Ein Plädoyer für mehr Freundlichkeit

Es ist eine Unterkunft wie viele andere im südindischen Goa: Einfache gezimmerte Holzhütten mit Blick aufs Meer, ein paar Strohsonnenschirme, unter denen je zwei wirklich bequeme Strandliegen stehen und ein offenes „Restaurant“ mit niedrigen Tischen und bunten, abgewetzten Kissen, auf denen man wunderbar herumlümmeln kann. Es ist brütend heiß, doch der sanfte Wind sorgt dafür, dass man es gut aushalten kann.

Seit zehn Tagen hänge ich mit meiner Freundin Laura im Saxony in Agonda Beach rum. Wir haben die beiden letzten Hütten der Bucht angemietet und können es nicht fassen, wie gut wir es haben.

Strand Goa Agonda

Dass wir es so gut haben, liegt natürlich an der Wärme, dem Meer, dem Abstand zum Alltag und Indien überhaupt. Auch. Es liegt aber vor allem an den nepalesischen Jungs, die das Saxony betreiben.

Es sind die freundlichsten, liebenswürdigsten Menschen, die mir seit langem begegnet sind.

Da ist Kaji, unser Guy, der uns jeden Wunsch quasi von den Augen abliest. Vishal, der little boss sitzt tagsüber hinter der Bar und regelt die Sache mit den Online-Buchungen. Abends spielt er gerne Cachon zu Tantra-Alis Mantren. Und dann ist da noch Raju. Wenn er mich aus vollem Herzen angrinst, bin ich sofort davon überzeugt, dass das Leben die Welt und überhaupt alles in bester Ordnung ist.

Die Saison in Goa neigt sich dem Ende zu. Seit Oktober machen die Jungs ihren Job, bei dem sie sich von sieben Uhr morgens bis Mitternacht um die Bedürfnisse ihrer Gäste kümmern. Sie haben keinen Tag frei. Wenn hier Regenzeit ist, machen sie das Gleiche irgendwo im Norden. Drei Wochen Urlaub hat er im Jahr, erzählt mir Kaji. Dann besucht er seine Eltern in Nepal. Trotzdem beschwert sich Kaji nie.

Ich denke an mein Gejammer vor dem Urlaub. Überarbeitet war ich, dauerkrank und genervt vom Grau und der Kälte. Im Berliner Winter spart man mit Lächeln und freundlichen Worten. Auch ich. Vielleicht tut genau deshalb die Freundlichkeit hier so gut.

Dieser Text soll keine Erlebniserzählung werden und auch keine In-Goa-Ist-Alles-Besser-Romanze. Denn das ist es natürlich nicht, wenn man nicht gerade im Urlaub ist und in einer der hübschen Strandhütten wohnt.

Das Monatsmantra für März ist ein Plädoyer für mehr Freundlichkeit.

Denn das ist es, was mich hier jeden Morgen aufs Neue begeistert. Die Jungs hätten allen Grund dazu, müde oder genervt zu sein. Doch sie sind es nicht. Sie sind wahlweise freundlich, witzig oder einfach nur lieb. Ohne, dass es eine Sekunde aufgesetzt wirkt. Das macht etwas mit der Atmosphäre des Ortes und mit den Menschen.

Freundlichkeit ist nämlich ansteckend.

Plötzlich sind alle Gäste total nett. Zu dem Staff, miteinander und ich glaube auch zu sich selbst. Und ganz von alleine entsteht so eine Art happy place, von dem keiner mehr so richtig weg will.

Saxony Beach Restaurant Goa Agonda

Anders als zum Beispiel in den USA oder Australien, wo eine (sicherlich auch oberflächliche) Freundlichkeit zum ganz normalen Umgangston gehört, ist in Deutschland, speziell in Berlin, der Alltagskontakt oft von einer gewissen Ruppigkeit oder Coolness geprägt (und damit meine ich nicht die typische Berliner Schnauze).

Ich meine Kellnerinnen in Hipster-Schuppen, die nicht einmal ein Mini-Lächeln zur Bestellung heraus bringen, Yoga-Lehrer, die beim Check-In nur schwerlich ein „Hallo!“ schaffen und Pendler in der vollen U-Bahn, die ihre schlechte Laune an denjenigen auslassen, die versuchen ein- oder auszusteigen. Und ich meine mich selbst.

Auch ich meckere gerne an meinem Freund rum, wenn ich aus irgendeinem x-beliebigen Grund schlecht drauf oder gestresst bin. Du weißt, was ich meine, oder? Die eigene Muffeligkeit am anderen auszulassen und irgendwie zu hoffen, Verständnis zu bekommen. Das klappt natürlich nicht. Und es ist nicht in Ordnung.

Es ist nicht okay, die eigene schlechte Laune über anderen auszukippen.

Denn in den seltensten Fällen können die „Opfer“ etwas dafür, noch macht es die Situation besser. Im Gegenteil: Wir schaffen es im Nullkommanix, den oder die andere mit in die Misere zu ziehen und ihnen gehörig den Tag zu versauen.

Wir müssen Verantwortung für unsere Gefühle übernehmen. Ganz speziell die unangenehmen.

Sie annehmen, statt sie an andere weiterzugeben. Gib stattdessen dein Bestes, deine Umwelt zu einem guten Ort zu machen und finde für dich heraus (gerne auch mit professioneller Hilfe), wo der Grund für deine schlechte Laune liegt. Es geht nicht darum, dich zu verleugnen oder jemanden in den A*** zu kriechen. Du darfst nein sagen, du darfst traurig sein und du darfst eine klare Meinung haben. Doch wie wir alle wissen: Der Ton macht die Musik.

Deine Aufgabe für diesen Monat: Sei freundlich.

Mit einem Extra-Lächeln, einem ernst gemeinten Kompliment oder ein paar mitfühlendem Worten kannst du die Stimmung an einem Ort nachhaltig positiv beeinflussen. Das führt dazu, dass sich die Menschen wohl fühlen und echter Kontakt einfacher wird. Gerade am Ende des Winters können wir das gut gebrauchen.

Ich jedenfalls werde mir ein Beispiel an den Jungs im Saxony nehmen und mich vor allem, wenn es anstrengend wird, an sie erinnern. Schwer haben wir es alle von Zeit zu Zeit. Kaji, Vishal, Raju, dein Nachbar, meine beste Freundin, ich und natürlich du selbst. Das ist noch lange kein Grund, es anderen auch schwer zu machen.

Saxony Beach Agonda Goa_Jungs

Wer das verstanden hat, hat laut Henry James (und meiner Freundin Laura) das Wichtigste im Leben kapiert.

Three things in human life are important:
The first ist to be kind.
The second is to be kind.
And the third is to be kind.

Ich glaube, er hat Recht. Kindness is always an option. Lasst es uns im März ausprobieren und sehen, wo die Freundlichkeit uns hinbringt.

Hab einen wunderbaren Start in den Frühling.

Unterschrift XOXO Rebecca_pink

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4 Kommentare / Schreibe einen Kommentar

  1. Wunderbare und vor allem wahre Gedanken! Ich hab eine ähnliche Erfahrung auf Bali gemacht. Es verändert so viel, wenn man einfach „nur“ freundlich zu anderen ist. Ein aufrichtiges Lächeln bewirkt schon so einiges. Und es macht einen selber ja auch irgendwie glücklich, wenn man jemand anderem den Tag ein bisschen leichter statt schwerer gemacht hat. Toller Artikel! Ich schließe mich an. :)

  2. Herzlichen Dank dir, Rebecca – für diese wunderbare Erinnerung & dein „Uns-Teilhaben-Lassen“ an deinen Indien-Erlebnissen, gerade auch in Sachen Freundlichkeit.
    Im Grunde ist es tatsächlich so einfach: Wir alle wissen, wie wir selbst behandelt werden, wie wir uns fühlen wollen – und wie wir anderen eine Freude machen können.
    Ich finde auch folgendes Bild sehr schön: Sei nährendes Fruchtwasser für andere (aufgeschnappt bei Veit Lindau)! Sorge dafür, dass das Potential eines Menschen aufgeht anstelle sich zu verschließen! Ermutige, erhebe, inspiriere…
    In diesem Sinne, alles Liebe zu dir,
    Carolin

  3. Gänsehaut. Vielen Dank, Rebecca! Durch meine Erinnerungen an Begegnungen mit den warmherzigen nepalesichen Jungs in Kerala und Goa fühle ich mich gerade ziemlich mies. Denn heute früh erst habe ich meine Berliner Stimmung direkt an eine meiner Liebsten weitergeleitet – via whatsapp – geht es noch unfreundlicher? Hmm… Danke fürs Wachrütteln! Viel Freude&Freundlichkeit! Namaste

  4. Liebe Rebecca, deine Zeilen finde ich wunderbar. Es ist definitiv so, wie du schreibst. Und eigentlich ist es ganz einfach. Ein Lächeln und Freundlichkeit kann soviel bewirken. Schon allein bei mir selber. Es verändert die Atmosphäre und steckt an. Ich wünsche dir noch wundervolle Urlaubstage und ganz viel Lächeln alles Liebe Christina

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