNeben dem Planen der Sequenzen und der Musik ist meine eigene Praxis eine wichtige Vorbereitung. Ich übe und meditiere jeden Tag. Oft kommen mir dann Ideen, die ich in die Sequenz oder den Dharma-Talk mit einfließen lasse. Manchmal überspringe ich die Meditation. Das sind die Tage, an denen ich dem Lauf des Lebens schnell mal widerstehe…

Was ich noch wissen muss: Wie merkst du dir all die Namen?

Ich weiß nicht genau (lacht). Zunächst mal frage ich nach den Namen. Im indischen Lichtritual Aarti heißt es „Um zum Licht zu gelangen, musst du danach greifen.“ Es heißt ganz simpel: Frag nach dem Namen! Viele fragen nicht, oder sie fragen und vergessen es dann. Ich vergesse es auch, doch dann entspanne ich mich und im Laufe der Klasse kommt er zurück. Nach dem Fragen kommt natürlich das Zuhören: Oft fragen wir nach dem Namen und hören gar nicht richtig zu, wenn die Antwort kommt.

Abgesehen davon habe ich das Glück die meisten Menschen, die in meine Klassen kommen, schon sehr lange zu kennen. Das macht die Sache einfacher.

Danke Rima, bis bald!

Mehr über Rima erfährst du auf ihrer Webseite. Für aktuelle Termine, Immersions und Teacher Trainings schau am besten auf der offiziellen Jivamukti Yoga Seite vorbei.

Das könnte dich auch interessieren:

5 Kommentare / Schreibe einen Kommentar

  1. Hi Rebecca! Ein sehr guter Blog. Ich litt viele Jahre unter chronisch trockener Haut, hatte Stress auf Arbeit und in der Familie, war kurz vor dem Burnout. Dann habe ich gelernt loszulassen. Habe alles aufgegeben was mich belastet, die Ernährung umgestellt und war viel in der Natur. Resultat: Die trockene Haut ist nur noch selten (meist nur im Winter mal oder wenn ich zu lange mit der Sonne in Kontakt war), ich habe zehn Kilo abgenommen und fühle mich glücklicher denn je, denn ich lebe mit mir wieder selbst im Reinen. Yoga ist jetzt mein nächstes Ziel!

  2. Hallo Rebecca,
    dazu muß man aber nicht gernern, denn die angebliche Genderfoschung hat bis heute nichts erforscht. Gar nichts! Sagen sie übrigens selber. Und genau deshalb habe ich Dich hier auch auf das „Gendern“ angesprochen, auch wenn das vielleicht nicht so rüber kam.

    Geschlechtergerechte Sprache gibt es schon seit mindestens 1986, damals noch unideologisch mit dem sog. Binnen-I. Ideologie schafft nämlich eben nicht Platz für ALLE, sondern nur für die, welche der Ideologie auch anhängen.

    Wenn Du an einer Realität interessiert bist, in der Platz für ALLE ist, dann solltest Du auch die auch die weiteren Identitäten/Geschlechtern berücksichtigen, nicht nur weibliche und männliche Formen.

    1. Liebe Eve,
      das Sternchen zwischen der männlichen und weiblichen Form schließt alle Geschlechter mit ein. Auch diejenigen, die sich als geschlechtslos bezeichnen würden. Im Gegensatz zum Binnen-I übrigens.
      Der Grund, warum wir auf FLGH gendern, ist schlichtweg, dass wir Aufmerksamkeit auf die Debatte legen wollen. Für mich ist es jedenfalls keine Alternative, nur die männliche Form zu verwenden. Das übe ich auch in der gesprochenen Sprache.
      Beste Grüße
      Rebecca

    1. Eindeutig: Ja! Aus stilistischer Sicht gefällt es mir auch nicht, aber Sprache reproduziert Realitäten und ich bin an einer Realität interessiert, in der Platz für ALLE ist. Nicht nur für Männer.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*