Auf der Suche nach dem Flow

Ich starre auf meinen Laptop-Bildschirm und lasse mich von dem rhythmischen Blinken des Cursors hypnotisieren. Ich wünschte, meine Finger würden über die Tastatur fliegen und meine sprudelnden strukturierten Gedanken auf dem Bildschirm erscheinen lassen. Passiert gerade nicht. Ich nenne das mal die Abwesenheit von Flow. Frustriert klappe ich meinen Laptop zu und mache mich auf den Weg zum Yoga. Vinyasa Flow Yoga, um genau zu sein. In der Hoffnung, den Kopf frei zu kriegen und dieses wohltuende flowige Gefühl wenigstens im Körper zu spüren.

Was ist eigentlich Flow?

Wenn eins mühelos ins andere übergeht. Ohne stockende Pausen. Ohne bewusst darüber nachzudenken. Ein anstrengungsloser Zustand mit berauschendem Glücksgefühl. Das ist meine Auffassung von Flow. Ob beim Yogen, Tanzen oder Schreiben – Flow ist weder auf Bewegung reduziert, noch eine spirituelle Erscheinung. Wobei das durch Flow verursachte Yoga-High vielleicht auch eine spirituelle Erfahrung sein kann. Ich erlebe das oft in Vinyasa-Klassen – meiner bevorzugten Yoga-Stilrichtung, einer fließenden, fast tänzerischen Yoga-Art.

Connect Effort into Pleasure

Vielleicht kennst du das selbst aus manchen Klassen: Wenn du dich durch das x-te Chaturanga schwingst und diese yogischen Liegestütze nicht annähernd so anstrengend empfindest, wie jene, die du damals im Fitnessstudio gemacht hast. Ich meine, das liegt daran, dass es mit einem anderen Gefühl besetzt ist. „Connect Effort into Pleasure.“ Das hört man oft im Gaga, einer Tanzimprovisationstechnik. Funktioniert im Yoga genauso gut. Anstrengung als Genuss zu erleben, hat mir eine völlig neue Welt eröffnet. Seitdem weiß ich anstrengende Asanas im Yoga zu schätzen.

>> Buchtipp: Flow: The Psychology of Optimal Experience von Mihaly Csikszentmihalyi (auf Deutsch: Flow: Das Geheimnis des Glücks)

Flow und Ausrichtung

Flashback zu meinen Yoga-Anfängen: Ich war die typische Tänzer-Yogini. Getroffen von Blicken des Unverständnis oder (neidvollen) Entsetzens, aufgrund ein paar zu langer Sehnen und Bänder. Mein 18jähriges Ich war geprägt vom Bewegungswissen des Zeitgenössischen Tanzes. Hyperflexibel und all over the place. Ohne Wahrnehmung und ehrliches Interesse für yogisch-gesundes Alignment.

Vinyasa meint nämlich genau das: Etwas auf eine bestimmte Art (vi) und Weise zu platzieren (nyasa). “Nyasa” ist ein Begriff aus den vedischen Ritualen und meint, dass jede Geste, jede Asana, einen Sinn und einen bestimmt Platz in einer bestimmten Reihenfolge hat. Es beschreibt einen dreiteiligen Bogen aus Entstehen, Verweilen und Auflösen. Das kann man mit dem Bild einer Welle vergleichen: Alle Teile bauen aufeinander auf, kommen in Wellen und jeder Teil der Welle ist gleich wichtig. Oft meinen wir mit Vinyasa auch die fließenden Übergänge zwischen den einzelnen Asanas in einer Yoga-Klasse.

Wahrscheinlich war es eine logische Konsequenz, dass ich beim Vinyasa-Yoga – als ein Zusammenspiel von Atem, Achtsamkeit und Ausrichtung – gelandet und geblieben bin. Die Suche nach dem Glücksgefühl im Flow trifft die Auseinandersetzung mit einer physiologischen Ausrichtung.

Was passiert in diesem Zwischenraum?

Eigentlich interessierte ich mich sogar mehr für den Moment zwischen den Asanas. Einerseits eine nicht so sehr thematisierte Bewegung zwischen zwei Positionen. Andererseits füllen Yogalehrer*innen diesen Raum zwischen der aktuellen und der folgenden Asana meist mit Bewegungsansagen, die die Körper der Übenden sicher und geschmeidig in die nächste Haltung bringen.

Im Idealfall finden die Worte einen Rhythmus und ein Tempo, beschränken sich auf das Notwendige und streuen trotzdem erhellende Asana-Anleitungen ein. Es ist also auch die Sprache, die der Klasse einen Fluss gibt. So als ob die Worte zu Wellen werden, um die Bewegungen zu tragen. Und nicht immer wieder unsanft gebremst zu werden. Wie meine Finger auf der Tastatur, weil sich meine Gedanken gegenseitig blockieren und in einem sich immer wiederholenden Strudel gefangen zu scheinen.

Sind wir nur ein bisschen high?

Die Kombination aus ununterbrochenem Bewegungsfluss und der Verbindung von Atem, Achtsamkeit und Ausrichtung habe ich immer mehr schätzen gelernt. Vielleicht hast du Yoga bisher eher als Workout betrachtet. Oder – wie ich in den ersten Yoga-Jahren – als eine auf zwei Quadratmeter Naturkautschuk beschränkte Bewegungspraxis, die uns ans Atmen erinnert und durch immer wiederkehrende Positionen geht.

Ich finde, es ist völlig in Ordnung, seine Faszination – und eigens definierte Spiritualität – in einer Bewegungspraxis zu finden. Manchmal komme ich dabei in tranceartige Zustände. Kein vernebeltes spaced-out, sondern eine präsente Wachheit, bei der man das Gefühl hat, schärfer zu sehen, den Körper intensiver wahrzunehmen.  Als ob unsere Sinne auf der höchsten Stufe laufen würden.

Flow ohne Ende? Wollen wir das?

Nachdem ich den Laptop ein paar Mal auf und zu geklappt und sowohl den Kopf als auch den Körper gelüftet hatte (ein Ausflug zum See war auch dabei), ist dieser Artikel doch noch fertig geworden.

Und jetzt frage ich mich, ob immer alles im reibungslosen Fluss sein muss? Könnten wir die Leichtigkeit des Flows noch richtig schätzen und genießen, wenn er ein Dauerzustand wäre? Würden wir diesen Rausch der Anstrengungslosigkeit überhaupt bemerken, wenn es nie anders wäre?

Ich glaube, Flow lässt sich nicht zwanghaft suchen und finden, sondern ist einfach da. Diesen Zustand der Leichtigkeit zu erkennen und genießen zu können, reicht vielleicht schon. Und trotzdem werde ich mich immer wieder freuen, jenen Glückszustand beim Schreiben, im Yoga oder beim Tanzen zu treffen und vielleicht ein klitzekleines bisschen auszudehnen.

Wie ergeht es dir? Wann bist du im Flow? Ich freue mich auf deine Kommentare!

Alles Liebe, deine Jule

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